Manche Leute glauben ja, dass die Silvesterböllerei so eine Art uraltes Gewohnheitsrecht und Brauchtum ist. Doch noch im 19. Jahrhundert war das allgemeine Geknalle nicht üblich. Es ist ein Wohlstandsvergnügen, das wie kein anderes zeigt, dass man binnen kurzer Zeit jede Menge Geld verbrennen kann und dabei auch noch schlechte Luft und Krach produziert. Zwei Vorstöße gab es jetzt im Stadtrat, in Leipzig böllerfreie Zonen zu schaffen. Beide schmetterte das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport ab.

Das eine war ein mehr als nur vernünftiger Antrag des Jugendparlaments, im Herzen der Stadt eine böllerfreie Zone zu schaffen, in der man vielleicht mal einen ruhigen Jahreswechsel erleben könnte: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, für den Jahreswechsel 2020/21 ein Verbot für das Abbrennen von Pyrotechnik je innerhalb des Innenstadtrings und des Tangentenvierecks zu prüfen. Die Ergebnisse sollen dem Stadtrat und dem Jugendparlament spätestens am Ende des II. Quartal 2020 zugehen.“

Das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport erklärt dazu wortreich, warum es in Sachsen partout keine Handhabe gibt, eine solche Feuerwerksverbotszone zu schaffen. Anderswo gibt es solche Zonen – meist mit der guten Begründung eingerichtet, dass beim Feuerwerken leicht brennbare Dächer und Häuser in Gefahr geraten. So wie bei den reetgedeckten Häusern an der Nordseeküste oder in Fachwerkstädten wie in Lüneburg und Wernigerode.

Anderswo – wie in Hannover – mussten erst Vorfälle mit mehrfachem Personenschaden passieren, bis lokal ein Feuerwerksverbot verhängt wurde. Das Schallimmissionsschutzgesetz sei auch kein Hebel, meint das Ordnungsdezernat, weil Feuerwerke nur seltene Ereignisse seien. Und auch das Sprengstoffrecht greife nicht, genauso wenig wie das Polizeigesetz oder die Regelungen zur Schadstoffbelastung der Luft.

Was ja in der Summe nur heißt: Wirklich beschäftigt hat sich der Gesetzgeber mit dem Thema noch nicht. Und die Tatsache, dass immer mehr Menschen diesen feurigen Krach nicht mehr haben wollen, hat sich auch noch nicht in Parlamentsmehrheiten niedergeschlagen.

Der Vorstoß der Grünen-Fraktion zum selben Thema war ganz ähnlich angedacht: „1) Die Stadtverwaltung wird beauftragt, je nach Stadtviertel Plätze festzulegen auf denen das Silvesterfeuerwerk erlaubt ist. Im Übrigen wird es untersagt.

2) Für öffentliche Park- und Grünanlagen, insbesondere für das LSG Leipziger Auwald gilt ein Komplettverbot für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern.

3) Im Rahmen einer öffentlichen Kampagne sind die Menschen zu sensibilisieren, Silvesterfeuerwerk sparsam und unter dem Gebot der Rücksichtnahme einerseits und des Gesundheitsschutzes andererseits einzusetzen.“

Und auch hier war sich das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport sicher, dass man den Antrag größtenteils ablehnen sollte.

„Die mit dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geforderten Feuerwerksverbotszonen sind, mit Ausnahme des Landschaftsschutzgebietes ,Leipziger Auwald‘, nicht umsetzbar, da es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehlt. Für den freiwilligen Verzicht auf Silvesterfeuerwerk setzt sich die Stadtverwaltung bereits in Form eines Flyers und einer Information auf der Internetseite der Stadt Leipzig ein. Insofern ist der Antrag Nr. VII-A-00865 abzulehnen.“

Nur klappen alle diese freiwilligen Verzichte und Selbstverpflichtungen in Deutschland nicht. Solche Appelle erreichen immer nur Menschen, die sowieso schon anders handeln und sich sehr bewusst sind, welche Schäden so eine Knallerei anrichtet.

Die Grünen wollen der Stadtverwaltung diese Unwilligkeit, sich mit dem Thema beschäftigen zu müssen, aber nicht durchgehen lassen und haben ihren Antrag neu formuliert: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich beim Bund für die Schaffung einer rechtlichen Grundlage zur großflächigen Untersagung des Abbrennens von Feuerwerkskörpern für Privatpersonen einzusetzen. Bis zu dessen Inkrafttreten soll eine Einschränkung im Stadtgebiet Leipzig nach Maßgabe folgender Punkte umgesetzt werden:

1) Vollständiges Verbot für das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in Wohngebieten, öffentlichen Park- und Grünanlagen sowie Natur- und Landschaftsschutzgebieten.

2) Beschränkung des Abbrennens von Feuerwerkskörpern auf geeignete Plätze und Straßen auf der Grundlage von Kriterien insbesondere der öffentlichen Sicherheit, des Brandschutzes, des Lärm- und Lichtschutzes und des Denkmalschutzes.

3) Auflage einer öffentlichen Informations- und Aufklärungskampagne zur Umsetzung der Maßnahmen und Sensibilisierung für die Gesundheits- und Sicherheitsproblematiken von Feuerwerk.“

Immerhin ist Oberbürgermeister Burkhard Jung aktuell ja auch Präsident des Deutschen Städtetages, hat also auch eine Plattform, auf der er dafür wirken kann, dass die deutschen Kommunen ein Instrument in die Hand bekommen, Feuerwerke rechtskonform einschränken zu dürfen.

Auch in Leipzig kommt es in der Silvesternacht jedes Mal zu etlichen Brandverletzungen, muss auch die Feuerwehr immer wieder ausrücken, weil Feuerwerkskörper diverse Brände ausgelöst haben. Und von einem besinnlichen Jahreswechsel kann schlicht keine Rede sein, von einer sicheren Heimkehr von Silvesterfeiern meistens auch nicht.

Vielleicht täte eine Befragung der Bürger ganz gut, einfach mal die Zustimmungswerte zum Silvesterböllern abzufragen. Auch das kann Wege eröffnen, gemeinsam mit den Leipzigern Lösungen für lokale Silvesterfeuerwerke zu schaffen und gleichzeitig Wohnviertel vom alljährlichen Krach zu entlasten.

Zur Errichtung von Feuerwerksverboten fehlt in Sachsen die gesetzliche Grundlage

Zur Errichtung von Feuerwerksverboten fehlt in Sachsen die gesetzliche Grundlage

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