Am 8. März schrieben wir hier an dieser Stelle: „Zurück zu Kaiser und Pickelhaube: Leipzigs AfD-Fraktion wünscht sich das Siegesdenkmal zurück.“ Das Leipziger Kulturdezernat hat jetzt zu den Fragen der AfD-Fraktion Antwort gegeben. Auch zu den Ereignissen, die zum Abbau des Siegesdenkmals auf dem Leipziger Marktplatz führten. Eine heimliche Ein-Mann-Aktion war es auf keinen Fall.
Auch wenn schon damals versucht wurde, dem zeitweiligen Stadtbaurat Rudolf Beyer daraus eine Straftat zu konstruieren. Doch eine Anordnung und zwei folgende Verordnungen der sächsischen Landesregierung aus dem Frühjahr 1946 hätten den Abbau dieses eindeutig militaristischen Denkmals sowieso erforderlich gemacht. Die Leipziger SPD kam der Sache nur zuvor, als sie schon im Herbst 1945 den Abbau des Denkmals beantragte.Und ohne die Zustimmung der Besatzungsmacht hätte das auch nie erfolgen können, betont das Kulturdezernat in seinen Antworten. Die der Antwort beigefügten Dokumente belegen, dass der Wikipedia-Hinweis, die sowjetische Besatzungsmacht hätte von der Aktion keine Kenntnis gehabt, falsch ist.
Und die Gelder etwa, die der Bund für das Freiheits- und Einheitsdenkmal zur Verfügung stellt, einfach zur Rekonstruktion des Siegesdenkmals zu verwenden, geht natürlich auch nicht, wie das Kulturdezernat feststellt. Nicht nur, weil das Siegesdenkmal mit der Friedlichen Revolution nun so gar nichts zu tun hat und ganz bestimmt nicht stellvertretend dafür stehen könnte.
Der alte militaristische Geist, der sich in diesem Siegesdenkmal verkörperte, war ja genau das, was nicht nur zwei Weltkriege zur Folge hatte, sondern auch die Besetzung und die deutsche Teilung. Da kann man gespannt sein, wie lange diese Erkenntnis dauert, bis sie bei unseren heutigen Nationalisten durchgesickert ist.
Die Fragen und Antworten
Laut Wikipedia erfolgte der Abriss auf „Antrag der SPD“ und „Ohne Wissen der sowjetischen Kommandantur“. Liegen Protokolle der Leipziger Stadtverordneten-versammlung aus 1945/1946 vor, die Auskunft über die Beschlussfassung zum Abriss des Siegesdenkmals geben? Wenn ja, wird um Vorlage dieser Dokumente gebeten.
Aus den Akten des Stadtarchivs kann der Sachverhalt folgendermaßen rekonstruiert werden: Der Antrag zum Abriss des Siegesdenkmals wurde am 13. September 1945 vom SPD Bezirksvorstand Leipzig gestellt (Anlage 1). Er ist am 21. September 1945 im s.g. Gesamtrat (Beratung des Oberbürgermeisters mit den Beigeordneten) genehmigt worden (Anlage 2). Dieses Gremium war bis zur Gemeindewahl im Juli 1946 das zentrale Beschlussfassungsorgan im Leipzig der Nachkriegszeit.
Wie einem Schreiben des Hochbauamtes Leipzig an den Kommissarischen Generalstaatsanwalt im Lande Sachsen vom 18. August 1947 zu entnehmen ist, hat es keine Anordnung der Besatzungsmacht zur Beseitigung des Denkmals gegeben (Anlage 3). Dem Antrag der SPD lagen antimilitaristische Motive zugrunde. Zudem sorgte sich die Antragstellerin um den möglichen Imageschaden, den die Stadt Leipzig durch den Erhalt des seit langem umstrittenen Denkmals auf dem Marktplatz erfahren könnte, denn das Kunstwerk galt im Nachkriegsdeutschland als Verherrlichung des deutschen Militarismus.
Zu bemerken ist, dass gemäß den Verordnungen, die in der ersten Jahreshälfte 1946 zur Beseitigung sämtlicher nazistischer und militaristischer Denkmäler erlassen worden sind, das Siegesdenkmal auch ohne den Antrag der SPD entfernt worden wäre. Die Frage, ob der Abriss „ohne Wissen der sowjetischen Kommandantur“ erfolgte, lässt sich anhand der Akten nicht beantworten. Die Aufzeichnungen des Hochbauamtes über eine Besprechung bei der sowjetischen Zentral-Kommandantur am 5. August 1946 machen allerdings deutlich, dass auf sowjetischer Seite keine Informationen über den Beschluss zum Abriss des Denkmals vorlagen.
Ein nicht näher zu identifizierender Hauptmann Kucharj hat sich daher anhand der Akten den Vorgang erläutern lassen und bat um eine kurze Zusammenfassung (Anlage 4). Aus diesem Geschehen lässt sich schließen, dass die im August 1945 handelnden Personen der Besatzungsmacht keine Kenntnis über die Beschlussgrundlage hatten. Dass das Denkmal ohne das Wissen und die Zustimmung der Besatzungsmacht entfernt worden wäre, ist nicht vorstellbar, denn diese kontrollierte nicht nur das Stadtgebiet, sondern genehmigte auch den Einsatz der knappen Ressourcen, die zum Abriss und Aufbau von Gebäuden benötigt wurden.
Existieren über das Siegesdenkmal Baupläne, die eine Rekonstruktion desselben zulassen?
In den Beständen des Stadtarchivs sind keine Baupläne oder Zeichnungen überliefert, die eine Rekonstruktion des Siegesdenkmals zulassen.
Gibt es Erkenntnisse, ob einzelne Bauelemente des Siegesdenkmals noch erhalten sind? Wenn ja, wo und in wessen Eigentum befinden sich dieselben?
1947 weihte der sozialdemokratische Gewerkschafter Erich Schilling im Volkshausgarten ein schlichtes Denkmal für Heinrich Heine ein. Als Material diente ein Granitblock des Siegesdenkmals. Dieser ist vor Ort noch vorhanden.
Figürliche Teile sind nicht bekannt. Nach unbestätigten Informationen wurde Bronze des Denkmals für die Herstellung von Leuchtern im Alten Rathaus sowie in der Thomaskirche umgeschmolzen, als diese ab 1946 nach Kriegsschäden rekonstruiert wurden. Zeitgenössische schriftliche Belege fehlen.
Bestehen Möglichkeiten, Gelder des Bundes und des Freistaats Sachsen für die Errichtung eines Einheitsdenkmals für den Wiederaufbau des Siegesdenkmals zu verwenden?
Nein, diese Möglichkeiten bestehen nicht. Ein neues Verfahren zur Wiederaufnahme der Entwicklungen für ein Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal muss zunächst auch erst konzeptionell vorbereitet werden, um ermessen zu können, ob und wie hoch eine finanzielle Unterstützung durch den Freistaat und den Bund für das Leipziger Denkmalvorhaben ausfällt.
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Keine Kommentare bisher
“s.g. Gesamtrat (Beratung des Oberbürgermeisters mit den Beigeordneten)”
Um seinen Namen zu nennen: Erich Zeigner. Sehr vielen Leipzigern und Sachsen ist er leider völlig unbekannt.
Bei der AfD schockiert mich Vieles (leider) nicht mehr. Dass diese Partei aber darüber nachdenkt, die Mittel für das Freiheits- und Einheitsdenkmal für den Wiederaufbau des Siegesdenkmals zu verwenden, lässt mich völlig sprachlos und entsetzt zurück.