RegelmรครŸig stellt Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew seit einigen Jahren auch unterjรคhrig die Finanzlage der Stadt dar. Die Ratsfraktionen bekommen einen dicken, ausfรผhrlichen Finanzbericht, der ihnen zeigt, ob Leipzig gut wirtschaftet, ob Zahlungsausfรคlle drohen oder Programme nicht umgesetzt werden. Im Corona-Jahr 2020 sind solche Berichte natรผrlich noch viel wichtiger. Brisant kann man eher nicht sagen, denn Leipzig hat in den letzten Jahren immer gut gewirtschaftet und auch Haushaltsรผberschรผsse erzielt.

Aber natรผrlich hauen vor allem die Shutdown-MaรŸnahmen, die umfassende Kurzarbeit und die damit verbundenen Steuerausfรคlle auch in Leipzig ins Kontor.

โ€žDie Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Auswirkungen stellen auch die Stadt Leipzig vor neue Herausforderungenโ€œ, heiรŸt es im jetzt vorgelegten Finanzbericht, der vor allem den Kassenstand von Juni 2020 berรผcksichtigt.

โ€žNeben prognostizierten Steuerminderertrรคgen, insbesondere der Gewerbesteuer sowie den Gemeindeanteilen an der Einkommens- und Umsatzsteuer in Hรถhe von insgesamt 138 Millionen Euro schรคtzt die Stadt Leipzig zum Stand 30.06.2020 coronabedingte Mehrbedarfe in Hรถhe von insgesamt ca. 38 Millionen Euro ein. Hierbei berรผcksichtigt sind bereits entsprechende Minderaufwendungen und Mehrertrรคge (bspw. aufgrund der Mobile-Endgerรคte-Fรถrderverordnung des Freistaates Sachsen).โ€œ

Steuerausfรคlle durch Corona

Geplant war der Leipziger Haushalt 2020 mit Steuereinnahmen in Hรถhe von 675 Millionen Euro. Im Juni wurde dann die erwartbare Einnahme auf 555 Millionen Euro geschรคtzt. Dabei rechnet das Finanzdezernat bei der Einkommenssteuer mit einer Mindereinnahme von 31 Millionen Euro, bei der Gewerbesteuer um 102 Millionen Euro.

Zur Gewerbesteuer schreibt das Finanzdezernat: โ€žDer Start der Gewerbesteuer begann auf hohem Niveau, aber bereits im Mรคrz zeigten sich die ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie. Im April und Mai sank das Anordnungssoll deutlich, es wurden erhebliche Antrรคge auf Herabsetzungen der Vorauszahlungen fรผr 2020 gestellt. Die quartalsweise Regelfรคlligkeit 15. Mai wurde automatisiert auf den 15. August verschoben.

Die Steuerzahler kรถnnen Antrรคge auf Stundungen stellen, sollten ihnen fรคllige Zahlungen pandemiebedingt nicht mรถglich sein. Im Juni ist das Gesamtniveau nicht weiter gesunken. Auf Basis der aktuellen Kenntnislage wird derzeit eingeschรคtzt, dass der Planansatz zu 70 % erreicht wird, was Mindereinnahmen von rd. 100 Millionen Euro bedeutet. Die Gewerbesteuerumlage reduziert sich entsprechend.โ€œ

Und zur Einkommenssteuer: โ€žBeim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer wird derzeit unterstellt, dass der Planansatz zu 85 % und beim Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer zu 90 % erreicht wird. Dies entspricht weitestgehend der Mai-Steuerschรคtzung.โ€œ

Da sich auch viele Ausgabe- und Einnahmeposten verschieben, reduziert sich das erwartete Minus fรผrs Jahresende trotzdem noch einmal deutlich.

