LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 78, seit 24. April im HandelWir sind eine Wegschmeißgesellschaft. Wir sind – verglichen mit dem Weltmaßstab – reich und konsumieren viel: jährlich der neueste Modetrend, ein größerer Flachbildschirm oder ein besseres Smartphone, obwohl das alte noch gut war. Dazu kommen die Verpackungen. Im Versandhandel – online oder per Katalog – wird besonders viel Verpackungsmüll erzeugt. Nicht besser sieht es bei Essenslieferungen oder „Take Away“ und „To-Go“ aus. Aber auch 75 Prozent des Obstes und Gemüses im Supermarkt sind extra plastikverpackt. Wohin soll das führen? Wie lässt es sich vermeiden?
Im vergangenen Herbst hat sich in Leipzig das Bündnis für Abfallvermeidung gegründet. Dem Zusammenschluss gehören aktuell 16 Mitglieder beziehungsweise Initiativen an. Die regelmäßigen Treffen finden immer abwechselnd bei einem anderen Bündnispartner statt – das nächste Mal am 7. Mai im Beratungsbüro der Stadtreinigung in der Hainstraße, sofern es die Einschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus zulassen.
Die Mitglieder geben ein ebenso illustres wie breit gefächertes Bild ab: Neben großen Playern wie der Stadtreinigung oder dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen sind auch Unverpacktläden, Reparaturwerkstätten, die Arbeitsgemeinschaften des Ökolöwen und des BUND, sogenannte Upcyclingprojekte sowie die urbane Ideenwerkstatt KunZstoffe mit dabei.
Antje Arnold hat das Bündnis im August 2019 zusammen mit Laura Jansen initiiert. Auf einer Veranstaltung „Nachhaltiges Leipzig“ merkten die beiden – wie schon oftmals zuvor –, dass es noch mehr Akteure im Bereich Recycling und Abfallvermeidung gibt. Auch die Idee, diese zusammenzubringen, hatte Arnold bereits zuvor gehabt.
Aber nun beschleunigte die im November 2019 bevorstehende europäische Woche der Abfallvermeidung ihr Vorhaben. Einen „zeitlichen Glücksfall“ nennt es Vera Hickethier, die Pressesprecherin des Bündnisses. Das Rundschreiben traf eine gute Resonanz. Es folgten das erste Treffen und ein gemeinsames Programm zur europäischen Aktionswoche.
Hickethier sieht allein im Vernetzen und Austauschen, verbunden mit der verstärkten Öffentlichkeitsarbeit, einen starken positiven Effekt. Denn das Thema Müllvermeidung brauche mehr Öffentlichkeit. Dabei geht es nicht bloß um Probleme, sondern auch um Möglichkeiten sowie einfache Mitmach-Angebote.
„Es ist doch nicht schwer, einen Kaffeebecher, einen Stoffbeutel oder andere Mehrwegverpackungen zum Einkaufen einzustecken“, betont sie. Auch feste Seife statt der Flüssigseife vermeidet unnötigen Plastikmüll. Hickethier verweist außerdem auf Unverpacktläden und Abfüllstationen in Drogerien. Sicher wünsche sie sich angesichts der Müllflut Verbote, zumal die zurückhaltenden Regelungen in Deutschland in Gestalt von freiwilligen Selbstverpflichtungen wenig brächten.
„Man muss doch einfach nur mal in die Mülltonne schauen. Weshalb gibt es Verpackungen, die nicht nur eine geringe Lebensdauer besitzen, sondern auch funktional nicht notwendig sind?“
Obendrein sei das Kunststoff-Wirrwarr für Verbraucher kaum zu durchdringen. Denn etliche Verbundstoffe sind nicht recycelbar. Dafür ist der TetraPak das „beste“ Beispiel. Der Müll, den wir sorgfältig trennen, wird letztlich fast vollständig verbrannt und eben nicht recycelt. Und das Müllaufkommen nimmt weiter zu, da etliche Konsumgüter auch nicht mehr reparierbar sind: Nähmaschinen, Laptops, Uhrwerke.
Dazu kommt die sogenannte „geplante Obsoleszenz“ – die beabsichtigte Verkürzung der Lebens- und Nutzungsdauer bestimmter Produkte wie zum Beispiel Drucker.
Wenn all diese Kritikpunkte einen Platz im öffentlichen Bewusstsein gefunden haben, wäre das Bündnis für Abfallvermeidung am Ziel. Denn der allgemeine Konsum würde Mehrweg bevorzugen, Verpackungen und minderwertige Produkte meiden. Das Prinzip „Billig kauft zwei Mal“ gäbe es kaum noch. Und auch das Angebot würde aufgrund der veränderten Nachfrage ein ökologisches Gesicht bekommen.
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