Da kann man schon mal Hummeln im Hintern bekommen, wenn ein Stadtratsauftrag ein, zwei, drei Jahre braucht, bis ihn die Verwaltung endlich umsetzt. Und das bei einem Thema, bei dem die Zeit eigentlich drängt, weil das, was derzeit draußen in den ländlichen Räumen passiert, eine Katastrophe für die Bienen ist. Da braucht auch Leipzig als Lebensraum ein Bienenschutzprogramm. Aber wo bleibt es, fragten die Grünen ganz verzweifelt?

„Am 18. April 2018 beschloss der Stadtrat auf Initiative der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen die Erarbeitung eines ‚Maßnahmenkatalogs zum Schutz von Wild- und Honigbienen in Leipzig‘. Dabei sollten die Pflegegrundsätze für die Bewirtschaftung der Flächen des öffentlichen Grüns der Stadt Leipzig entsprechend aktualisiert und angepasst werden“, merkten die Grünen in ihrer neuesten Anfrage zum Thema an.„Ein Jahr später, im April 2019, fragte unsere Fraktion in der Ratsversammlung nach, wie der Stand der Erarbeitung sei und wann der Maßnahmenkatalog dem Stadtrat vorgelegt wird, da seitens der Umweltvereine/-verbände gespiegelt wurde, dass diese bis dahin noch nicht einmal eingeladen wurden, sich zu beteiligen. Bürgermeister Rosenthal teilte mit, dass die Erarbeitung angeblich seit Mai 2018 im Gange sei und nach zwischenzeitlicher Einbindung der Umweltvereine/-verbände dem Stadtrat bis Ende 2019 zugehen würde. Als Vorlage sollte dabei der Dresdner Katalog genutzt und an die speziellen Gegebenheiten im Stadtgebiet von Leipzig angepasst werden. Wesentlicher Bestandteil zur Umsetzung sei auch die Überarbeitung der Pflegegrundsätze durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer, welche sich ebenfalls in Überarbeitung befänden, so Rosenthal damals.“

Eigentlich geht es ja nicht nur um die Bienen, sondern um Lebensräume und lebendige Parks und Grünflächen in der Stadt selbst. Der Klimawandel spielt mit hinein, aber auch die Tatsache, dass die industrielle Landwirtschaft den Insekten mit einem flächendeckenden Einsatz von Pestiziden den Garaus macht und gleichzeitig einstige Wildflächen in den Äckern überpflügt und beseitigt wurden. Der Insektenschwund hat sehr viel mit diesen Verlusten von Lebensräumen in ländliche Regionen zu tun.

Großstädte sind da längst zu Inseln in der Landschaft geworden mit ihren Brachen und Parks. Aber auch hier muss sich etwas ändern, wenn Bienen und Schmetterlinge überleben sollen. Und mit Blühstreifen und ersten Schmetterlingswiesen hat sich ja schon vorsichtig etwas geändert. Aber der große Maßnahmenkatalog fehlt, um möglichst die ganze Stadt bienenfreundlich zu machen. Wo bleibt er also?

Er ist tatsächlich auf der Zielgeraden, teilt das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport nun mit: „Die Beschlussvorlage zum ‚Maßnahmenkatalog zum Schutz von Wild- und Honigbienen in Leipzig‘ (BMK) befindet sich derzeit im Mitzeichnungsverfahren bei den Dezernaten. Nach Bestätigung in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters wird die Vorlage dem Stadtrat zur Beschlussfassung übergeben.“

Und warum hat das so lange gedauert? „Die lange Bearbeitungszeit resultiert aus dem vielfältigen und erforderlichen Abstimmungsbedarf innerhalb der beteiligten Ämter innerhalb der Stadtverwaltung“, versucht es das Umweltdezernat zu erklären. „Die anfangs beabsichtigte Erstellung eines ausschließlich auf naturschutzfachlichen Anforderungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Regelwerks als Handreichung für die Ämter der Stadtverwaltung sowie die Öffentlichkeit, wäre für eine Planung und Umsetzung konkreter Maßnahmen in die Praxis nicht ausreichend gewesen. Der erarbeitete Katalog orientiert sich vielmehr an den Zuständigkeiten innerhalb der Stadtverwaltung.“

Stele zur Kennzeichnung der ersten Langgraswiese im Johannapark. Foto: Stadt Leipzig, Christian Hüller
Stele zur Kennzeichnung der ersten Langgraswiese im Johannapark. Foto: Stadt Leipzig, Christian Hüller

Und da wird es, wie man ja auch von anderen „ämterübergreifenden“ Projekten weiß, kompliziert, stoßen unterschiedliche bürokratische Welten und Zuständigkeiten aufeinander.

Was das Umweltdezernat so beschreibt: „Durch Formulierung von Maßnahmen und Zielvorgaben wird die Grundlage zur Planung der praktischen Maßnahmen in Eigenverantwortung der Ämter geschaffen und ein zeitlicher Rahmen zur Umsetzung konkreter Projekte und Zwischenziele gesetzt. Der Umsetzungs- und Evaluierungsprozess soll durch eine Arbeitsgruppe „Insektenschutz“ begleitet und hierbei auch die Interessengruppen und Vereinigungen eingebunden werden. Da insbesondere finanzielle und personelle Kapazitäten für die Umsetzung der Maßnahmen des Katalogs benötigt werden und eine Abschätzung des erforderlichen Mehrbedarfs innerhalb der Ämter für deren Mitzeichnung unabdingbar ist, war das Amt für Umweltschutz auf deren Hinweise und Zuarbeiten angewiesen.“

Und dann waren da natürlich noch die zusätzlichen konkreten Anträge aus der Ratsversammlung: „Auch aus dem Kreis des Stadtrates gestellte Anträge und Anfragen im Stadtrat seit 2018, mit ähnlichem Zielen und Inhalten, (z. B. Schmetterlingswiesen, Insektenschutz, Feldraine, Grünflächenpflege, ökologische Landwirtschaft) waren bei den Planungen zu berücksichtigen und parallel zu bearbeiten.“

Alles logisch, denn die Ratsfraktionen trappelten mit den Füßen, weil der Maßnahmenkatalog fehlte.

Und dazu kam: Im Land und im Bund tat sich gar nichts. Die Kommunen waren die einzigen Handlungsorte, an denen gewählte Ratsfraktionen die Verwaltungen überhaupt noch relativ zeitnah dazu drängen konnten, den Insektenschutz wenigstens im kommunalen Raum ernst zu nehmen. Logisch, dass es dann – auch vom Jugendparlament forciert – immer öfter Anträge zum Mahdregime, zu Schmetterlingswiesen und Pestizidverboten gab. Einige dieser Anträge bewirkten tatsächlich schon etwas, obwohl das Umweltdezernat jetzt versichert, dass man die Pflegegrundsätze in den Grünanlagen noch nicht geändert hat.

„Es wurden vor Bestätigung des ‚Maßnahmenkatalogs zum Schutz von Wild- und Honigbienen in Leipzig‘ keine neuen Pflegegrundsätze erarbeitet und der Leistungsauftrag gegenüber den mit der Grünanlagenunterhaltung beauftragten Bereichen noch nicht verändert. Damit wird weiter nach den bestehenden ‚Pflegegrundsätzen für die Bewirtschaftung der Flächen des öffentlichen Grüns der Stadt Leipzig‘ gearbeitet“, erklärt das Umweltdezernat.

„Hier werden insbesondere mit der Pflegekategorie 3 und 4 Pflegegrundsätze einer ökologischen und insektenfreundlichen Bewirtschaftung umgesetzt. Auch werden in den Pflegekategorien 1 und insbesondere 2 bereits heute Anpassungen im Rahmen der bestehenden Pflegegrundsätze in der Bewirtschaftungsform durchgeführt.“

Und man probiert ja noch mehr aus: „Bestandteil des Erprobungsprozesses im Johannapark und der Zielvorstellung des in Erarbeitung befindlichen allgemeinen Pflegekonzepts in Leipzig werden die Hinweise aus dem Maßnahmenkatalog zum Schutz von Wild- und Honigbienen sein.“

Und der Katalog wird dann noch mehr Übersicht schaffen, denn in Kapitel 4 zeigt er „die Potenziale für die Umsetzung von Maßnahmen in Leipzig auf, indem die Flächennutzungen (Grünflächen, Verkehrsflächen, Kleingärten) und die verantwortlichen Akteure, z. B. Ämter, dargestellt werden.“

Auch die Verantwortlichkeiten in der Stadtverwaltung sollen festgelegt werden. Bleibt also abzuwarten, was wirklich drinsteht und wie mutig Leipzigs Verwaltung das Thema angeht und Leipzig tatsächlich zur Bienenstadt macht.

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