Es wirkt schon seltsam: Seit 2021 warten die Ratsfraktionen darauf, dass die Verwaltung das neue Straßen- und Brückenbauprogramm vorlegt. Doch es kam 2021 nicht, es kam auch 2022 nicht. Im Herbst vertröstete die Verwaltung nun aufs Frühjahr 2023. Doch statt das neue Mittelfristprogramm vorzulegen, gibt es jetzt erst einmal eine Bilanz für die Zeit bis 2020. Eine sehr ernüchternde.

Leipzig hat in den Jahren 2012 bis 2020 insgesamt 212 Millionen Euro in den Straßen- und Brückenbau investiert. Der städtische Anteil dabei betrug 77 Millionen Euro, teilt die Leipziger Verwaltung mit. So geht es aus der Evaluierung des „Mittelfristigen Investitionsprogramms im Straßen- und Brückenbau“ hervor, die jetzt der Stadtspitze vorgelegt wurde.

„Mit diesen Mitteln wurden die Verkehrsverhältnisse in der Stadt signifikant verbessert und die Infrastruktur in Teilen grundlegend erneuert und modernisiert – beispielsweise an den für alle Verkehrsarten in der Stadt wichtigen Trassen wie der Lützner-, Karl-Liebknecht-, Könneritz-, Prager- und Georg-Schwarz-Straße sowie den Antonienbrücken, der Plagwitzer Brücke, der Landsberger Brücke und der Brücke Bornaische Straße. Insbesondere im Bereich von Anliegerstraßen sowie von Straßen in den Ortsteilen besteht aber weiter ein großer Erneuerungsbedarf“, stellt die Verwaltung dazu fest.

Die Bauvorhaben werden dabei künftig nicht mehr über dieses mittelfristige Investitionsprogramm priorisiert, sondern in den bestehenden „Rahmenplan zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie Leipzig 2030“ integriert, so die Verwaltung.

Im Investitionsstau

Wer freilich die 212 Millionen Euro umrechnet auf die einzelnen Jahresscheiben, kommt gerade einmal auf 23 bis 24 Millionen Euro, viel zu wenig, um den riesigen Rückstau bei Leipziger Straßenbauprojekten wirklich abzuarbeiten. Wichtige Hauptachsen wie die Käthe-Kollwitz-Straße, die Windmühlenstraße oder Brücken wie die Georg-Schwarz-Brücken oder die Riebeckbrücke wurden immer wieder aufgeschoben.

Viel zu lange aufgeschoben, was man jetzt unter anderem an dem riesigen Sanierungsdruck für die Klinger- und die Zeppelinbrücke oder die Brücken in der Gustav-Esche-Straße sieht.

Dass man mit den rasant gestiegenen Baukosten jetzt auch noch in ganz schwieriges Fahrwasser kommt, macht auch Baubürgermeister Thomas Dienberg Sorgen: „90 Vorhaben aus dem Programm sind umgesetzt, viele andere im Bau oder der konkreten Planung. Damit ist in Leipzig sehr viel bewegt worden, was es gerade in der aktuell für Baumaßnahmen nicht einfachen Situation zu würdigen gilt. Natürlich schreiben wir unsere Investitionsprogramme auch weiter fort, jetzt nur zentral, innerhalb des Rahmenplans.“

LVB am Elsterbecken auf der Zeppelinbrücke. Foto: Michael Freitag
Tram der LVB am Elsterbecken auf der Zeppelinbrücke. Foto: Michael Freitag

Erst in dieser Woche musste das Baudezernat melden, dass die Sanierung der Zeppelinbrücke nicht begonnen werden kann, weil kein preisgünstiges Angebot eingegangen ist. Vorher erwischte es schon die Landsberger Straße und den Peterssteinweg. Weitere Absagen werden folgen. Das ist jetzt schon sicher. Projekt um Projekt verteuert sich in Größenordnungen, die so nicht kalkuliert waren.

