Wenn man die Worte, die Leipzigs OBM Burkhard Jung am 15. Februar gegenüber dpa wählte, ernst nimmt, dann ist die Region Leipzig wirtschaftlich auf dem falschen Weg. Statt alles zu unterstützen, was die Wirtschaft hier nachhaltig und klimafreundlich macht, hat sich Jung zu einem der stärksten Befürworter des Flughafenausbaus entwickelt. Mit Argumenten, über die besonders die Grünen erschrocken sind.
Nachdem der MDR die Äußerungen von Burkhard Jung veröffentlicht hatte, meldete sich der Kreisverband der Grünen mit deutlicher Kritik zu Wort.„Die Einlassung des OBM konterkariert jegliche Vorhaben der Stadt, die Pariser Klimaziele auch nur annähernd einzuhalten. Wir hätten schon vor 10 Jahren anfangen müssen, Wege in die Transformation, Wege in die post-fossile Ökonomie und in die post-fossile Gesellschaft zu finden. Wenn der Flughafen jetzt – gegen den Protest unzähliger Bürgerinnen und Bürger, entgegen den bisherigen Positionen der Stadt, von Bürgerinitiativen und überregionalen Bündnissen – weiter ausgebaut wird, wird das nicht nur das Vertrauen in die Politik weiter untergraben, sondern es zeigt auch, dass die politisch Verantwortlichen wirtschaftliche Interessen Einzelner über alles stellen“, sagte Ulrike Böhm, Sprecherin des Grünen-Kreisverbandes Leipzig.
Eigentlich sind es schon zwölf Jahre, denn seit 2009 bemüht sich Leipzig als Energie- und Klimaschutzkommune um den „European Energy Award“. Um den ist es aber in den letzten Jahren sehr still geworden, denn mehr als die vollmundigen Versprechungen, Leipzig zur Klimaschutzkommune zu machen, gab es seither nicht. Und der Umsetzungsbericht zur „Europäischen Energie- und Klimaschutzkommune“ für 2018 (mit den Daten von 2016), der im Juni 2020 veröffentlicht wurde, zeigte das Dilemma in aller Deutlichkeit, dass Leipzig seine Klimaschutzziele bis 2026 meilenweit verfehlt.
Und vor diesem Hintergrund – auch dem der notwendigen Senkung aller CO2-Emissionen – ist es im Grunde unverständlich, wenn der Leipziger OBM für den Ausbau eines Frachtflughafens wirbt und dann auch noch sagt: „Man wird keine Ausbaupläne ohne Nachteile erleben. Natürlich wird es mehr Emissionen geben. (…) Ohne eine Entwicklung am Flughafen und ohne Nachtflugmöglichkeit wird es nicht gehen.“
„Nicht nur wir Leipziger/-innen werden damit zu Spielbällen von internationalen Konzernen: Deren Profit, das Wohlergehen von Internetriesen wie Amazon und nicht zuletzt militärische Interessen werden vor die Gesundheit und die Lebensqualität aller Menschen in unserer Region gestellt“, kommentierte das am Montag Matthias Jobke, Sprecher der Leipziger Grünen. Auch die Zukunft unserer Kinder werde infrage gestellt, denn jeder wisse, dass die Klimakrise bereits da ist, und dass der internationale Handel und dessen Emissionen und Energieverbrauch einen großen Anteil daran haben.
„Den Profit macht eine Handvoll Konzernbesitzer, den Schaden haben wir alle, die Umweltschäden sind nicht absehbar. Irgendwann werden wir begreifen, dass man Geld nicht essen kann, um diese alte Weisheit noch einmal zu zitieren“, so Matthias Jobke.
