In der Ratsversammlung am 10. November wurde der Antrag der Linksfraktion für eine Novellierung der Baumschutzsatzung erst einmal in die Beratungsgremien des Stadtrates verwiesen. Eine Stellungnahme hat die Verwaltung auch noch nicht geschrieben. Aber für Michael Neuhaus, Sprecher für Umwelt der Linksfraktion im Stadtrat, ist klar, dass die alte Satzung von 2002 überhaupt nicht die Dramatik des Klimawandels abbildet, der auch Leipzigs Bäumen längst massiv zusetzt.
Wahrscheinlich ist die Satzung auch viel zu schwach, um Leipzigs Baumbestand zu schützen. Denn sie geht von einer fiktiven Stadt aus, in der es immer genügend Platz für Ersatzpflanzungen gibt. Obwohl die Wirklichkeit schon lange eine andere ist und selbst die Ersatzpflanzungen nur eine trügerische Beruhigungspille.Von 13.176 Hektar auf 9.878 Hektar schmolz allein die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Leipzig, weil sie für Gewerbe, Wohnen, Straßen usw. versiegelt wurde. Das sind ungefähr 4.700 Fußballfelder, die in keiner Weise irgendeinen entsprechenden Ausgleich in entsprechenden Baumpflanzungen gefunden haben.
Wie auch? Dazu müsste versiegelte Fläche aufgelöst werden. Und das Denken muss sich ändern, dass alte Baumbestände weichen müssen, wenn neu gebaut wird. Denn die Bäume werden in Wirklichkeit genau da gebraucht, wo die Stadt verdichtet wird.
„In Leipzig steht eine Vielzahl von Bäumen unter dem Schutz der Leipziger Baumschutzsatzung“, fasst die Linksfraktion den aktuellen Stand des Baumschutzes zusammen. „Werden Ausnahmen von dieser erteilt, müssen Ersatzpflanzungen vorgenommen oder Ausgleichszahlungen geleistet werden. Die Ersatzpflanzungen erfolgen oft genug erst lange Zeit nach der genehmigten Fällung. Die Liste für die Ausgleichszahlungen ist veraltet.“
Die Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat hat deshalb ihre Änderungssatzung zur Baumschutzsatzung für schnellere Ersatzpflanzungen und zur Anpassung der Ausgleichszahlungen eingereicht.
„Die Baumfällungen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz am 21. Januar dieses Jahres lösten eine innerstädtische Debatte über den Baumschutz aus. Während das Abholzen, also das Zerstören von Lebensräumen schnell geht, zieht sich der Ausgleich oft lange hin“, geht
Michael Neuhaus auf das größte Problem bei der Handhabung der aktuell gültigen Satzung ein.
„Das ist, als würde man seine Wohnung kündigen und erst Monate nach dem Auszug mit der Suche einer neuen beginnen. Natürlich macht das niemand. Im Umweltschutz ist eine solche Praxis aber gang und gäbe. Bis eine Ersatzpflanzung vorgenommen wurde, haben die meisten Tiere vermutlich längst ins Gras gebissen, oder sind in andere Lebensräume migriert. Die Ersatzpflanzungen benötigen außerdem teils Jahrzehnte bis sie die Größe der gefällten Bäume erreicht haben. Das ist auch für den Klimaschutz ein erhebliches Problem.“
Er findet noch einen zweiten Vergleich: „Wenn die Stadt die Genehmigung von Bauanträgen ähnlich verschleppen würde, wie es bei den Ersatzpflanzungen durch private Investoren der Fall ist, würde auf den Leipziger Baustellen Stillstand herrschen. Es sollte klar sein, dass diejenigen, die Umweltschäden verursachen, diese auch zeitnah ausgleichen.“
Der Antrag, den die Linksfraktion jetzt also gestellt hat, könnte auch das Grundproblem der Baumschutzsatzung noch verschärfen. Denn dessen Ziel ist es, so Neuhaus: „Wir wollen deshalb, dass die Ersatzpflanzungen für Fällungen so schnell wie möglich, also innerhalb des nächstmöglichen Pflanzfensters erfolgen. Außerdem müssen die Preise für Ersatzpflanzungen, die nicht vom Ausgleichspflichtigen erbracht werden können, steigen. Die Leipziger Baumschutzsatzung wurde zuletzt im Jahr 2002 mit der Einführung des Euros geändert! Seitdem sind die Preise für Baumpflanzungen zwar gestiegen, die Preise in der Satzung aber nicht. Diese Differenz zahlen alle Leipzigerinnen und Leipziger. Es ist nur gerecht, wenn diejenigen, die Bäume fällen, ohne neue anzupflanzen, auch die real anfallenden Kosten für Ersatzpflanzungen tragen.“
Das Problem der schnellen Ersatzpflanzen ist ja gerade, dass sich Stadt und Bauherren schon seit Jahren schwertun, überhaupt noch geeignete Flächen zum Bäumepflanzen im Stadtgebiet zu finden. Ganz zu schweigen davon, wie Neuhaus ja auch betont, dass neu gepflanzte Bäume die Artenvielfalt und Leistungsfähigkeit der zerstörten Biotope nicht ersetzen – bestenfalls in Jahrzehnten, wenn die Bäume ausgewachsen sind. Und im verdichteten Stadtgebiet selbst gehen trotzdem immer weiter Bäume verloren, dort, wo sie auch als Kühlung und Schattenspender gebraucht werden.
Eine überarbeitete Baumschutzsatzung ist fällig. Aber es sieht ganz so aus, als ob es mit kleinen Korrekturen an Fristen und Preisen nicht getan sein kann.
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