Das ging dann wider Erwarten im Stadtrat ganz ohne Diskussion über die Bühne. Obwohl es ganz sicher Gesprächsbedarf gegeben hätte, nachdem die Stadtbibliothek im Frühjahr ohne Vorwarnung ihren Erwerbungsetat nach Europarecht ausgeschrieben hatte. Auf einmal standen die vor allem kleinen Leipziger Buchhandlungen im Regen, die zuvor einen guten Teil ihres Umsatzes mit Buchlieferungen an die Stadtbibliothek erzielt hatten.

Das war dann kein gutes Zeichen für die Buchstadt Leipzig, die in den vergangenen Jahrzehnten sowieso schon heftige Schläge einstecken musste, wie Oskar Teufert in seiner Rede zu Antrag des Jugendparlaments betonte. Das Jugendparlament hatte sich im Sommer des Kummers der Leipziger Buchhändler angenommen und ein anderes Ausschreibungsmodell für die Stadtbibliothek beantragt.

Denn das Modell, das Leipzigs Stadtbibliothek gewählt hatte, hätte im Grunde nur überregionalen Buchhändlern eine Möglichkeit eingeräumt, als Bieter aufzutreten. Für kleine Buchhandlungen waren die Ausschreibungsmodalitäten schlicht nicht umsetzbar, sie hätten die meisten ökonomisch auch völlig überfordert.

Entsprechend laut war der Aufschrei und auch die entsprechende Stellungnahme des Börsenvereins.

Im Antrag des Jugendparlaments klang das Ganze so: „Für kleine Buchhändler ist der neue Erwerbungsetat der Stadtbibliothek ein Schlag ins Gesicht und eine existenzielle Bedrohung. Diesen eindeutigen Fehler gilt es abzufedern und in Zukunft zu vermeiden. Dabei kann die Stadt Leipzig sich nach einem Rechtsgutachten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels richten, welches sich genau mit der in Leipzig vorliegenden Situation beschäftigt.

Dieses eröffnet die Punkte eins und zwei als Alternative zur europaweiten Ausschreibung. Der Punkt drei muss als Bekenntnis zu den Leipziger Buchhändlern verstanden werden und als ein Versuch, Vertrauen wieder aufzubauen. Der Punkt vier gilt dem Erhalt der vielfältigen und kulturell wertvollen Leipziger Buchhandlungen. Eine genauere Begründung ist dem Jugendparlamentsantrag 22/023 zu entnehmen.“

Vollbremsung im Sommer

Die erste Ausschreibung hatte die Stadtbibliothek dann nach der heftigen Kritik im Juni zurückgezogen.

Im Oktober legte dann das Kulturdezernat einen Kompromissvorschlag vor, der die Lose so reduzierte im Umfang, dass sie nun auch von kleinen Buchhandlungen geleistet werden können.

Im neuen Vorschlag hieß es jetzt: „Unter Beachtung vergaberechtlicher Vorgaben wird ein der Intention des Antrages folgender Alternativvorschlag unterbreitet, der zwei Hauptanliegen des Antrages aufgreift, nämlich lokalen Händlern mehr Möglichkeiten zu bieten, sich an der Ausschreibung zu beteiligen, sowie die Laufzeit der Rahmenverträge zu verkürzen, in dem die bisherige Aufteilung in Fachlose neu strukturiert und in weitere kleinere Teillose untergliedert wird. Insgesamt werden 10 Lose ausgeschrieben (bisher 6), bei sieben davon soll der Erwerb von Büchern ohne Nebenleistungen zur ausleihfertigen Bearbeitung (z. B. Folierungen, Anbringen von Aufklebern, etc.) ausgeschrieben werden, was kleineren Buchhandlungen eine Teilnahme an der Ausschreibung erleichtern wird.“

Das sei zwar nur ein Kompromiss, so Teufert und „nicht das unmissverständliche Zeichen, das wir uns als Jugendparlament gewünscht hätten“.

Aber mehr sei dann wohl unter den jetzigen Bedingungen nicht drin. Also stellte er den Kompromissvorschlag der Stadtverwaltung zur Abstimmung. Der dann am 9. November auch einstimmig vom Stadtrat angenommen wurde.

Bremsklotz Bürokratie

Bevor die neuen Ausschreibungsmodalitäten tatsächlich zum Tragen kommen, braucht es trotzdem noch Zeit. Denn da hängt, wie die Verwaltung feststellt, eine ganze Latte Bürokratie dran: „Die Neuausschreibung des Bucherwerbs der Leipziger Städtischen Bibliotheken soll nach Beschluss des Stadtrates noch im Jahr 2022 wieder aufgegriffen, die Ausschreibung selbst somit im 1. Quartal 2023 durchgeführt werden.

Da mit einem Abschluss des Gesamtverfahrens nicht vor Ende 2. Quartal 2023 zu rechnen ist (Überarbeitung und Fertigstellung der Ausschreibung, Zeitdauer der Veröffentlichung, Auswertung, Erarbeitung eines Vergabevorschlags, Einbringung und Entscheidung durch das Vergabegremium, Abschluss der Verträge), sollen die neuen Rahmenverträge zum 01.01.2024 abgeschlossen werden.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar