Leipzig verliert immer mehr Bäume. Nicht nur für immer neue Bauprojekte muss jahrzehntealter Baumbewuchs meist komplett weichen. Auch die seit fünf Jahren vorherrschende Dürre sorgt dafür, dass mehr Bäume aus Sicherheitsgründen gefällt werden müssen. Sodass sich der Leipziger Baumverlust 2022 noch weiter verschärft hat.
Was für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat erneut Anlass ist, abermals vor einem voranschreitenden Baumverlust in Leipzig zu warnen. Die Zahl der beantragten Baumfällungen in Leipzig steigt von Jahr zu Jahr, wie aus einer aktuellen Anfrage der Fraktion an die Stadt hervorgeht.
Die Antwort auf die Anfrage zu den beantragten Baumfällungen
Allein 2022 wurde die Fällung von 2.071 Bäumen genehmigt, etwa 75 % davon wurden im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren freigegeben. Ebenso schätzt die Stadt ein, dass sich die Zahl an illegalen Eingriffen, also ohne Antrag und demzufolge auch ohne eine entsprechende Anordnung von Ersatzpflanzungen, auf hohem Niveau hält.
Wer prüft die Ersatzpflanzungen?
„Durch eine anhaltend hohe Bautätigkeit werden in Leipzig immer mehr Bäume gefällt, einige davon ohne Genehmigung. Ersatzpflanzungen werden zwar angeordnet, aber nur punktuell überprüft“, kommentiert Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, die Antwort aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer.
Was natürlich Folgen hat für die Hitzebelastung in der Stadt, wie Kasek feststellt: „Durch den Verlust von Grünflächen, der vielerorts festzustellen ist, wird sich die Stadt im Sommer stärker aufheizen. Das wird zunehmend zu einem Problem. Wir erleben die Grenzen und negativen Auswirkungen des Wachstums und schaffen an heißen Sommertagen eine zunehmend lebensfeindliche Umgebung in der Stadt. Das ist auch durch die Erhöhung der Anzahl an Straßenbäumen nicht zu retten.“
Wie kann man den Baumverlust stoppen?
Leipzig verliert seit Jahren Bäume in einer vierstelligen Anzahl, kann Kasek feststellen. „Lebensraum für Tiere und Kaltluftentstehungsgebiete verschwinden und die Grundlage für eine immer stärkere Aufheizung wird geschaffen. Wir müssen hier endlich wirksam gegensteuern. Die Fehler von heute werden sich in den kommenden Jahren bitter rächen. Es muss ein grundlegendes Umdenken in Bezug auf Bäume geben.“
Dass die Stadt trotz dieser eh schon prekären Entwicklungen auch 2022 wieder 59 Fälle illegaler Baumfällungen feststellen musste, erzählt freilich auch davon, dass viele Grundstücksbesitzer den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen haben.
„Illegale Fällungen müssen strenger geahndet werden, Ersatzpflanzungen regelmäßig kontrolliert werden“, fordert der Grünen-Stadtrat. „Fiktionsgenehmigungen, also Genehmigungen ohne Prüfung durch die Verwaltung aufgrund von verstrichenen Bearbeitungsfristen, darf es einfach nicht mehr geben! Dafür müssen die personellen Voraussetzungen bei der Stadt geschaffen werden.“
Es muss anders geplant werden
Aber Baumschutz beginne bereits bei der Planung, mahnt Kasek. Bauvorhaben sollten sich am bestehenden Gehölzbestand orientieren, was die meisten Bauvorhaben eben nicht tun. Geplant wird größtenteils, als ob auf dem Baugrundstück nichts weiter wächst. Und so rücken vor jedem Bauvorhaben die Fällkommandos an und machen tabula rasa – selbst bei Gehölzbeständen, die eigentlich schutzwürdig sind.
„Ersatzpflanzungen sollen, wenn möglich, bereits vor dem avisierten Eingriff umgesetzt werden, damit einerseits echte Ausweichlebensräume entstehen und zum anderen eine Kompensation der Baumleistung nicht erst viele Jahre später eintritt“, formuliert Jürgen Kasek den Anspruch, der bei Bauen in der immer mehr verdichteten Stadt eigentlich gelten müsste.
„So soll ein Baum, der wirklich weichen muss, möglichst durch Umpflanzung erhalten werden. Denn es dauert Jahre, bis junge Ersatzpflanzungen die ‚Leistung‘ eines großen Bestandsbaumes erreichen. Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, so fahrlässig mit unserem Stadtgrün umzugehen!“
In dem Zusammenhang weist er auch auf den Beschluss des Änderungsantrages der Grünen-Fraktion in der letzten Ratsversammlung zur Vorplanung der Komplexmaßnahme Straßenbahnneubaustrecke Mockauer Straße/Tauchaer Straße hin. Hier hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zumindest erreichen können, dass Ersatzpflanzungen und mögliche Umpflanzungen bereits im kommenden Herbst und damit noch mehrere Jahre vor Beginn der eigentlichen Baumaßnahme vorgenommen werden.
Ebenso wurde der Auftrag erteilt, Zielkonflikte zwischen notwendiger Baumaßnahme und dem Erhalt von vorhandenen Grünstrukturen im Zuge der weiteren Planung bestmöglich aufzulösen.
Es gibt 2 Kommentare
Auch ich bekam schon eine dieser Fiktionsgenehmigungen präsentiert. Mein Grundstück, mein Baum. Und der sich am Baum störende Nachbar bekam dafür eine Fällgenehmigung vom Amt. Ich habe immer mehr den Eindruck, man muss, was die Zukunft angeht, besonders ahnungslos sein um einen verantwortlichen Posten bei Stadt und Land besetzen zu können.
Dass die Zahlen vor 2020 so niedrig waren liegt am von 2010-2020 gegoltenen sog. “sächsische Baum-ab-Gesetz”. Dadurch waren bestimmte Baumarten und Standorte vom Schutzbereich der Baumschutzsatzung ausgenommen. Tausende Baumfällungen wurden statistisch nicht erfasst, weil sie nicht genehmigungspflichtig waren. Der BUND Leipzig hat dazu eine Untersuchung gemacht und kommt auf eine Zahl von ca. 4.500 Fällungen pro Jahr in den Jahren 2011-2013, allein für Leipzig.