Man hat das Bild noch vor sich, wie OBM Burkhard Jung vor wenigen Jahren noch schwärmte, als sich die geplanten Investitionen von Stadt und Kommunalbetrieben auf 1 Milliarde Euro im Jahr summierten. Aber in keinem Jahr hat es Leipzig seitdem geschafft, seine Investitionsvorhaben tatsächlich in der darin enthaltenen Größenordnung umzusetzen. Ergebnis: ein wachsender Berg an Haushaltsausgabenresten.
Das klingt, als würde das Geld dann irgendwo auf einem riesigen Haufen wachsen. Aber das tut es natürlich nicht. Denn die Summe beschreibt nur, was der Stadtrat an Investitionen im Lauf der Jahre beschlossen hat und was die Stadt also investieren darf.
Aber auch mit Stichtag 30. September zeichnet sich ab, dass Leipzig auch 2022 nie und nimmer 700 Millionen Euro in einem Jahr für Investitionen platzieren kann. So viele Baukapazitäten gibt es in der Region gar nicht.
„Entsprechend den vorgenommenen Angaben der Fachämter wird bei einem Planansatz von 295,8 Mio. EUR und übertragenen Ansätzen aus Vorjahren von 396,3 Mio. EUR eingeschätzt, dass von diesen Auszahlungsansätzen (in Summe 692,1 Mio. EUR) in 2022 zum Jahresende Maßnahmen mit einem Investitionsvolumen von 344,6 Mio. EUR umgesetzt werden“, heißt es im Finanzbericht von Finanzbürgermeister Torsten Bonew.
Was nun einmal bedeutet: Der Stadtrat hat für 2022 Investitionen in Höhe von 295,8 Millionen Euro beschlossen.
Aus den Vorjahren liegen noch Investitionsvorhaben im Umfang von 396,3 Millionen Euro auf Halde.
Zusammen sind das bestätigte Investitionen von 692,1 Millionen Euro.
Aber umgesetzt werden 2022 (voraussichtlich) nur 344,6 Millionen Euro.
Und damit hat sich die Arbeit der Fachämter schon verbessert. Für Leipziger Verhältnisse sind 344 Millionen Euro, die in einem Jahr investiert werden konnten, ein guter Wert.
Wenn Baukapazitäten fehlen
Aber jetzt kommen neue Engpässe auf die Stadt zu, stellt das Finanzdezernat fest: „Aufgrund von Lieferengpässen und Fachkräftemangel ist im Vergleich zu den Vorjahren ein stagnierender Trend bei den Auszahlungen für Investitionen zu beobachten. Eine Abfinanzierung in der Größenordnung des Planansatzes zzgl. der aus Vorjahren übertragenen Reste (akt. Plan) wird in 2022 nicht möglich sein.“
Dabei macht das Finanzdezernat kein Hehl daraus, dass ihr dieses Aufhäufen von geplanten Investitionen, die dann in der Größenordnung gar nicht umgesetzt werden können, gar nicht gefällt:
„Infolge der neuen Methodik der Haushaltsplanung im Investitionsbereich (Zero-Base-Budget) ist wiederum von 2022 nach 2023 nicht mit der Übertragung von Investitionsbudgets zu rechnen. Ziel des Zero-Base-Budgeting ist, die Planungsbasis auf ‚null‘ zu setzen, um einerseits die bestehenden Reste zu hinterfragen und andererseits neu entstehende Reste zu verhindern.
Die stetig gestiegenen Reste der Vorjahre sowie ggf. Reste, die aus dem Jahr 2022 resultieren, sollten in der neuen Haushaltsplanung berücksichtigt, aber auch grundlegend evaluiert werden. In der nachfolgenden Tabelle wird deutlich, dass Investitionsauszahlungen von maximal 330,6 Mio. EUR, meist aber deutlich darunter, realisierbar waren.“
Was natürlich die Ratsfraktionen in Zugzwänge bringen dürfte. Denn das alles sind ja keine Investitionen in Prestigeobjekte oder irgendwelche Spielzeuge, auf die eine Stadt auch verzichten könnte. Tatsächlich erzählen auch die Ausgabenreste von einem gewaltigen Investitionsstau. Da stecken Pläne für Brückensanierungen, Straßenkomplexmaßnahmen, neue Schulen, Kitas, Sporthallen, Schwimmhallen und Museen drin.
