In der (digitalen) Leipziger Ratsversammlung gibt es mittlerweile Sätze zu hören, die wären noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen. Die tapferen Demonstrationen von Fridays for Future und der Antrag des Jugendparlaments von 2019 zum Klimanotstand zeigen Wirkung. Bis hinein in die Worte von FDP-Stadtrat Sven Morlok, der am Mittwoch, 24. März, sehr deutlich formulierte, dass ein Klimanotstand auch Notstandsmaßnahmen erzwingt.

In diesem Fall war es freilich ein eher tierischer Antrag, für den er für die Freibeuter-Fraktion plädierte: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten, das die Klimaziele der Stadt Leipzig bei der Erhebung der Hundesteuer berücksichtigt.“Im Text erläuterten die Freibeuter recht ausführlich, wie viel CO2 nun so ein Stadthund jedes Jahr zu verantworten hat – vor allem, weil er jede Menge Fleisch frisst. Immerhin kam das Institut für Umwelttechnologie der TU Berlin auf 630 Kilogramm.

Aber so eine Ahnung, dass die Hundesteuer vielleicht doch nicht der richtige Hebel sein könnte, Leipzigs Klimaziele zu erreichen, hatten die Freibeuter schon. Weshalb Sven Morlok dann auch nicht den eigenen Antrag zur Abstimmung stellte, sondern die Stellungnahme der Verwaltung. Die wurde – wie Finanzminister Torsten Bonew erklärte – zwischen Finanz- und Klimadezernat entwickelt und zielt letztlich auf einen viel größeren Rahmen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle kommunalen Abgaben und Steuern im Hinblick auf ihre Auswirkung auf das Klima zu analysieren, die mit der Erreichung der Klimaziele verbundenen finanzwirtschaftlichen Konsequenzen aufzuzeigen sowie Möglichkeiten der Steuerung mit wissenschaftlicher Begleitung zu untersuchen.“

Wobei er das auch nicht nur auf die paar Steuern bezogen wissen wollte, die Leipzig einnehmen darf, sondern eher auf die Bundesgesetzgebung. Denn etwa bei der neu gefassten Grundsteuer, die 35 Jahre gebraucht hatte bis zur Umsetzung, vermisst auch Bonew ein Element, das eine klimapolitische Steuerung überhaupt möglich macht. Der Deutsche Städtetag, dessen Präsident OBM Burkhard Jung ja ist, wäre so ein Gremium, mit dem man beim Bund einen Vorstoß wagen könnte, klimapolitische Stellschrauben auch in die Steuergesetzgebung zu bekommen.

Die Hundesteuer eigne sich als ein solches Instrument überhaupt nicht.

Die Gelegenheit hatte Die-PARTEI-Stadtrat Marcus Weiss genutzt, den Ursprungsantrag der Freibeuter um einen Änderungsantrag zu erweitern: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten, das die Klimaziele der Stadt Leipzig bei der Erhebung der hier zu beschließenden allgemeinen Kleintiersteuer berücksichtigt.“

Da sollten also nicht nur die Hundehalter zahlen für die Klimabelastung ihres Vierbeiners. OBM Burkhard Jung hatte gar den Verdacht, Marcus Weiss ziele hier direkt auf die Katzenhalter.

„Es sollte allerdings hier, im Sinne des Klimaschutzes, ergänzt werden, dass da wo ein Hund ca. 630 kg CO2 ,verursacht‘, eine Katze etwa 400 kg CO2 in die Luft ablässt und zusätzlich Vögel und Insekten jagt, ja teils ausrottet“, hatte der geschrieben. „Deshalb gilt es auch bei den wahren Verursachern der Klimakatastrophe sowie des Insekten- und Vogelsterbens anzusetzen und der Hauskatze jene Aufmerksamkeit zu widmen, welche ihr zusteht.“

Dass auch das eigentlich nur ein Versuch war, dem Thema irgendwie von der Seite beizukommen, wurde deutlich, als er dann auf die Rede für seinen Antrag verzichtete, in Richtung von Sven Morlok aber zumindest erklärte, dass er dabei wäre, wenn die FDP der Erhebung einer CO2-Steuer auf die Fleischproduktion zustimmen würde. Denn die CO2-Emissionen werden ja nicht im Hundenapf erzeugt, sondern bei der Mästung der Tiere, die am Ende hübsch portioniert in der Fleischtheke und im Regal mit Tierfutter landen.

Was die Chancen für den Änderungsantrag nicht erhöhte. Er bekam tatsächlich nur eine Stimme, wohingegen der Verwaltungsstandpunkt, den Morlok zur Abstimmung gestellt hatte, dann eine klare Mehrheit von 34 : 23 : 4 Stimmen bekam.

Was jetzt bedeutet, dass die Stadt – in wissenschaftlicher Begleitung – untersucht, ob es überhaupt kommunale Steuern gibt, die klimapolitisch zur Steuerung geeignet sind.

Ob da freilich die rechnerischen 13.614,93 Tonnen CO2, die man den Leipziger Hunden zurechnen kann, eine entscheidende Rolle spielen? Wahrscheinlich eher nicht. Die wichtigsten Regelungen müssten im Bund getroffen werden und genau da ansetzen, wo wirklich klimaschädliche Gase in großen Mengen erzeugt werden. Und die Massentierhaltung gehört hier garantiert dazu.

Als Ergänzung: Das Statement der Freibeuter-Fraktion

Morlok (FDP): „Klimanotstand: Stadt Leipzig analysiert Steuern und Abgaben hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima“

Auf Antrag der Fraktion Freibeuter beschließt die Ratsversammlung der Stadt Leipzig am 24. März 2021 mehrheitlich, den Oberbürgermeister zu beauftragen, alle kommunalen Abgaben und Steuern in Hinblick auf ihre Auswirkung auf das Klima zu analysieren, die mit der Erreichung der Klimaziele verbundenen finanzwirtschaftlichen Konsequenzen aufzuzeigen sowie Möglichkeiten der Steuerung mit wissenschaftlicher Begleitung zu untersuchen.

„Der Beschluss geht auf die Ausrufung des Klimanotstandes im Vorfeld der Oberbürgermeisterwahl 2020 in Leipzig zurück. Erst auf Antrag der Freibeuter wurde der damals ausgerufene Notstand mit konkreten Notstandsmaßnahmen, wie der Verzicht auf Dienstreisen der Verwaltung mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, untersetzt. In einer Notstandsituation weitere Maßnahmen mit Blick auf die Auswirkungen auf das Klima zu treffen, halten wir für konsequent“, begründet der Fraktionsvorsitzende der Freibeuter im Leipziger Stadtrat, Sven Morlok, den Beschluss.

Hintergrund sind die Ausrufung des Klimanotstandes in der Stadt Leipzig im Jahr 2019 und die Selbstverpflichtung der Stadt Leipzig zu strengen Klimaschutzzielen, beispielsweise die Reduzierung der CO2-Emissionen um 10 Prozent aller fünf Jahre oder die Senkung des Pro-Kopf-Ausstoßes bis zum Jahr 2050 auf 2,5 Tonnen CO2.

Die Debatte vom 24. März 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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