Es hat wieder gekracht zum Silvester 2022. Teilweise so, als müssten einige Leute all das nachholen, was sie 2020 und 2021 nicht in die Luft geballert haben. Mit viele schweren Verletzungen als Folge. Noch vor Weihnachten versuchte Leipzigs Verwaltung, das Thema herunterzuspielen und der Ratsversammlung einzureden, man könne die Silvesterböllerei nicht beschränken. Was nicht stimmt, stellen die Grünen jetzt fest.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kündigte am Freitag, dem 13. Januar, einen neuen Vorstoß an, um das Silvesterfeuerwerk im Leipziger Stadtgebiet stärker zu begrenzen und nur noch auf zentralen Plätzen durchführen zu lassen. Dazu hat die Fraktion einen Antrag eingereicht, welcher fordert, vorhandene rechtliche Spielräume vollumfänglich auszunutzen.
„Die Stadt hat über das Sprengstoffgesetz bereits jetzt die Möglichkeit, das Silvesterfeuerwerk, das ausschließlich Knalleffekte hat, in dicht besiedelten Gebieten zu untersagen. Zudem ist auf Bundesebene eine Klarstellung des Sprengstoffgesetzes bereits mit der Zielstellung verabredet, dass Kommunen einen erweiterten Handlungsspielraum bekommen“, erklärt Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion.
„Gerade in den engen Anwohnerstraßen sollte kein Silvesterfeuerwerk mehr eingesetzt werden. Die Lösung besteht darin, wie in vielen europäischen Städten und auch global, Feuerwerk an einem zentralen Platz unter Aufsicht durchzuführen und den Privateinsatz stärker zu reglementieren und auf bestimmte Plätze zu beschränken.“
Kasek: Rücksichtslosigkeit statt Freiheit
Für eine Mehrheit der Bevölkerung und aus Aspekten des Umweltschutzes sei es nicht mehr zumutbar, dass überall fast unbeschränkt geböllert werden dürfe, so Kasek. „Hinzu kommt, dass viele ihren Müll zurücklassen und die Kosten dafür die Allgemeinheit zu tragen hat. Selbst dort, wo die Stadt, wie auf dem Augustusplatz, zusätzliche Container aufgestellt hat, werden diese kaum genutzt. Auch das generelle Verbot von Feuerwerk im Landschaftsschutzgebiet wird missachtet.“
Und besonders kritisch sieht Kasek die Tatsache, dass auch weiterhin Orte zum Böllern genutzt werden, die dafür selbst nach geltendem Recht tabu sein müssten.
„Nach wie vor halten es viele offenbar für völlig in Ordnung, etwa vom Fockeberg und damit im Landschaftsschutzgebiet Leipziger Auwald Feuerwerk starten zu lassen, ohne dass dies entsprechend geahndet wird“, sagt Kasek. „Der unbeschränkte Einsatz von Feuerwerk ist kein Ausdruck von Freiheit, sondern von Rücksichtslosigkeit.“
Im ähnlichen Sinne entwarf kürzlich auch LZ-Gastautorin Louise Hummel-Schröter in ihrem Kommentar eine neue Silvester-Vision für die Zukunft.
***
Der Grünen Antrag vom 13. Januar 2023: Silvesterfeuerwerk beschränken
Beschlussvorschlag:
1. Die Ratsversammlung spricht sich für eine deutlich stärkere Beschränkung von Silvesterfeuerwerk im Stadtgebiet Leipzig aus. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Beschränkung auszuschöpfen und im 3. Quartal 2023 dem Fachausschuss Umwelt, Klima, Ordnung einen entsprechenden Plan vorzulegen.
2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich im Städte- und Gemeindetag für eine Änderung der 1. Sprengstoffverordnung (1. SprengV) hinsichtlich des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 einzusetzen. Mit der bereits geplanten Änderung wird es Städten und Kommunen ermöglicht, erweiterte und gegebenenfalls das gesamte Stadtgebiet umfassende Sperrzonen für Pyrotechnik.
3. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für dicht besiedelte Gebiete ein Verbot für Knallkörper mit ausschließlicher Knallwirkung auszusprechen und eine Karte dieser Gebiete dem Stadtrat zur Information vorzulegen.
4. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, eine Informationskampagne aufzulegen mit der Zielstellung die Bevölkerung zu sensibilisieren, sie zum Verzicht zu ermuntern und auf das mit Silvester einhergehende Müll-, Lärm- und Feinstaubproblem hinzuweisen.
5. Es wird durch die Verwaltung ein Konzept zur Durchführung einer zentralen Silvesterfeier mit Einbindung von professionell durchgeführtem Feuerwerk und/oder einer Lasershow aufgestellt und dem Stadtrat im 3. Quartal 2023 vorgestellt.
Begründung:
Der Einsatz von Silvesterfeuerwerk ist umstritten. Nicht nur die Verbraucherschutzzentrale und Umweltverbände, sondern auch Tierschutzverbände, Polizei, Feuerwehr und Krankenhäuser plädieren für eine stärkere Einschränkung. Inzwischen sprechen sich mehr als 50 % der Bevölkerung für eine stärkere Einschränkung bis hin zum Verbot von privatem Feuerwerk aus.