Und Ulrike Böhm betonte: „Es ist völlig unverantwortlich, diesem Desaster den Erhalt von 10.000 Arbeitsplätzen gegenüberzustellen. Im Gegenteil: Man kann erwarten, dass sich die politisch Verantwortlichen dafür einsetzen, dass daraus grüne und innovative Arbeitsplätze werden. Dass man sich für die Vermeidung unsinniger Transporte einsetzt und sich für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region für die Region stark macht anstatt für eine weitere Umweltzerstörung!“
Entsprechend deutliche Kritik gibt es auch direkt aus der Grünen-Fraktion. Bert Sander, Stadtrat und flughafenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Leipziger Stadtrat, erklärte am Dienstag, 16. Februar: „Oberbürgermeister Burkhard Jung sollte seine Äußerungen einordnen. Er ist als OBM den Mehrheitsentscheidungen des Stadtrats verpflichtet. Der Stadtrat hat sich in einer Vielzahl von Abstimmungen, und zwar unmissverständlich, gegen die Ausbaupläne des Frachtflughafens positioniert. So sich der OBM für den weiteren Ausbau ausspricht, sollte er hinzufügen, dass das allein seine persönliche Meinung ist. Er sollte jedenfalls nicht so tun, als hätte er die Mehrheit des Stadtrats in der Frage des Flughafenausbaus hinter sich.“
Der Stadtrat hat erst in seiner Ratsversammlung am 20. Januar nach langer und einhelliger Debatte eine Stellungnahme zur 15. Planänderung zur Start- und Landebahn Süd mit Vorfeld des Flughafens Leipzig/Halle beschlossen und so eine Vielzahl von Bedenken und Hinweisen zur geplanten Flughafenerweiterung, insbesondere zum Fluglärm, vorgebracht, die im Abwägungsprozess Berücksichtigung finden sollen.
„Wenn man die jüngsten Äußerungen des OBM wahrnimmt, drängt sich einem der Eindruck auf, als seien diese Bedenken des Stadtrates gegen den geplanten Flughafenausbau für ihn Schnee von gestern“, betonte Bert Sander.
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Es gibt 2 Kommentare
Ich rechne ohnehin damit, dass er in 2-3 Jahren zurücktreten wird, wenn er nicht noch vorher dazu gezwungen wird.
Sein Agieren in der Verkehrspolitik (u.a. Hinauszögern der Umweltzone, langjähriges Verhindern eines Fußverkehrsbeauftragten uvm) ist Handeln nur für Leute ab der oberen Mittelschicht. So mit zwei Autos, studierenden Kindern und Flugreisen.
Gönne ich den Leuten, aber es gibt in Leipzig auch andere Lebensweisen, die okay sind: Jahresabo beim MDV und Bahnreisen – und die Kinder studieren auch. Ohne Parken auf den Fußweg.
Für diese Leute ist der OBM aber nicht da, und sein durchaus vorhandenes soziales Engagement sehe ich gelegentlich nur als “Charity”-Handeln der Begüterteren.
Er hätte die dritte Amtszeit nicht antreten sollen. Da wird auch nix mehr kommen.
Nun holt das kleinere Übel der letzten beiden OBM-Kandidaten die Katze aus dem Sack!
OBM Jung ist also Sprachrohr derjenigen, die auf dem Rücken aller die Umwelt schädigen, daraus Profit erwirtschaften und Gegenargumente stets mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen totschlagen.
Erinnerung: Er wurde als Stadtoberhaupt bestätigt, um sich für das Wohl der Bürger Leipzigs einzusetzen.
Nun schäme ich mich für diesen Mann und bin zutiefst verärgert über die eiskalte Frechheit, mit der er sich über die Mehrheitsmeinung des Stadtrates, inzwischen sogar die publizierten Flughafen-Ansichten der angrenzenden Städte / Kommunen hinwegsetzt und Lobbyarbeit für DHL sowie den desaströsen Flughafen betreibt.
Er missbraucht seine Position.
Er handelt im Desinteresse der Bürger.
Seine grünen Aussagen sind nichts wert.
Das Maß ist übervoll.
Er gehört abgewählt.