Da hat Leipzigs OBM Burkhard Jung wohl recht, wenn er sagt: โDie Debatte ist noch nicht zu Endeโ. Dabei ging es am 13. Juli in der Ratsversammlung zu spรคterer Stunde eigentlich nur um die Kenntnisnahme der drei Gutachten, welche die wissenschaftliche Kommission zu den drei heftig diskutierten Straรenbenennungen von Arndtstraรe, Jahnallee und Pinkertstraรe vorgelegt hat.
Verwaltungsbรผrgermeister Ulrich Hรถrning ging noch einmal auf die Vorgeschichte ein. Denn beginnend mit der Arndtstraรe wurde ja 2020 heftig diskutiert. Im Juni 2020 fasste dann der Stadtrat den Beschluss, eine wissenschaftliche Historikerkommission einzusetzen, die dem Stadtrat dabei helfen sollte, die Streitfรคlle einzuordnen und sich dann in den Ausschรผssen eine Meinung zu bilden.
Massive Kritik: Extra-Antrag der Grรผnen
Dass dieser Beschluss einen Hinkefuร hatte, darauf ging an diesem 13. Juli gleich als Erster Grรผnen-Stadtrat Jรผrgen Kasek ein. Denn es reiche nicht aus, jetzt drei wissenschaftliche Gutachten zu haben. โDie Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte muss weitergehen. Und wir mรผssen รผberlegen, wie wir das machenโ, so Kasek.
Denn die Gutachten mรผssen jetzt erst einmal in den Ausschรผssen des Stadtrates diskutiert werden. Sie sind keine endgรผltigen Entscheidungen, sondern nur Entscheidungshilfen. Wie mit solchen umstrittenen historischen Personen umgegangen wird, das muss die Ratsversammlung selbst entscheiden.
Weshalb, so Kasek, die Grรผnen jetzt einen Extra-Antrag gestellt haben: โSystematisierung von Formen einer Erinnerungskultur, die sich historischen Ambivalenzen und umstrittenen Persรถnlichkeiten offensiv stelltโ.
Kann man sich jetzt in ein Konzept zum Umgang mit kritischen Persรถnlichkeiten retten?
โDie Gutachten der wissenschaftlichen Beratungskommission zu den historischen Persรถnlichkeiten Arndt, Jahn und Pinkert liegen vor und sind mittlerweile รถffentlich einsehbar. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass z.B. Straรenumbenennungen in diesen drei Fรคllen nicht notwendig sind. Dieses Ergebnis entbindet die Politik allerdings nicht von der Aufgabe, eine sogenannte โkritische Begleitungโ von umstrittenen Sachverhalten zu gewรคhrleisten โ wie auch die Kommission selbst feststelltโ, kann man darin lesen. Weshalb es eine Konzeption geben soll, wie die Stadt kรผnftig mit solchen Persรถnlichkeiten im รถffentlichen Raum umgehen soll. Oder doch will?
Denn das wurde nach Kaseks kurzer Rede sehr schnell klar, dass sich Leipzigs Verwaltung gewaltig geirrt hat, die Benennung Leipziger Straรen einfach als โhistorisches Stadtgedรคchtnisโ zu verkaufen.
Das war nie so. Was CDU-Stadtrat Michael Weickert anmerkte, der den Widerspruch auch im Umgang mit den drei Gutachten deutlich machte. Denn alle drei entlasten den Stadtrat nicht ansatzweise, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Und da kann es โ und wird es โ zwangslรคufig dazu kommen, dass die Herren aus der Geschichte, die teilweise seit รผber 100 Jahren mit Straรennamen im Stadtraum vertreten sind, sich dem Urteil heutiger Kritiker stellen mรผssen. Oder mit Weickerts Worten: โStraรennamen sind Gegenstand politischer Debatten.โ
Das waren sie um 1870, als gerade Ernst Moritz Arndt gewรผrdigt wurde. Und das sind sie heute auch. Noch und wieder. Es ist also folgerichtig die Leipziger Ratsversammlung, wo genau diese Debatten stattfinden mรผssen. Und dafรผr steht ja auch die kleine Debatte, die sich am 13. Juli sofort entzรผndete, obwohl der Stadtrat die Gutachten ja nur zur Kenntnis nehmen sollte.
Kommissionen ersetzen keine politischen Debatten
Richtig Zunder in die Diskussion brachte Thomas Kumbernuร (Die PARTEI), der ja den Antrag eingebracht hatte, die Arndtstraรe in Hannah-Arendt-Straรe umzubenennen, worin ihm die Stadtratsmehrheit noch im Januar 2020 folgte.
Dann gab es eine Petition und eine Zeitungskampagne gegen die Umbenennung, der Stadtrat beschloss eine wissenschaftliche Kommission, der Petitionsauschuss fiel um und Arndt bekam seine Straรe zurรผck.
Und nun die drei Gutachten, mit denen Kumbernuร sehr unzufrieden war. Gerade der rechtfertigende Ton fรผr Arndts Antijudaismus fiel ihm unangenehm auf. Denn was steckt da eigentlich fรผr eine Haltung dahinter, wenn die verbalen Ausfรคlle des Professors aus Greifswald โim Rahmen des traditionellen Antijudaismusโ betrachtet werden sollen? Soll menschliches Fehlverhalten einfach dadurch entschuldigt werden, dass man erklรคrt, das sei damals in gewissen Kreisen normal gewesen?
Dass er dann auch gleich noch die AfD piesackte, sorgte dort dann sofort fรผr Widerrede, auch wenn man der Wortmeldung von Karl-Heinz Obser nicht wirklich entnehmen konnte, warum er sich so getroffen fรผhlte. Wurde da ein harmloses Selbstbild angekratzt?
Und auch Markus Weiss aus der Linksfraktion machte mit seiner Wortmeldung letztlich deutlich, dass die Sache auch politisch nicht ausdiskutiert ist. Da hat Michael Weickert wohl recht, wenn er betont, dass man solche Diskussionen nicht dadurch auflรถsen kann, dass man einfach eine Kommission grรผndet und die Entscheidung dann quasi delegiert. Das kรถnnen auch wissenschaftliche Kommissionen nicht leisten.
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