Nein, sie mögen keine Jugendlichen. Schon gar nicht, wenn die sich so emsig in die Politik einmischen und nun auch noch auf Stadtteil- und Ortsteilebene mitreden wollen. Ein paar Broschüren, die diese vorlauten Kinder aufklären, sollten genügen, findet die Altherrenfraktion der AfD und versucht gleich mal, dem ganzen Antrag des Jugendparlaments die Zähne zu ziehen.
Und das mit lauter schönen Werbesprüchen, die ein ganz besonderes Engagement der AfD für die demokratische Früherziehung behaupten, obwohl sie genau das Gegenteil bezwecken. Was in der Begründung des AfD-Antrags zum Antrag des Jugendparlaments sehr deutlich wird.
Dort liest man dann die geradezu herablassende Begründung: „Politisches Engagement von Jugendlichen auf kommunaler Ebene ist gegen die zunehmende Politikverdrossenheit auch unter Jugendlichen überaus wichtig. In einer Demokratie ist es von großer Bedeutung, Kindern und Jugendlichen die Arbeits- und Wirkungsweisen von lokalen Parlamenten und demokratischen Institutionen näherzubringen. Kommunalpolitische Gremien mit Minderjährigen zu besetzen ist der falsche Ansatz. Vielmehr sollte über vielfältige Angebote Aufklärungs- und Informationsarbeit betrieben werden, mit dem Ziel, Jugendliche für Kommunalpolitik zu begeistern.“
Und das auf den neugefassten Antrag eines Jugendparlaments, in dem lauter „für Kommunalpolitik begeisterte“ Jugendliche deutlich machen, dass sie mehr Mitsprache wollen.
Das hatten die Jugendparlamentarier in zwei einfache knappe Punkte gefasst:
„1. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, eine Einbindung von Minderjährigen in die Arbeit der Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte zu prüfen.
2. Die Stadtverwaltung berichtet bis zum II. Quartal 2021, welche Maßnahmen geprüft und welche umgesetzt wurden. In die Prüfung ist der Entwicklungskreis jugendgerechte Kommune bzw. die darin vertretenen Akteure mit einzubeziehen.“
Die Begründung war eigentlich logisch: „Die Ziele des Ursprungsantrages liegen in den durch das Bundesprogramm formulierten und im Dezember als Jugendstrategie beschlossenen Handlungsfeldern für eine Jugendgerechte Kommune.“
Den Ursprungsantrag findet man hier.
Der AfD-Änderungantrag ist noch besonders altjüngferlich, weil zuvor auch die Grünen einen Änderungsantrag geschrieben hatten, der in der Begründung scheinbar so ähnlich beginnt.
Nur die Schlussfolgerungen sind völlig andere als die der Altherrenfraktion.
„Politische Mitbestimmung und Mitwirkung sind die wichtigsten Bausteine einer lebendigen Demokratie“, stellen die Grünen fest. „Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützt den Ausbau der stadtteilbezogenen Kinder- und Jugendbeteiligung. Bereits 2009 haben wir neben der Etablierung eines gesamtstädtischen Jugendparlaments auch die Etablierung sog. ,Jugendstadtbezirksbeiräte‘ beantragt.“
Die Jugendstadtbezirksbeiräte gibt es noch nicht. Aber das Jugendparlament wurde eingerichtet und feierte gerade seinen fünften Geburtstag. Eine Gelegenheit, die sich die AfD-Fraktion nicht entgehen ließ, die Rechtmäßigkeit des Jugendparlaments in Zweifel zu ziehen. Ein Vorstoß, auf den ja bekanntlich Oberbürgermeister Burkhard Jung sehr deutlich reagierte.
So deutlich, dass man auch ein wenig seinen Ärger spürte über diese seltsam rückwärtsgewandte Fraktion, die irgendwie in Zeiten zurückwill, in denen nur verbiesterte alte weiße Männer bestimmten, was in der Politik gesagt und getan werden darf.
Dass Stadtpolitik lebendiger wird, wenn auch die jungen Stadtbewohner ihre Interessen artikulieren dürfen, ist der AfD-Fraktion ziemlich fremd.
Die Grünen halten es übrigens auch für erstrebenswert, „dass künftig auch ausländische Bürgerinnen und Bürger in die Beratungen der Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte wirksam mit einbezogen werden. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass seit 1980 in der Stadt Stuttgart gemäß § 21 Abs. 7 der Hauptsatzung jeder Bezirksbeirat in den dortigen 23 Stadtbezirken zusätzlich zu den bestellten Bezirksbeiräten auch ein ausländisches Mitglied einen Sitz hat – aufgrund der baden-württembergischen Gemeindeordnung (vgl. § 65 GO Ba-Wü) allerdings ohne Stimmrecht. Personenvorschläge dazu macht der Internationale Ausschuss der Stadt Stuttgart, der seit 2000 Nachfolger des Ausländerausschusses ist. Der Ausschuss soll dabei laut Hauptsatzung vorrangig ausländische Einwohnerinnen und Einwohner benennen, die nicht Staatsangehörige eines EU-Staates sind.“
Noch mehr Verdruss für die alten Herren. Denn damit würden auch die Interessen jener Leipziger/-innen zumindest zu Wort kommen, die im Stadtrat völlig unterrepräsentiert sind.
Und genau das haben die Grünen auch noch in ihren Änderungsantrag so hineingeschrieben:
„Die Stadtverwaltung wird beauftragt, eine Einbindung von Kindern und Jugendlichen sowie ausländischen Bürger/-innen in die Arbeit der Stadtbezirksbeiräte und Ortschaftsräte zu prüfen. In die Prüfung sind sowohl der Entwicklungskreis jugendgerechte Kommune, das Sachverständigengremium Bürgerbeteiligung, der Migrantenbeirat als auch die Stadtbezirks- und Ortschaftsräte mit einzubeziehen.“
Bei ihnen geht es gar nicht mehr um das „ob“, das eigentlich bei einer Stadt, in der Jugendliche und Migranten durchaus nennenswerte Bevölkerungsgruppen bilden, selbstverständlich sein sollte, sondern um das „wie“. Und es könnte durchaus ein bisschen länger dauern: „Die Erarbeitung eines Beteiligungskonzeptes versteht sich deshalb von selbst.“
Aber: „Aufgrund der Komplexität des Anliegens ist der Ratsversammlung (erst) bis zum Ende des IV. Quartals 2021 ein Prüfbericht mit Listung von verschiedenen Maßnahmen und/oder Varianten sowie im Weiteren ein zielorientierter Umsetzungsvorschlag vorzulegen.“
Lieber gleich richtig machen, dann aber Beteiligungskonzepte haben, die für junge Menschen und ausländische Bürger/-innen auch Sinn machen. Noch mehr bunte Broschüren werden Teilhabe ganz bestimmt nicht ersetzen.
Die Arbeit des Leipziger Jugendparlaments hat in Sachsen eine rechtliche Grundlage
Die Arbeit des Leipziger Jugendparlaments hat in Sachsen eine rechtliche Grundlage
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Keine Kommentare bisher
Da versteh ich was nicht. Junge Leute können sich doch an ihren Abgeordneten wenden und Anregungen und Vorschläge einbringen, selbst wenn sie noch nicht 18 sind. So hatten sich die Kommunisten über die “Nationale Front” ihre Mehrheit auch schon mal selber gebastelt, weil sie durch freie Wahlen nicht erreichbar war. Die Scherben von dem Vorgehen haben wir gerade erst weggetragen. Erstaunlich finde ich es, dass man schon wieder mit der gleichen Nummer um die Ecke kommt.