„Der Putin will uns zappeln lassen“, sagt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung. „Aber da spielen wir nicht mit.“ Immer weniger Erdgas kommt über russische Pipelines in Deutschland an. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, sind die Speicher im Februar, März leer.“ Doch Leipzig kann sich wehren und Energie sparen. Und Leipzigs Verwaltung geht jetzt, so Jung, mit gutem Beispiel voran.
Der russische Präsident führt einen Gaskrieg gegen Deutschland und die EU, weil er weiß, dass Länder wie Deutschland sich erpressbar gemacht haben, mit 16 Jahren ausgebremster Energiewende. Man hat sich auf russisches Erdgas verlassen und nicht gemerkt, dass man sich damit abhängig gemacht hat von einem Mann, der keine Skrupel kennt.
Gaspreise schießen steil nach oben
Es ist derzeit völlig unklar, wie sich die politische Lage noch zuspitzt und wie weit Putin die Erpressung mit den Gasliefungen noch treibt.
Und gleichzeitig gehen die Gaspreise durch die Decke. An den Börsen wird die MWh Erdgas längst zum Zehnfachen dessen gehandelt, was sie noch 2019 kostete – statt 20 Euro inzwischen 250. Da verdient sich nicht nur ein russischer Präsident eine goldene Nase.
Das wird auch Folgen haben für all die Leipziger, die 2023 eine saftige Nachzahlung für ihre Energierechnung bekommen werden.
Auch die Stadt wird mehr zahlen müssen, auch wenn nur ein Drittel der städtischen Gebäude mit Erdgas beheizt wird, der Löwenanteil bezieht Fernwärme aus Lippendorf.
Ein Zeichen setzen mit 15 % Einsparung
Und trotzdem, so Burkhard Jung am Mittwoch, 27. Juli, wird die Verwaltung jetzt ein Zeichen setzen. Am Dienstag, 26. Juli, hat sich die Verwaltungsspitze zusammengesetzt und überlegt, was die Stadt selbst jetzt tun kann.
Ergebnis ist ein mehrstufiger Maßnahmenplan zur Aufrechterhaltung und Sicherung des kommunalen Betriebes. „Dieser orientiert sich am Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland und dem Notfallplan der EU-Kommission“, betont die Verwaltung.
Die EU hatte als solidarischen Akt beschlossen, dass alle Länder versuchen, 15 Prozent ihres Energieverbrauchs einzuschränken. Und damit auch Gas zu sparen.
„Das Ziel unserer gemeinsamen Anstrengungen muss es sein, 15 Prozent an Energie einzusparen. Ich beziehe dies nicht alleine auf Gas, sondern auf alle fossilen Energieträger und auch den Strom. Damit wir dies schaffen, haben wir einen flexiblen und mehrstufigen Maßnahmenplan entwickelt“, sagt Jung.
„Ich habe angewiesen, dass einige dieser Maßnahmen, wie bspw. Effektbeleuchtungen, mobile Klimageräte und Warmwasserboiler abzuschalten, umgehend umgesetzt werden. Die Pläne für den Schul- und den Kulturbereich und den Betrieb der Schwimmbäder werden erarbeitet und Ende August vorgelegt.“
Unter dem Motto „Jede kleine Maßnahme zählt!“ listet der mehrstufige Plan verschiedene Handlungsfelder auf. Diese reichen von der Motivation zu energiesparenden Maßnahmen durch die Bürgerinnen und Bürger über das
Abschalten der „Effekt-Beleuchtung“ von Gebäuden bis hin zur Überprüfung aller Gebäudeinnenbeleuchtungen der Stadtverwaltung.
Sofort auf Stufe B
Vier Stufen hat der Maßnahmenplan definiert. Alle bezogen alleine auf die Stadtverwaltung. Wie Unternehmen und Bürger damit umgehen, kann die Stadt ja nicht vorschreiben. Sie kann nur Vorbild sein und aufzeigen, wie es geht.
Dass die Unternehmen in der Region längst hellwach sind, kann Burkhard Jung aus seinen Gesprächen mit der Wirtschaft berichten. Die sind schon durch die dramatisch steigenden Gaspreise aufgeschreckt und stellen ihre Energieversorgung um, wo sie nur können. Was dauert. Denn jetzt sind die Lieferzeiten für neue Energietechnik lang geworden. Putin zwingt die deutsche Wirtschaft geradezu, jetzt im Eilzugtempo die Energiewende nachzuholen.
Und die Leipzigerinnen und Leipziger selbst werden es spätestens im nächsten Jahr auf der Energierechnung sehen, was die explodierenden Gaspreise für ihren Geldbeutel bedeuten. Alles wird der Bund mit seinen Hilfsprogrammen nicht auffangen können, so Jung.
Der sich gar nicht erst mit der sanften Stufe A im Maßnahmenplan aufgehalten, sondern am Dienstag gleich angewiesen hat, für die Verwaltung sofort Stufe B umzusetzen.
