Ein gewisses Misstrauen war dem Antrag der Linksfraktion am Mittwoch, 8. Dezember, durchaus abzulesen. Ein Antrag, der – so Linke-Stadträtin Franziska Riekewald – eigentlich überflüssig wäre, so aus Verwaltungssicht, weil er etwas zum Beschluss bringen will, was eigentlich schon mit dem Doppelhaushalt vom Stadtrat beschlossen wurde: die Vorlage für die Europäische Mobilitätswoche 2022. Wäre da nicht die eigentümliche Haltung von CDU-Stadträtin Siegrun Seidel gewesen.
Die CDU-Fraktion enthielt sich am Ende der Stimme, was Siegrun Seidel irgendwie zu begründen versuchte, ganz so, als hätte sie sich noch nie im Leben mit der Europäischen Mobilitätswoche beschäftigt. Als hieße diese so, weil dort sämtliche Mobilitätsarten thematisiert werden müssten und nicht eben gerade nur jene, die die Verkehrswende in Leipzig voranbringen.Sie brachte einmal mehr den Wirtschaftsverkehr ins Spiel, den sie mit dem Ziel einer autoarmen Innenstadt einfach nicht zusammendenken kann. Und die Pendler müssten ja auch noch thematisiert werden mit ihren Pendlerbeziehungen. Beides Themen, die überhaupt nicht in diese Mobilitätswoche gehören, weil es da schon per definitionem um „nachhaltige Mobilität“ geht.
Was dann Grünen-Stadträtin Kristina Weyh versuchte, der CDU-Stadträtin klarzumachen. Denn über die anderen Themen würde in den Ausschüssen und Beiräten des Stadtrates ja trotzdem diskutiert und die beiden Leipziger Wirtschaftskammern säßen dabei immer mit am Tisch. Man würde also Wirtschaftsverkehr und Pendlerverkehr überhaupt nicht ausblenden.
Nur sind diese nun einmal nicht Thema der Europäischen Mobilitätswoche – es sei denn, Unternehmen und Pendler beschäftigen sich in dieser Woche auch mal mit nachhaltiger Mobilität. Was ja etliche längst tun. Es ist ja eine Schimäre, als würde „die Leipziger Wirtschaft“ in einer Front gegen jeden Versuch sein, in Leipzig die Verkehrs- und Energiewende hinzubekommen.
Viele Unternehmen sind längst auf Elektromobilität umgestiegen. Andere unterstützen ihre Belegschaft beim Umsteigen auf Bus, Bahn und Fahrrad.
Und mit dem Antrag der Linksfraktion hatte Seidels Rede eigentlich auch nichts zu tun. Denn der forderte nur die Vorlage des Konzepts zur Mobilitätswoche bitteschön in der Ratsversammlung am 19. Januar 2022, damit die Gelder bereitstehen und die beteiligten Verbände und Initiativen genug Zeit haben, die Mobilitätswoche im September gründlich vorzubereiten. Denn 2021 hatten alle ja wieder erlebt, was für eine Hektik ausbricht, wenn die Stadt zu spät grünes Licht gibt.
In der Begründung schrieb die Linksfraktion: „Seit Jahren ist die Europäische Mobilitätswoche ein fester Bestandteil des jährlichen Veranstaltungskalenders der Stadt Leipzig. Die Woche soll zeigen, wie umweltbewusste Mobilität möglich ist. Vom Stadtrat wurde die Verwaltung aufgefordert, ein Weiterentwicklungskonzept vorzulegen, damit anschließend für das Jahr 2022 ff. über die finanziellen Mittel entschieden werden kann.
Im Juni 2021 wurde der Entwurf des Konzepts vorgestellt, jedoch erfolgte bis heute keine Beschlussfassung. Nun drängt mal wieder die Zeit. Damit die EMW auch im Jahr 2022 stattfinden kann, bedarf es der finanziellen Mittel und vor allem einer ausreichenden organisatorischen Vorlaufzeit. Daher ist das Konzept spätestens im Januar 2022 zu beschließen.“
Logisch, dass da gerade die Mobilitätssprecher/-innen in den Fraktionen ungeduldig werden.
Aber Verkehrsbürgermeister Thomas Dienberg wies dann in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Verwaltung wegen Corona wieder einmal in schwierigen Arbeitsverhältnissen steckt und deswegen Vorlagen auch nicht so schnell fertig werden wie versprochen. Deswegen sei die Europäische Mobilitätswoche eben auch „kein ungeliebtes Kind der Verwaltung“, wie er betonte. Es seien eine ganze Reihe städtischer Mitarbeiter/-innen sehr engagiert dabei, die Mobilitätswoche mitzuorganisieren.
Was ja für sich schon eine deutliche Stellungnahme ist, dass die Verwaltung das Thema Verkehrswende inzwischen deutlich ernster nimmt. Ernster auch als die CDU-Fraktion, die die Mobilität der Zukunft noch immer in den Kategorien der Vergangenheit denkt und nachhaltige Mobilität nicht als Lösung für die Mobilitäts- und Klimaprobleme sehen möchte. Auch wenn man – wie Seidel meinte – darüber reden müsste.
Dienberg versprach dann auch, dass die Vorlage zur EMW zwar nicht am 19. Januar zur Abstimmung fertig sei. Er bat um ein bisschen mehr Zeit, damit es eine gute Vorlage werde. Aber in der Februar-Ratsversammlung läge sie dann vor und er bäte darum, dass die Linksfraktion diesen Termin einfach übernehme. Was dann Franziska Riekewald für die Linksfraktion auch so tat.
Und das Abstimmungsergebnis machte dann deutlich, wie das Denken über den Verkehr der Zukunft im Stadtrat derzeit ausgeprägt ist – denn für den Antrag stimmten sowohl die Fraktionen von Linken und Grünen als auch die von SPD und Freibeutern. Die CDU enthielt sich wie angekündigt und die AfD stimmte dagegen. Ergebnis: 41:10:12 Stimmen. Eine klare Mehrheit.
Die Mobilitätswoche hört also auch 2022 nicht auf, ein fester Termin im Kalender der Stadt zu sein. Und die letzten Jahre haben ja gezeigt, dass diese Woche von den Leipziger/-innen immer mehr Zuspruch bekommt. Denn nachhaltige Mobilität in der Stadt ist nicht nur möglich, sie wird von immer mehr Leipziger/-innen auch gewünscht. Diverse Unternehmen, die die Verkehrswende ernst nehmen, mit eingeschlossen.
Die Debatte vom 8. Dezember 2021 im Stadtrat
Video: Livestream der Stadt Leipzig
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