Oft genug deshalb im Stau, weil die Antragsstellung für Fördermittel stockt oder scheitert (was die Leipziger Investitionsaufwendungen wieder erhöht), Planungen nicht fertig sind oder nicht genehmigungsreif. Oder weil man die Baumaßnahmen schlicht nicht koordiniert bekommt, weil andere Baustellen das verhindern.
Kann man Investitionen auf „Null“ stellen?
Aber was macht man dann mit den schon beschlossenen Investitionen? Plant man völlig von Neuem oder taktet man sie auch im Plan völlig neu ein in spätere Haushaltsjahre?
Und was heißt das für 2022 und 2023: Darf der Stadtrat da dann keine neuen Investitionen beschließen, damit der Berg nicht doch weiter wächst?
2020 war mit 736,7 Millionen Euro an investiven Haushaltsausgabenresten ein absoluter Höchststand erreicht worden. Gerade in den Jahren von 2015 bis 2020 war dieser Berg rapide gewachsen, von anfangs 299,11 Millionen Euro.
Ein Grund dafür war, dass es Leipzigs Planer lange nicht hinbekamen, die dringend benötigten Investitionen auch in größerem Ausmaß am Markt zu platzieren. Ganze 143,7 Millionen Euro konnten sie 2015 verbauen. Erst 2019 wurde mit 262,5 Millionen Euro erstmals die 200-Millionen-Euro-Marke überschritten, weil die internen Abläufe deutlich gestrafft wurden.
2020 wurden zum ersten Mal 330,7 Millionen Euro erreicht, was dann auch erstmals ein Abschmelzen des Ausgaberesteberges mit sich brachte. Mit 365,9 Millionen Euro wird 2022 wahrscheinlich ein neuer Höchstwert erzielt.
Da dürfte die Diskussion in den Ausschüssen und in der Ratsversammlung, wo man die Investitionsplanungen vielleicht wieder strafen könnte, durchaus heftig werden. Denn tatsächlich steckt Leipzig in einem veritablen Investitionsstau – gerade im Straßen- und Brückenbau. Die Investitionen immer weiter zu verschieben, sieht dann schon wie ein Spiel mit dem Feuer aus.
Die Schauermär vom Schuldenberg erfüllte sich nicht
Zumindest eine gute Seite hat dieses Nicht-alles-investieren-Können: Die Stadt brauchte 2021 und 2022 keine neuen Kredite aufzunehmen.
Und das, obwohl sie Kreditermächtigungen von inzwischen 481 Millionen Euro hat. Das heißt: Der Schuldenstand ist so gering, dass Leipzig neue Schulden machen könnte, um all das zu bauen, was noch fehlt. Aber da es genau das nicht kann, wurden auch 2022 Kreditermächtigungen in Höhe von 135 Millionen Euro nicht in Anspruch genommen. Genauso, wie die Kreditermächtigungen aus den Vorjahren nicht genutzt werden konnten oder mussten – je nach Sichtweise.
Womit dann all die Dramen, die 2020/2021 mit der Haushaltsplanung in der Corona-Zeit an die Wand gemalt wurden, Leipzig würde seinen Schuldenberg verdoppeln oder gar in den Milliardenbereich ausdehnen, wie Seifenblasen zerplatzten. Geld, das man schlichtweg nicht ausgeben kann, muss man sich auch bei den Banken nicht leihen.
Das ist zwar nicht gut für den Bestand der Stadt, weil Brücken und Straßen weiter verschleißen und der Handlungsdruck an vielen Stellen im Stadtgebiet immer weiter wächst. Aber jetzt bremsen fehlende Fachkräfte am Bau und gestiegene Baukosten den Aufholprozess noch weiter und Leipzig kann froh sein über jedes einzelne Projekt, das es trotzdem gebaut bekommt.
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