In der Silvesternacht werden die mit Abstand höchsten Feinstaubwerte erreicht, die gerade für Menschen mit Lungenproblemen gefährlich sein können. Es besteht eine erhebliche Verletzungsgefahr und eine zusätzliche Belastung für Krankenhäuser und Einsatzkräfte. Auch die Tierwelt leidet unter der Böllerei. Viele Tiere werden durch Silvesterfeuerwerk verängstigt, gerade Wildtiere werden dadurch aufgeschreckt und nicht wenige sterben aufgrund der Panik oder durch die Flucht auf die Straße.
Für Menschen mit Kriegserfahrungen bedeutet die Silvesternacht nicht selten eine Retraumatisierung. Das lautstarke Silvesterfeuerwerk weckt Assoziationen mit Krieg, wenn knatternde Böllersalven und dumpfes Dröhnen mit Rauch durch die Straßen hallt.
Begründet wird der Einsatz von Feuerwerk häufig mit dem Brauchtum. Ursprünglich wurden jedoch zur Verbreitung böser Geister Rasseln eingesetzt und später dann die sprichwörtlichen Pauken und Trompeten. Der Einsatz von ursprünglich aus der Zeit der Song Dynastie in China entwickelten Feuerwerk in Europa ist auf die Barockzeit zurückzuführen und stand nicht mit Silvester in Verbindung. Der Masseneinsatz zu Silvester begann erst Anfang des 20. Jahrhunderts.
Viele Städte weltweit sind inzwischen zu einem anderen Umgang gekommen und zelebrieren eine gemeinsame Festveranstaltung, nicht selten mit Feuerwerk, das unter professioneller Aufsicht gezündet wird. Zunehmend wird das Feuerwerk durch Lasershows oder den Einsatz von Drohnen als umweltschonende Alternative sogar gänzlich ersetzt.
Es gibt bereits jetzt Möglichkeiten, privates Feuerwerk stärker einzuschränken und trotzdem eine zentrale Festlichkeit auszurichten.
Anmerkungen:
Zu 1 und 2) Bisherige Versuche, Silvesterfeuerwerk stärker einzuschränken, hatte die Stadt mit Verweis auf die geltenden Regelungen zurückgewiesen. Gleichwohl hat die Stadt lobenswert zum letztjährigen Feuerwerksverkauf keine städtischen Liegenschaften zur Verfügung gestellt.
In Sachsen gibt es etwa kein eigenes Landesimmissionsschutzgesetz, das in der Ausgestaltung bundesrechtlicher Regelungen weitere Einschränkungen erlauben würde.
In Bezug auf Erwägungen des Brandschutzes ist der Rahmen bislang sehr eng gesteckt. Seit geraumer Zeit soll allerdings die 1. Sprengstoffverordnung so geändert werden, dass Kommunen erweiterte Möglichkeiten für die Einrichtung von Sperrzonen erhalten. Hier kann die Stadt im Rahmen des Deutschen Städte- und Gemeindetages darauf hinwirken.
Zu 3) Weiterhin gibt es über § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 1. Sprengstoffverordnung bereits die Möglichkeit, Allgemeinverfügungen für das Verbot von Feuerwerkskörpern mit ausschließlicher Knallwirkung in dicht besiedelten Gebieten zu erlassen. Der Begriff des dicht besiedelten Gebietes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Unter vergleichender Betrachtung der Rechtsprechung wird man darunter eine Ansammlung von Gebäuden mit geringem Abstand verstehen, die einer größeren Anzahl von Personen als Aufenthalt dient (etwa OVG Koblenz zu § 8 LuftVO). Auch die Verordnung (EG) Nr. 965/201241 kennt den Begriff des dicht besiedelten Gebietes. In Anhang I Nr. 18 der Verordnung wird der Begriff des dicht besiedelten Gebietes bezeichnet als „im Zusammenhang mit einer Stadt oder Siedlung ein Bereich, der im Wesentlichen für Wohn-, gewerbliche oder Erholungszwecke genutzt wird“.
Daraus folgend wird man schlussfolgern können, dass sämtliche städtische Gebiete, jedenfalls soweit es Wohngebiete und Mischgebiete mit überwiegender Wohnbebauung sind, als dicht besiedelte Gebiete bewerten werden können.
Aufgrund der enormen Lärmentwicklung ist aus Gründen des Schutzes für Mensch und Tier ein Verbot geboten.
Zu 4) Die bisherigen Informationen der Stadt im Vorfeld von Silvester sind eher verhalten. Zielstellung ist es, im Rahmen einer breit angelegten Informationskampagne auf die Gefahren und die Umweltbelastung sowie die Verletzungsgefahr insbesondere durch illegal importierte Feuerwerke hinzuweisen und darüber zu informieren, dass der Einsatz von Feuerwerk stärker beschränkt und kontrolliert wird.
Zu 5) Analog zu vielen europäischen Städten ist es aber sinnvoll, ein zentrales, durch professionelle Feuerwerker*innen durchgeführtes Feuerwerk und/oder eine Lasershow anzubieten und so dem Anlass entsprechend die Möglichkeit des gemeinsamen Erlebens und Feierns zu geben.
Keine Kommentare bisher