Die Noten 4 und 5 bekommen Leipzigs Flüsse für ihre Wasserqualität. Das liegt nicht nur daran, dass die Anrainer am Oberlauf allerlei Zeug hineinlaufen lassen, das da nicht hineingehört. Es liegt auch daran, dass die Flüsse von ihrer natürlichen Aue völlig abgeschottet sind und deshalb auch der Artenreichtum nicht gedeihen kann. Das im Juni beschlossene Auenentwicklungskonzept kann nur der Beginn sein, den Missstand aufzulösen. Leipzig braucht aber auch endlich ein Konzept, die Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen, beantragen die Grünen.

„Das Leipziger Gewässersystem mit der Weißen Elster, der Pleiße, der Parthe, der Nahle, der Alten und Neuen Luppe sowie des Elstermühlgrabens und Pleißemühlgrabens (Gewässerknoten Leipzig) weist durch starke Eingriffe der Vergangenheit erhebliche Probleme in der Gewässerstruktur und -güte auf“, stellt die Grünen-Fraktion jetzt in einem Antrag fest, der sich genau diesem seit Jahren vernachlässigten Thema widmet.

„Die Leipziger Fließgewässer sind (Stand 2018) nach europäischer Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in einem ökologisch schlechten Zustand. Zielstellung der WRRL ist jedoch ein guter Zustand aller Gewässer durch ein weitgehend natürliches Vorkommen von Pflanzen und Fischen in den Gewässern, die Durchgängigkeit von Bächen und Flüssen für alle Lebewesen, sanierte, naturnahe und naturbelassene Uferzonen und Schadstoffkonzentrationen innerhalb der Grenzwerte. Sollte die WRRL, die ursprünglich bereits bis 2015 umgesetzt werden sollte, nicht umgesetzt werden, droht ein EU-Vertragsstrafenverfahren, dessen Kosten auf die Verursacher, hier die Kommunen umgelegt werden können.“

Landtagsanfrage der Grünen zur Gewässerqualität von 2016.

Und so ganz unschuldig ist Leipzigs Verwaltung an diesem Missstand nicht, denn zur Renaturierung der Flüsse hätte die Stadt längst auch aus eigener Anstrengung Pläne aufstellen können. Und das ideale Forum dafür wäre der Grüne Ring gewesen, wo man sowieso mit den direkten Anrainer-Gemeinden zusammenarbeitet. Aber dort hat man lieber alle Kraft in ein Wassertouristisches Nutzungskonzept (WTNK) gesteckt, statt sich gemeinsam den EU-Vorgaben zur Gewässerrenaturierung zu widmen.

Noch naturnah, aber dreckig: Weiße Elster bei Stahmeln. Foto: Ralf Julke
Noch naturnah, aber dreckig: Weiße Elster bei Stahmeln. Foto: Ralf Julke

„Entsprechend muss die Umsetzung der WRRL prioritär bearbeitet werden und im Wege eines integrierten Gesamtkonzepts in Abstimmung mit dem Freistaat Sachsen und den angrenzenden Kommunen angegangen werden, um den übersteuerten Gewässerknoten Leipzig zukunftsfähig zu gestalten und die Renaturierung der Gewässer voranzutreiben“, beschreiben die Grünen die Dimension dessen, was jetzt getan werden muss.

„Das 2004 verabschiedete Integrierte Gewässerkonzept Leipzig (IGK) spiegelt mit dem Fokus auf Sediment- und Hochwasserproblematiken den Erkenntnisstand von vor 20 Jahren wider und ist nicht geeignet, den Herausforderungen zur Umsetzung der WRRL insbesondere vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen ausreichend zu begegnen.

Das IGK sollte deshalb bis 2022 durch einen Integrierten Gewässerentwicklungsplan als Grundlage für gewässerspezifische Maßnahmen abgelöst werden. Durch Renaturierungsmaßnahmen im Rahmen von Integrierten Gewässerentwicklungskonzepten sollen Nähr- und Schadstoffeintrag wirksam gesenkt, die Gewässerdynamik verstärkt und die Ausbildung der natürlichen Uferstrukturen ermöglicht werden.“

Das zielt nämlich darauf ab, endlich wieder mehr Wasser in die Nordwestaue zu bringen und auch das Elsterbecken endlich anders anzupacken, als es die Verwaltung immer noch angehen will – nämlich mit der Perspektive eines renaturierten Gewässerlaufs, der all die teuren Ausbaggerungen durch die LTV endlich überflüssig macht. Und es bedeutet den Verzicht auf das teure Prestigeprojekt „Alte Elster“, das nur im „Wassertourismus“ einen Sinn macht, in der Auendynamik wäre es geradezu schädlich.

Man darf auch nicht vergessen, dass das Integrierte Gewässerkonzept Leipzig (IGK) von 2004 genauso aussah, wie es aussieht, weil Leipzig damals noch davon träumte, zum Austragungsort der Olympischen Spiele 2012 zu werden, für die man ein ausgebaggertes Elsterbecken für die Ruderwettkämpfe benötigt hätte. Und bezahlt hätte man auch die Gewässergroßprojekte durch die erträumten Investitionsmilliarden, die für gewöhnlich in siegreichen Olympiabewerberstädten fließen.

Umso verblüffender ist, dass Leipzig bis heute an diesen alten „Olympiaplänen“ festhält.

Und so beantragen die Grünen: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Freistaat Sachsen sowie den angrenzenden betroffenen Kommunen einen Integrierten Gewässerentwicklungsplan zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie für alle Leipziger Gewässer zu erarbeiten und bis Ende 2022 vorzulegen. Zielstellung ist dabei die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie durch eine umfassende Renaturierung aller Leipziger Fließgewässer unter besonderer Beachtung des Auenentwicklungskonzepts.

Der Integrierte Gewässerentwicklungsplan soll Vorrang- und Zielerreichungsgewässer ausweisen, für die gewässerspezifisch abrechenbare Kenngrößen zur Verbesserung der ökologischen Gewässerkomponenten aufgestellt und integrierte Gewässerentwicklungskonzepte mit konkreten Umsetzungsplänen für die Renaturierung von Gewässern erstellt werden. Der Fachausschuss Umwelt- und Ordnung ist regelmäßig über den Stand der Umsetzung zu informieren.“

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