Es ist nicht irrational, was die AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat treibt. Sie zieht dort alle Register, demokratische Akteure zu diskreditieren und Misstrauen zu säen. Bis hin zur Unterstellung, in drei Kultureinrichtungen im Leipziger Süden wären gar die Befürworter von Gewalt zu suchen. Dass alle drei Anträge, die AfD-Stadtrat Tobias Keller präsentierte, keine Basis haben, hatte das Kulturdezernat längst festgestellt.

Aber hier ging es ja um die große Show einer Partei, die Linke-Stadträtin Mandy Gehr dann in ihrer Gegenrede deutlich als „demokratiefeindlich, fremdenfeindlich und rückschrittlich“ bezeichnete. In ihrer Gegenrede ging sie nicht nur auf die drei von Tobias Keller vorgetragenen Streichungsanträge ein, die der gar damit begründete, die drei sozio-kulturellen Zentren in Südvorstadt und Connewitz würden der Stadtgesellschaft am allerwenigsten fehlen, sondern sie erklärte für die Linksfraktion auch gleich, warum diese auch alle anderen AfD-Anträge ablehnen werde, die allesamt auf die Kürzung und Streichung von Mitteln für demokratische Initiativen zielten.Dass die drei Anträge reine Show waren, ist auch den drei Stellungnahmen der Stadtverwaltung zu entnehmen.

Die naTo zum Beispiel sitzt in einem denkmalgeschützten Gebäude, das dringend ausgebaut werden muss. Hier ging es um 320.000 Euro, die die AfD streichen wollte. Die Verwaltung dazu: „Die eingestellten Haushaltsmittel sind zur Planung und Durchführung von eventuell notwendigen Baumaßnahmen (Erfüllung bauordnungsrechtlicher Vorgaben) weiterhin vorzuhalten. Ggf. müssen Prüfaufträge vergeben und finanziert werden.“

Es geht also um Denkmalschutz und Gebäudesicherheit, um den Spielbetrieb langfristig zu sichern.

Dem Conne Island wollte die AfD-Fraktion kurzerhand mal die komplette institutionelle Förderung von jährlich 224.500 Euro streichen. Dem Werk II die jährliche Förderung von 261.000 Euro. Mit der ziemlich hinterlistigen Begründung: „Der Trägerverein WERK 2 – Kulturfabrik Leipzig e. V. ist solange durch die öffentliche Hand nicht förderfähig, bis Aktivitäten des Trägervereins, die Gewalt an Menschen und Sachwerten zur Folge haben könnten, zweifelsfrei ausgeschlossen werden können. Um eine institutionelle Kulturförderung der Stadt Leipzig an einen Kulturverein zu gewähren, muss zwingend ein kultureller Mehrwert für die Stadtgesellschaft erkennbar sein.“

Das ist schon eine perfide Unterstellung, wie Mandy Gehrt dann feststellte.

Aber diese Entscheidungen fallen nicht im Stadtrat, sondern im zuständigen Fachausschuss, was die AfD-Stadträte mit der Zeit eigentlich gelernt haben könnten. Aber dort können sie sich mit dem Anliegen, gerade als „links“ empfundene Kulturzentren auf die Abschussliste zu setzen, ebenso wenig durchsetzen.

Und so stellte auch die Stadtverwaltung zu diesem Antrag fest: „Über die Vergabe der Fördermittel für freie Kunst und Kultur wird in einem gesonderten Verfahren nach Fachförderrichtlinie Kultur entschieden, bei dem zu den vom Kulturamt erarbeiteten Fördervorschlägen mit dem Fachausschuss Kultur ein Einvernehmen hergestellt wird. Für das Jahr 2021 wurde dieses in der Sitzung am 18.12.2020 hergestellt. Der Verein ist laut Fachförderrichtlinie Kultur förderfähig und legt mit dem jährlichen Antrag auf Institutionelle Förderung ein Konzept vor, das jeweils auf der Grundlage des mittelfristigen Entwicklungskonzeptes für die Einrichtung basiert. Die Verwaltung prüft jährlich alle Antrags- und Abrechnungsunterlagen.“

Da verblüfft es natürlich, dass am Ende Tobias Keller diese Anträge vorstellte, obwohl die AfD ganz andere Stadträte im Kulturausschuss sitzen hat – nämlich Jörg Kühne und Falk-Gert Pasemann. Keller ist nicht mal als Vertreter für sie vorgesehen. Deutlicher konnte er an diesem Mittwoch, 31. März, gar nicht machen, dass es der AfD nicht um Kultur geht, sondern um politisches Theater.

Das Ergebnis war dann absehbar: Nur die neun AfD-Stadträt/-innen stimmten ihrem Ansinnen zu, der naTo die Mittel zu streichen. Die Stadtratsmehrheit lehnte eigentlich alle drei Versuche einer kulturellen Demontage ab. Mit einer auffälligen Ausnahme, denn dem Streichungsantrag zum Conne Island stimmten auch noch weitere acht Stadträt/-innen aus der CDU-Fraktion zu.

Was wahrscheinlich Sven Morlok (FDP) dazu brachte, sich beim dritten Antrag noch einmal mahnend zu Wort zu melden, nachdem AfD-Mann Roland Ulbrich ernsthaft behauptet hatte, die drei Kultureinrichtungen seien private Einrichtungen und man streiche ihnen lediglich Subventionen. Dass Kulturförderung nichts mit freier Marktwirtschaft zu tun hat, erläuterte Morlok dann sehr pointiert. Allein sein Plädoyer für die Unterstützung einer lebendigen Freien Kulturszene ist sehenswert.

Beim Streichungsantrag für das Werk II blieb die AfD-Fraktion dann in der Abstimmung wieder allein.

Die Debatte vom 31. März 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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