Wie viel ist Leipzig eigentlich die digitale Unabhängigkeit und Sicherheit der eigenen Daten wert? Darüber wird, wie es sich am 31. März anhörte, im Wirtschaftsausschuss des Stadtrates schon seit geraumer Zeit diskutiert. Und die dort versammelten Stadträt/-innen machen sich durchaus Gedanken darüber, was Leipzig eigentlich investieren müsste, um die Daten der Stadt und der Bürger zu sichern. Trotzdem wurde ein entsprechender Antrag der Linksfraktion zum Doppelhaushalt abgelehnt.

Es geht tatsächlich um die Frage: Schätzen alle Beteiligten eigentlich die Gefahr richtig ein, dass große amerikanische Digitalkonzerne wie Google Zugriff bekommen könnten auf die Daten der Stadt? Oder ist man hier doch lieber etwas lockerer und lässt es drauf ankommen?Die Linke hatte beantragt: „Die Stadt Leipzig stellt zur Sicherung des weiteren Auf- und Ausbaus der öffentlichen Infrastrukturen für öffentlich zugängliches, stadtweites WLAN im Zuge der digitalen Transformation der Stadt in den Haushaltsjahren 2021und 2022 jeweils 325.000 EUR bzw. 600.000 EUR als Mindestfinanzierung zur Verfügung. Aus den Mitteln werden die Breitbandnetze sowie Infrastrukturen für öffentlich zugängliches WLAN als Basisinfrastrukturen für digitale Anwendungen in den Sektoren Tourismus, Schulen und öffentliche Gebäude sowie Magistralen finanziert.“

Denn natürlich ist es keine gute Idee, auch die öffentlichen Netze wieder von amerikanischen oder anderen Multis betreiben zu lassen. Dann weiß man erst recht nicht, wo die Daten landen.

Und die Linksfraktion hatte diesen Änderungsantrag zum Doppelhaushalt 2021/2022 sogar sehr ausführlich begründet in der Hoffnung, das Problem werde auch von den eher „wirtschaftsnahen“ Fraktionen so verstanden.

Nach einem Antrag der Grünen-Fraktion von 2018, der 2019 vom Stadtrat beschlossen wurde, sind die Lecos GmbH, die LVV und der städtische Beauftragte für Tourismusförderung mit der Erstellung eines WLAN-Konzeptes für Leipzig beauftragt.

Klingt erst mal gut: Eine moderne Stadt sollte überall im Stadtgebiet eigentlich WLAN-Verbindung haben.

Im Dezember 2020 gab es dann in der Dienstberatung des OBM die Beschlussvorlage zur Vorlage „Infrastrukturen der Digitalen Stadt: Urbane Datenplattform – Verständnispapier und weiteres Vorgehen“.

In der werde nun, heißt es in der Begründung des Linke-Antrags, „im beiliegenden Verständnispapier die Nutzung selbstbestimmter Dateninfrastrukturen als wesentlich angemerkt. Zu den wesentlichen Infrastrukturen zählen sowohl die Breitbandnetze als auch im Sinne bürgerfreundlicher Nutzung Infrastrukturen für ein stadtweites WLAN.“

Die Besorgnis der Stadtunternehmen, dass man die Kontrolle über diese wichtigen Netzstrukturen in kommunaler Hand behalten sollte, ist also schon ein mal deutlich formuliert. Und auch der Ansatz der Modellkommune im Rahmen des Förderprogramms „Modellprojekte Smart Cities“ des Bundes beruht auf sicheren, souveränen und vernetzten digitalen Infrastrukturen.

„Dafür und für die Nutzung in den Sektoren Tourismus, Schulen und öffentliche Gebäude sowie Magistralen ist der Auf- bzw. weitere Ausbau eines stadtweiten Breitbandnetzes und eines öffentlich zugänglichen, stadtweiten WLAN-Netzes dringend geboten“, begründeten die Linken, für die Dr. Olga Naumov den Antrag einbrachte, ihren Antrag.

„WLAN-Zugänge sind auf Basis eines leistungsfähigen Breitbandnetzes ein Smart-City Baustein. WLAN kann Basisnetz für Verwaltungstätigkeiten, betriebliche Anwendungen wie Sensorik und Regelungstechnik und für Tourismus- und Bürgerdienste sein. Eine kommunale WLAN-Infrastruktur ist zudem systemrelevant für die digitale Daseinsvorsorge, die den diskriminierungsfreien Zugang aller Bürgerinnen und Bürger sowie von Gästen zu Informationen absichert. Kommunale WLAN-Netze leisten einen Beitrag zur kommunalen Daten- und Infrastruktursouveränität durch die Möglichkeit der vollständigen kommunalen Kontrolle des Netzes. Damit ist WLAN technischer und anwendungsbezogener Teil einer resilienten Infrastruktur.“

Doch so weit wollte die Verwaltung nicht mitgehen. Sie stellte lieber fest, sie wolle WLAN dann doch nur an zentralen stark frequentierten Orten installieren und dabei vor allem Fördergelder in Anspruch nehmen.

„Der Ausbau der WLAN-Struktur soll nicht flächendeckend, sondern punktuell erfolgen. Hierfür werden 200.000 EUR p. a. in 2021 und 2022 budgeterhöhend im Referat Digitale Stadt bereitgestellt. Mit dem Einstieg in den modularen Ausbau des öffentlichen WLANs, insbesondere in der Innenstadt und mit Fokus auf den durch Mittel des Freistaates geförderten Tourismus und für Bürgerinformation in öffentlichen Gebäuden genutzt werden“, formulierte die Verwaltung ihren Standpunkt.

„Vorhandene WLAN-Netze öffentlicher und privater Kooperationspartner sollen geöffnet und integriert werden, da bereits durch Zusammenschluss dieser Netze eine beträchtliche Reichweite des WLAN-Netzes erreicht werden kann.“

Es wird also im Wirtschaftsausschuss schon mächtig diskutiert, in der Praxis aber geht Leipzig lieber zögerlich vor und sieht auch (noch) nicht die Wichtigkeit, die Netze in eigener kommunaler Hand zu behalten.

Entsprechend durchwachsen ging dann die Abstimmung zum Antrag der Linken auch aus. Erst beantragte Frank Tornau aus der CDU-Fraktion die Abstimmung des eben zitierten Verwaltungsstandpunktes, der mit 24:36:0 Stimmen eindeutig keine Mehrheit fand.

Aber im Anschluss scheiterte auch der Antrag der Linksfraktion selbst mit 28:32:2 Stimmen. Was nun einmal eindeutig heißt, dass Leipzig vorerst kein flächendeckendes WLAN und auch keine entsprechende Zukunftskonzeption bekommt, auch kein kommunales Sicherungskonzept, das verhindert, dass große Digitalkonzerne hier den Zugriff erhalten.

Was bleibt? Die 200.000 Euro, die als Budgeterhöhung im Referat Digitale Stadt sowieso schon beschlossen wurden, auch wenn die Stellungnahme der Stadt hier abgelehnt wurde.

Die Debatte vom 31. März 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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