Nix da: Da hatte sich die Freibeuterfraktion schon so zuversichtlich gezeigt, dass das Leipziger Ordnungsdezernat auf ihren neu gefassten Antrag hin „die Arbeitsanweisungen, die das Abschleppen widerrechtlich parkender Fahrzeuge im Ordnungsamt regeln“, wenigstens „dem Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung sowie den Stadträtinnen und Stadträten zur Verfügung“, stellen muss. Aber da haben die Freibeuter nicht mit dem Leipziger Ordnungsamt gerechnet. Das bleibt eine Black Box.
Dabei hat es ja nun schon mehrere intensive Debatten zum Abschleppen widerrechtlich geparkter Kraftfahrzeuge im Leipziger Stadtrat gegeben. Und dass die aufgeregten Stadtratsfraktionen recht hatten, stritt Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal auch nicht ab: Erst als es den Druck aus dem Stadtrat gab, wurde intensiver abgeschleppt, was auf Leipziger Radwegen zuvor rücksichtslos an Kraftfahrzeugen geparkt war.In einigen Ortsteilen – wie Anger-Crottendorf – gab es mittlerweile auch medial wahrgenommene Einsätze des Ordnungsamtes, das durchaus bewies, dass es mit strengem Einschreiten dafür sorgen kann, dass die StVO wieder eingehalten wird.
Aber völlig offen blieb in der Debatte, ob sich das Leipziger Ordnungsamt nun streng an die geltende StVO hält oder ihren Ermessensspielraum zur Einzelfallprüfung nicht nur im Einzelfall ausreizt, sondern den auch in einer amtlichen Handlungsanweisung niedergelegt hat. Und inzwischen ist bekannt, dass es mindestens zwei solcher Handlungsanweisungen gibt, die aber der Amtsleiter nicht herausrücken mag. Nicht einmal, um mit den in den Ausschüssen vertreten Stadträt/-innen zu einem Einverständnis zu kommen.
Stattdessen bemüht das Ordnungsamt jetzt in seiner Antwort ausgerechnet die Weisungsfreiheit als Argument gegen eine Bekanntmachung der beiden inzwischen uralten Arbeitsanweisungen Nr. 05/1993 „Abschleppen und Verfahren verkehrsordnungswidrig parkender Fahrzeuge“ und Nr. 04/2001 „Abschleppmaßnahmen bei verbotswidrigem Parken im Fahrraum von Schienenfahrzeugen der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB)“. Also beides mit den Jahreszahlen 1993 und 2001 uralte Anweisungen aus Zeiten, in denen Leipzig nicht ansatzweise diese Anmeldezahlen an Pkw hatte wie heute.
Spielt das Ordnungsamt also einfach Katz und Maus mit den Ratsfraktionen? Es sieht so aus.
„Die in Rede stehenden Arbeitsanweisungen regeln Weisungsaufgaben nach § 2 Abs. 3 i. V. m. § 53 Abs. 3 SächsGemO. Gemäß § 1 Abs. 2 Sächsisches Polizeibehördengesetz (SächsPBG) sind Aufgaben der Kreis- und/oder Ortspolizeibehörden Weisungsaufgaben. Auch bei den der Stadt Leipzig als Straßenverkehrsbehörde übertragenen Aufgaben nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) handelt es sich gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 StVO i. V. m. §§ 1 Nr. 1 und Nr. 2, 3, 4, 24 Abs. 1 S. 1 Sächsisches Straßenverkehrsrechtsgesetz (SächsStrVRG) um Weisungsaufgaben“, beharrt das Ordnungsamt darauf, dass es dem Stadtrat nicht die Bohne rechenschaftspflichtig ist, da es ja Polizeiaufgaben wahrnimmt (oder auch nicht), die nicht in die Befugnis des Stadtrates fallen.
Wäre also allein der OBM gefragt, das Ordnungsamt zu ordentlicher Arbeit zu verpflichten, wenn es seine Arbeit derart auffällig über Jahre auf seine eigene Weise ausgelegt hat?
„Die in der Begründung zur Neufassung formulierte ,Weisungsfreiheit‘ geht aus der Antwort zur Anfrage Nr. VII-F-02630 nicht hervor. Die Ausführung von weisungsgebundenen Aufgaben unterliegt somit nicht der Kontrolle oder Einflussnahme durch den Stadtrat oder einzelne Ausschüsse. Insoweit besteht keine Pflicht zur Übergabe der genannten Arbeitsanweisungen oder deren Vorversionen“, stellt sich der Ordnungsamtschef trotzig und zeigt sich nicht einmal bereit, in den zuständigen Ausschüssen mit den Stadträt/-innen über die Abschlepppraxis in Leipzig zu diskutieren.
„Bezugnehmend auf die Anmerkung, dass Städte wie Münster solche Arbeitsanweisungen veröffentlichen würden, ist zu konstatieren, dass das Land Nordrhein-Westfalen über ein Informationsfreiheitsgesetz verfügt. Die Veröffentlichung der Arbeits- bzw. Dienstanweisung in Münster erfolgte auf Basis eines Antrages einer Privatperson nach ebendiesem Gesetz. Diese Rechtsgrundlage ist aber für Leipzig nicht einschlägig. Nach diesem Gesetz ist ein anderer Anwendungsbereich eröffnet als durch die städtische Satzung; insofern mangelt es vorliegend an Vergleichbarkeit.“
Die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Leipzig von 2012 bezieht sich tatsächlich nur auf die „weisungsfreien Angelegenheiten der Stadt Leipzig“. Und wenn das Ordnungsamt in seinem durchbürokratisierten Deutsch von einem anderen Anwendungsbereich redet, dann könnte man das als versteckten Hinweis auf das bis heute fehlende sächsische Transparenzgesetz interpretieren, das eigentlich seit 2014 immer mal wieder durch die Gänge diverser Ministerien zu huschen scheint, aber von entsprechend mächtigen Lobbygruppen, denen zu viel Transparenz für die Bürger Unbehagen bereitet, immer wieder abgeblockt wird.
Und so hat sich der ganze Fall wieder in die nächste Runde Hase und Igel verwandelt. Die Freibeuter bekommen keine Einsicht.
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Es gibt 2 Kommentare
alle macht geht vom volke aus – oder eben auch nicht!
Die Stadträte könnten sich nun kundig machen, wem so ein Amtsleiter rechenschaftspflichtig ist. Hoheitliches Handeln ist jedenfalls nicht absolut und dem Souverän entzogen.
Amtsleiter führen sich auf wie kleine Könige.
Ich halte es für eine Schwäche der Kommunalverfassungen, dass Amtsleiter weder gewählt noch durch den Stadtrat eingesetzt werden. Dafür richten sie aber viel zu viel Schaden an.