Die beinhaltet u.a.:
– Einschränkung der Warmwasserversorgung (z. B. Verwaltung, Schulen, Sporthallen usw.) und damit Änderung von Warmwassernetzen hin zu Kaltwassernetzen
– Abschalten von Durchlauferhitzern an Handwaschbecken
– Absenkung der Raumtemperatur bspw. auf 19 °C für Verwaltungsobjekte (von bisher 21 °C)
Vorbereitet sein auf den Winter
In der Stufe C ist die Stilllegung einzelner Objekte im freiwilligen Aufgabenbereich der Stadt eine mögliche Maßnahme. Die Prüfung hierzu soll bis zum Beginn der Heizperiode erfolgen.
„Die Sicherung kritischer Infrastrukturen über den ganzen Winter ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Je früher wir handeln, desto eher können wir einen wertvollen Beitrag dazu leisten“, ergänzt Leipzigs Baubürgermeister Thomas Dienberg.
„Deshalb ist der gestern beschlossene Maßnahmenplan der richtige Weg. Die unterschiedlichen Stufen stellen dabei sicher, dass die Ämter meines Dezernates, die maßgeblichen Bewirtschafter
der städtischen Objekte, flexibel, zielgerichtet und schnell auf Veränderungen bezüglich der Energieversorgung reagieren können.“
Mit dem Einschränken der Warmwasserversorgung und der Senkung der Bürotemperaturen wird rechnerisch schon 15 Prozent der aufgewendeten Energie eingespart. Und zwar nicht nur in den noch erdgasbeheizten Gebäuden der Stadt, sondern auch in denen, wo Fernwärme anliegt. Aus Solidarität, wie Jung betont. Alle sparen gemeinsam, und zeigen, dass es geht.
Ampeln bleiben an, LED-Lampen werden gedimmt
Man habe auch andere Maßnahmen geprüft – etwa die Abschaltung von Ampeln. Aber das hätte keinen Effekt, so Jung. Und aus Sicherheitsgründen verbiete es sich sowieso. Hingegen bei der Stadtbeleuchtung könne man zumindest jene Lampen dimmen (nicht abschalten), die schon mit LED-Leuchten ausgestattet sind. Man wird also durchaus auch sehen, dass Leipzig Energie spart.
Die „Effektbeleuchtung“ (etwa am Neuen Rathaus) ist schon aus.
Aber es wird nicht ganz so einfach, wie es auf dem Papier aussieht, betont Sven Stein, Leiter des Amtes für Gebäudemanagement. „Wir müssen uns jedes Objekt einzeln anschauen.“
Noch komplizierter wird es mit den über 200 Schulen der Stadt. Grundschulen könne man nicht genauso behandeln wie weiterführende Schulen. Aber wie es zum Schuljahresstart dort weiter geht, werde man erst kurz Ende August sagen können, sagt der OBM. So ähnlich bei Schwimmbädern, wo die Sportbäder GmbH gefragt ist. Im Sommer ist es kein Problem, kalt zu duschen. Aber wie wird das im Winter? Und wird man überall so einfach die Wassertemperatur im Becken von 26 auf 24 Grad absenken können?
Oder die Wasserheizung ganz ausschalten können, wie es im Schreberbad als einzigem beheizbaren Freibad schon passiert sei?
Den Leipzigern zeigen, dass es geht
Aber das Wichtigste, so Jung, sei das Signal. Die über 5.000 Objekte in Verwaltung der Stadt verbrauchen insgesamt gerade einmal 2 Prozent der Heizenergie in Leipzig. Wenn die Stadt also spart, bringt das erst einmal nicht viel. „Aber es geht um die Vorbildwirkung“, so Jung.
Auch um so einen „Yes we can“-Effekt, zitiert er den Wahlslogan von Barack Obama. Denn wenn alle Leipziger mitmachen, wo sie können, kann Leipzig es tatsächlich schaffen, 15 Prozent Energie einzusparen. Und damit seinen Teil dazu beitragen, dass Deutschland im Winter nicht mit leeren Gasspeichern da steht und der Notfallplan in Kraft treten wird, den dann der Bund ausrufen müsste. Dann ginge es wirklich ans Eingemachte und der Bund würde die Prioritäten festlegen, wer zuerst vom Netz muss und welche Infrastruktur unbedingtem Schutz unterliegt.
Und wenn jetzt schon einmal gespart wird, kann das auch helfen, den Haushalt 2023 / 2024 zu entlasten. Da habe die Stadt jetzt schon zusätzliche Gelder eingeplant, um die Gasrechnung bezahlen zu können, so Jung.
Aber eines wurde eigentlich deutlich an diesem Mittwoch: Es ist allerhöchste Zeit, dass auch Leipzig in die Energiewende einsteigt und sich binnen weniger Jahre unabhängig macht von russischem Erdgas.
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