Umsteuern dauert. Auch bei einem so grundlegenden Thema wie dem Umbau der Landwirtschaft auf den Flächen der Stadt Leipzig. Auch auf Leipzigs verpachteten Flächen soll es künftig ökologischer zugehen, pestizidfrei sowieso. Denn Leipzig will ja auch pestizidfreie Kommune werden. Beschlossen wurde das Umsteuern 2019. 2020 wollte das Liegenschaftsamt eigentlich ein Konzept vorlegen. Aber das war deutlich zu viel versprochen.

Immerhin galt es einerseits, aus sieben Einzelanträgen der Grünen-Fraktion ein Gesamtpaket zu schnüren. Und daraus dann einen Kriterienkatalog zu erstellen, nach dem die Pachtflächen der Stadt künftig vergeben werden sollen.

Wenn es klare Kriterien gibt, wissen die Landwirtinnen und Landwirte, woran sie sich orientieren können. Und es sind gar nicht so wenige Flächen, welche die Stadt Leipzig zu verpachten hat: Das Stadtgebiet besteht aus 34 % Flächen bzw. 10.000 ha mit landwirtschaftlicher Nutzung. Davon sind etwa 1.838 ha im Besitz der Stadt (Stand: 2020) und diese wiederum sind verpachtet an 66 verschiedene Pächter.

Wobei sich nicht nur die aktuellen Pächter für das neue Konzept interessierten, denn das bedeutet ja für alle auch eine Umstellung des Betriebes. Insgesamt nahmen über 100 Landwirtinnen und Landwirte an der jüngsten Veranstaltung zum Thema im Januar teil. Den Beteiligungsprozess hatten die Stadt und das beratende Unternehmen IAK Agrar Consulting GmbH veranstaltet, um erst ein Grobkonzept zu erstellen und dieses dann nach und nach zu verfeinern.

Nur noch Ein-Jahres-Pachtverträge?

Aber Beteiligung kostet Zeit. Der Termin 2020 war nicht zu halten. Was dann zur Folge hatte, dass die Stadt Flächen, deren Pachtverträge ausliefen, nur noch für jeweils ein Jahr verpachtete.

Ein Problem, das die CDU-Fraktion in einer Anfrage deutlich gemacht hat. Und das Liegenschaftsamt, das für die Verpachtung der Flächen zuständig ist, bestätigt nun auch, dass das tatsächlich ein Problem ist: „Um einer künftigen Vorgehensweise bei der Verpachtung städtischer Landwirtschaftsflächen auf Basis des Landwirtschaftskonzepts nicht vorzugreifen, ist bis zum Ratsbeschluss des Teil 1 des Landwirtschaftskonzepts (Ausschreibungskriterien und Regeln zur Bereitstellung von landwirtschaftlichen Nutzflächen der Stadt Leipzig; VII-DS-08044) auf Vertragsabschlüsse mit langfristigen Laufzeiten zu verzichten – auch im Sinne eines Gleichbehandlungsgebotes.

Schließlich sollen alle Flächen perspektivisch auf Grundlage des Kriterienkataloges aus der Konzeption anhand transparenter und für alle Pachtinteressierten gleichermaßen geltender Rahmenbedingungen verpachtet werden“, begründet es die Begrenzung der Pachtzeit auf ein Jahr.

Die Antwort auf die CDU-Anfrage zur Landwirtschaft.

„Für die Landwirtinnen und Landwirte erschwert es die vorausschauende Investitionsplanung. Diese Situation ist aus unternehmerisch-strategischer Sicht als nachteilig zu bewerten. Zugrundeliegende Flächenkapazitäten und somit zu erwartende Erträge sind mit zusätzlichen Unsicherheiten verbunden. Mögliche Bestrebungen der Betriebe, konventionell bewirtschaftete Flächen auf ökologische Bewirtschaftungsmodelle umzustellen, werden von den Landwirtinnen und Landwirten zumindest auf den betreffenden Flächen eher zurückgestellt, da hierfür eine langfristige Verfügbarkeit der Transformationsflächen unabdingbar ist“, bestätigt das Liegenschaftsamt.

„Diese Umstände sind dem Liegenschaftsamt durch einen fortwährenden Austausch sowohl mit derzeitigen Pächterinnen und Pächtern städtischer Landwirtschaftsflächen als auch anderen interessierten Landwirtinnen und Landwirten bekannt. Zuletzt bot der Landwirtschaftsdialog im Januar dieses Jahres eine weitere Gelegenheit zum persönlichen, fachlichen Austausch.“

Und wann kommt das Konzept in den Stadtrat?

Was für SPD-Stadtrat Andreas Geisler die direkte Frage nach sich zog: Wann kommt denn dann endlich das Konzept, damit es vom Stadtrat beschlossen werden kann? Drei Jahre Arbeit daran sind doch eine ziemlich lange Zeit.

In der Antwort an die CDU-Fraktion hatte es geheißen, dass das Grobkonzept schon 2021 stand. Aber dann ging es im Feinkonzept noch einmal hin und her.

Zur Vorlage für den Stadtrat erfklärte das Liegenschaftsamt: „Die erste Vorlage

‚Gesamtkonzeption Landwirtschaft im Stadtgebiet von Leipzig‘: Teil­ 1 ‚Ausschreibungskriterien und Regeln zur Bereitstellung von landwirtschaftlichen Nutzflächen der Stadt Leipzig‘ (VII-DS-08044) befindet sich aktuell im Mitzeichnungsverfahren innerhalb der Stadtverwaltung und wird anschließend in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters, im Arbeitskreis der Ortsvorstehenden, in den Fachausschüssen ‚Wirtschaft, Arbeit und Digitales‘, ‚Stadtentwicklung und Bau‘, im Grundstücksverkehrsausschuss und schlussendlich in der Ratsversammlung behandelt.“

Am 9. Februar stellte dann Baubürgermeister Thomas Dienberg tatsächlich den April in Aussicht, dass das Konzept dann endlich zur Beschlussfassung in den Stadtrat kommt.

Regional, ökologisch, solidarisch, möglichst pestizidfrei

Wobei ein Blick in die Erarbeitung der Landwirtschaftskonzeption, die auf der Homepage der Stadt Leipzig einsehbar ist, schon zeigt, wohin die Reise geht. Denn am von IAK erarbeiteten Kriterienkatalog wird sich nicht mehr viel ändern. Vergeben werden die Pachtflächen der Stadt künftig nach einem Punktesystem. Derjenige Bieter, der die höchste Punktzahl anbietet, kann dann auf den Zuschlag rechnen. Wobei einige Kriterien feste Vorgaben sind – die muss jeder Bewerber erfüllen – etwa vom Verbot des Einsatzes von Klärschlamm bis hin zum Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut.

Aber in der konkreten Ausgestaltung haben insbesondere Betriebe bessere Chancen, die regional verwurzelt sind und auch direkt für den regionalen Markt produzieren. So gibt es für solidarische, ökologische Landwirtschaft besonders viele Bewertungspunkte. Aber auch die Umstellung des gesamten Betriebes auf ökologische Produktionsweise bringt Punkte, so wie die Reduktion der Pflanzenschutzmittel und der regionale Absatz.

Aber Landwirtschaft muss ja noch viel mehr leisten. Längst ist klar, dass auch der Landschaftsschutz eine zentrale Rolle spielen sollte. Was sich dann auch in einem Katalog „Landschaftsstrukturelemente“ niederschlagen soll. Denn immerhin geht es auch um Wasserrückhalt, Minimierung der Bodenerosion und die Schaffung von Schutzräumen für die einst in der Landschaft heimische Feldtiere vom Hamster über den Hasen bis hin zu den Rebhühnern, die allesamt fast verschwunden sind aus der Leipziger Flur.

Natürlich sind da auch die Stadträtinnen und Stadträte – nicht nur von CDU und SPD – gespannt, was dann wirklich im Konzept stehen wird. Und was dann – wenn Thomas Dienbergs Ansage eintreffen sollte – in der April-Ratsversammlung zum Beschluss steht.

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