Nebenstraßen müssen warten

Und so blockieren die großen Hauptstraßenprojekte auch weiterhin all die dringend nötigen Sanierungen in den Nebenstraßen, wie Michael Jana, Amtsleiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes, anmerkt: „Die Priorität, die wichtige Trassen haben, lässt uns im Netz der Anliegerstraßen und beim Straßenbau in den Ortsteilen langsamer vorankommen, als wir selbst uns das wünschen. Dass die Investitionen insgesamt unter den Abschreibungen liegen und sich die unsanierten Straßen in ihrem Zustand weiter verschlechtern, kann uns nicht zufriedenstellen.“

Ein sehr deutliches Wort, das er da ausspricht: Trotz des 2012 aufgelegten Mittelfristprogramms investiert Leipzig weniger in Sanierung und Neubau von Straßen und Brücken, als gleichzeitig abgeschrieben werden muss. Leipzig holt den gewaltigen Sanierungsstau von 2012 nicht auf, sondern verliert sogar noch an Boden.

War 2012 Baustelle: die Lützner Straße. Foto: Gernot Borriss
War im Jahr 2012 Baustelle: die Lützner Straße. Foto: Gernot Borriss

Im Mittelfristprogramm waren übrigens alle wichtigen Bauprojekte auch mit Jahreszahlen versehen. Doch so möchte Leipzigs Verwaltung das Programm nicht interpretiert sehen, auch wenn sich die Ratsfraktionen genau darauf verlassen hatten.

„Grundsätzlich stellte das Mittelfristige Straßen- und Brückenbauprogramm eine Priorisierung notwendiger Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur von Straßen, Brücken und Radverkehrsanlagen dar, aber kein in diesem Zeitraum abzuarbeitendes Realisierungsprogramm“, formuliert die Verwaltung ihre Haltung.

„Die Einzelmaßnahmen mussten jeweils in den vom Stadtrat zu beschließenden Haushalten eingeplant werden und unterlagen diversen Einflussfaktoren, wie etwa den personellen und finanziellen Ressourcen der Stadt.“

Wachsende Ausgabenreste

Gerade das dürfte deutliche Kritik aus den Ratsfraktionen ernten, denn dass das Mittelfristprogramm jahrelang nicht aus den Startlöchern kam, hatte mit fehlendem Planungspersonal zu tun. Das war 2017 ganz großes Thema im Stadtrat. Da hatte OBM Burkhard Jung zwar stolz ein üppiges Investitionsprogramm vorgestellt, wie es sich Leipzig bis dahin nicht leisten konnte.

Dass aber die Planer zur Umsetzung fehlten, wurde dann in den Folgejahren immer deutlicher. Ergebnis: ein immerfort wachsender Berg von investiven Ausgabenresten, die letztlich nichts anderes sind als nicht umgesetzte Investitionen, obwohl sie alle vom Stadtrat schon beschlossen waren. Waren es 2012 noch 101 Millionen Euro, die nicht investiert wurden, so waren es 2020 dann schon 350 Millionen Euro.

Die man dann getrost neben die verbauten 212 Millionen stellen kann.

„Neben den Maßnahmen aus dem Mittelfristprogramm wurden darüber hinaus unter anderem Vorhaben realisiert, die über separate Anträge – etwa von Stadtbezirksbeiräten – im Zuge der Haushaltsplanung beschlossen wurden oder die aus Sicht der Verkehrssicherheit dringend erforderlich waren“, teilt die Verwaltung noch mit.

Und zieht dann noch eine kleine Bilanz: „Von den im Programm genannten Einzelinvestitionen beispielsweise wurden 32 Maßnahmen abgeschlossen, vier befinden sich im Bau, 14 sind im aktuellen Haushalt oder mittelfristig eingeordnet, drei noch nicht terminiert.

Bei den Anliegerstraßen sind 18 Vorhaben umgesetzt, zwei terminiert, fünf in Planung und 24 noch nicht eingeordnet: Ohne Straßenausbaubeiträge und mit einer Priorität, die auf das Hauptnetz zielt, ist hier nur eine langsame Erneuerung möglich. Bei den Vorhaben zum Radverkehr steht der meist nötige Grunderwerb einer raschen Realisierung im Weg, da es oft lange dauert, bis Eigentümer verkaufen.“

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