Jahresminus bei mรถglicherweise 56,6 Millionen Euro

โ€žMit dem vorliegenden Finanzbericht wird ein voraussichtliches Gesamtergebnis zum 31.12.2020 in Hรถhe von rund -56,6 Millionen Euro prognostiziertโ€œ, stellt das Finanzdezernat fest. โ€žDavon entfallen -75,9 Millionen Euro auf das ordentliche und +19,3 Millionen Euro auf das auรŸerordentliche Ergebnis. Die Ergebnisverschlechterung ist zum einen auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie und zum anderen auf weitere Mehrbedarfe aus laufender Verwaltungstรคtigkeit zurรผckzufรผhren.โ€œ

Aber Leipzig kroch mit Beginn der Pandemie zum Glรผck nicht auf dem Zahnfleisch: โ€žDer prognostizierte Fehlbetrag im Gesamtergebnis kann in voller Hรถhe nur durch die Inanspruchnahme von Rรผcklagen des ordentlichen Ergebnisses der Vorjahre gedeckt werden. Daneben besteht die Mรถglichkeit, einen aus der Abschreibung von Altvermรถgen entstehenden Fehlbetrag nach ยง 72 Abs. 3 Satz 3 SรคchsGemO gegen das Basiskapital zu verrechnen. Der Ausgleich des Ergebnishaushaltes 2020 kann somit nach ยง 72 Abs. 3 SรคchsGemO nur durch den Verzehr von Basiskapital und damit einem Substanzverlust erreicht werden.โ€œ

Und da das Finanzministerium des Freistaats den Kommunen sowieso eine Ausnahmeregelung gewรคhrt hat, aufgrund der Corona-Auswirkungen von den strikten Haushaltsvorgaben abweichen zu kรถnnen, kommt Leipzig wahrscheinlich relativ wenig gebeutelt durch das Corona-Jahr.

Was 2021 und 2022 wird, ist ja noch vรถllig offen. Die Haushaltsverhandlungen fรผr den Doppelhaushalt beginnen ja gerade.

Investitionsplรคne auch 2020 nur zum Teil umgesetzt

Und da dรผrfte auch ein Thema fรผr Kopfzerbrechen sorgen, das Leipzig nun seit einigen Jahren beschรคftigt. Denn seit die Stadt ausgeglichene Haushalte mit Investitionsspielrรคumen vorlegen kann, steigen die Investitionssummen zwar Jahr fรผr Jahr. Aber Oberbรผrgermeister Burkhard Jungs Traum, diese Millionen auch jedes Jahr tatsรคchlich verbaut zu bekommen, geht nicht auf.

Mal fehlen die Fรถrdergelder, mal findet man keinen Auftragnehmer, mal fehlt der Baugrund. Das Ergebnis ist ein jedes Jahr immer mehr anschwellender Berg von investiven Ausgaberesten.

Das wird auch im Corona-Jahr 2020 wieder genauso sein, stellt das Finanzdezernat fest: โ€žEntwicklungen der Vorjahre haben gezeigt, dass eine Abfinanzierung der fรผr Investitionen zur Auszahlung zur Verfรผgung stehenden Mittel in dieser GrรถรŸenordnung nicht mรถglich sein wird. Durchschnittlich sind in den letzten Jahren 42 % der Auszahlungen fรผr BaumaรŸnahmen im Haushaltsjahr zum Stichtag 30.06. des jeweiligen Jahres geflossen. Ausgehend von Ist-Auszahlungen in Hรถhe von 111,3 Millionen Euro zum 30.06.2020 hat das Dezernat Finanzen eine Anpassung der Prognose fรผr BaumaรŸnahmen um -65,2 Millionen Euro vorgenommen und den Wert von 330,5 Millionen Euro auf 265,3 Millionen Euro korrigiert.โ€œ

Tatsรคchlich wollte Leipzig ja in diesem Jahr nicht nur 458 Millionen Euro verbauen. Mit den โ€žAusgaberestenโ€œ der Vorjahre standen dafรผr ja sogar 737 Millionen Euro zur Verfรผgung.

Es wird spannend, wie Leipzig es schaffen will, diesen riesigen Berg lรคngst geplanter und beschlossener Investitionen abzuarbeiten. โ€žZwar ist im Vergleich zu Vorjahren ein positiver Trend bei den Auszahlungen zu beobachten, eine Abfinanzierung in der GrรถรŸenordnung des Planansatzes zzgl. der aus Vorjahren รผbertragenen Reste (akt. Plan) zur Verfรผgung stehenden Mittel wird jedoch auch in 2020 nicht mรถglich seinโ€œ, schรคtzt das Finanzdezernat ein.

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