Schon vor der ersten Wahlrunde zur Leipziger Oberbürgermeisterwahl am 2. Februar gab es mehrere Enttäuschungen bei Einladern zu den diversen Wahlforen. Die meisten Kandidat/-innen kamen ganz selbstverständlich und stellten sich den teilweise sehr speziellen Stadtthemen. Doch mehrfach ließ sich CDU-Kandidat Sebastian Gemkow entschuldigen. Das erlebten neben dem Stadtelternrat auch die Parents for Future und der BUND Leipzig. Und der wurde nun ein weiteres Mal enttäuscht.

Am 1. März steht für die Leipziger/-innen der zweite Wahlgang zur Oberbürgermeister/-inwahl an. Der BUND Leipzig hat am 16. Januar zum ersten Wahlgang eine Podiumsveranstaltung durchgeführt, welche sehr stark nachgefragt war. Das Zeitgeschichtliche Forum war mit über 200 Besucher/-innen komplett gefüllt und vor der Tür konnte etwa 50 weiteren Interessierten kein Einlass mehr gewährt werden.

Bereits an diesem Abend machte Moderator und Leipziger BUND-Vorsitzender Martin Hilbrecht klar, dass es ein weiteres Podium nach der ersten Wahlrunde am 2. Februar 2020 geben würde und hoffte auf eine Beteiligung des CDU-Kandidaten, welcher an diesem Abend fehlte. Nachdem Sebastian Gemkow zunächst seine Teilnahme zusagte, erfolgte wenige Minuten vor Beginn der Podiumsdiskussion eine Absage aus persönlichen Gründen.

Ebenso sagte Gemkow kurzfristig die langfristig vorab terminierte Veranstaltung zum Klimanotstand bei den Parents for Future am 24. Januar 2020 ab.

„Der große Zuschauerandrang bei der Veranstaltung zeigt, dass natur- und umweltpolitische Fragestellungen die Menschen dieser Stadt sehr bewegen und damit zentrale Wahlkampfthemen sind“, erklärt dazu Martin Hilbrecht, Vorsitzender des BUND Leipzig.

Nach den Wahlergebnissen vom ersten Wahlgang war klar, dass es aufgrund der fehlenden 50-Prozent-Mehrheit für einen der Bewerber/-innen einen zweiten Wahlgang geben wird. Dabei blieben Amtsinhaber Burkhard Jung (SPD), Sebastian Gemkow, (CDU) und Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten, Humanisten, ÖDP und Demokratie in Bewegung).

Mit den verbleibenden Kandidat/-innen wollte der BUND Leipzig ein weiteres Wahlpodium veranstalten und ihnen die Chance geben, ihre Positionen zu Klimaschutz und Energiewende, Naturschutz und Verbraucherschutz zu vertreten.

„Leider hat Herr Gemkow jedoch wiederholt abgesagt, sodass wir uns gezwungen sehen, die geplante Veranstaltung abzusagen. Es kann einfach keine sinnvolle Diskussion entstehen, wenn einer der zwei Favoriten der Veranstaltung fernbleibt. Wir bedauern, dass wir den Leipziger/-innen nicht die Möglichkeit geben können zu erfahren, wie sich die Kandidat/-innen eine umwelt- und klimafreundliche Entwicklung unserer Stadt vorstellen und dass sie den Kandidat/-innen ihre eigenen Fragen zu diesen Bereichen nicht selbst stellen können“, so Martin Hilbrecht.

Dieses Mal wurde die Absage damit begründet, dass Sebastian Gemkow lieber direkt den Bürgerkontakt sucht. Eine Erklärung, welche man angesichts des bis auf unzählige Wahlstände in Leipzig praktisch abendlich leeren Terminkalenders durchaus infrage stellen kann.

Was auch den BUND Leipzig zu der Frage bringt, was eigentlich mit direkten Bürgergesprächen gemeint ist. Oder ob hier jemand einfach keine Lust hat, sachliche Stellung zu nehmen. „Wenn wir eine Veranstaltung mit erwartbar hohem Zuschauerinteresse und einer Veranstaltungskonzeption, welche besonderen Wert auf eine umfassende Zuschauerbeteiligung legt, garantieren können, fragen wir uns schon, warum Herr Gemkow diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lässt“, fragt sich Martin Hilbrecht.

Doch an der Größe der Bühnen und der Menge der Interessierten scheint es nicht zu liegen.

Ein Veranstaltungskalender voller Wahlstände ohne Abendtermine und eine Lücke. Screen: gemkow2020.de
Ein Veranstaltungskalender voller Wahlstände ohne Abendtermine und eine Lücke. Screen: gemkow2020.de

Ein Muster und ein abendlicher Anruf

„Da Herr Gemkow mittlerweile drei Einladungen zu Wahlpodien zu Umweltthemen abgesagt hat, müssen wir nun leider davon ausgehen, dass Herr Gemkow die Positionierung und Auseinandersetzung zu zentralen Zukunftsthemen für ein lebenswertes Leipzig bewusst scheut oder schlicht nicht ernst nimmt. Beide Optionen würden schon jetzt ein schlechtes Licht auf eine mögliche Amtszeit von Herrn Gemkow als Oberbürgermeister dieser Stadt und die Lösung drängender Umweltprobleme werfen.“

Man rufe nunmehr alle wahlberechtigten Leipziger/-innen auf, sich am 1. März an der OBM-Wahl zu beteiligen. Die Veranstaltung selbst ist damit geplatzt und wieder ist ein Termin weniger bis zum 1. März vorhanden, wo sich die Bürger ein eigenes Bild über die drei verbliebenen Kandidat/-innen machen können.

Ob Sebastian Gemkow am Sonntag, 23. Februar, zum „Townhall-Meeting“ in der Peterskirche kommt, ist auch noch offen.

Sicher nicht aus Sicht des „Team Gemkow“, hier geht man von einer Absage aus. So meldete sich am Freitagabend mit Tilo Schumann ein sachsenweit agierender CDU-Wahlkampfberater Gemkows per Handy beim L-IZ.de-Inhaber und LZ Medien GmbH-Geschäftsführer Robert Dobschütz. Und teilte mündlich das Fernbleiben von Sebastian Gemkow auch von der ersten Leipziger „Townhall“ mit.

Dabei handelte es sich um die erste telefonische Kontaktaufnahme überhaupt seitens dieses führenden Mitglied des Gemkow-Teams bei der L-IZ.de.

Dobschütz im Nachgang zu den Inhalten des abendlichen Telefonates: „Offen ist auch nach dem ersten Gespräch mit Herrn Schumann aus meiner Sicht das Warum aller Absagen und auch dem Absageversuch uns gegenüber. Dies wollte Herr Schumann im Namen von Sebastian Gemkow nicht erläutern, andere konkrete Terminvorhaben an den drei Abenden, wo die „Townhall“ stattfinden könnte, wollte oder konnte Herr Schumann mir nicht nennen. Er gab also keine Auskunft darüber, wo Herr Gemkow am 22., 23. oder 28. Februar 2020 ab jeweils 19 Uhr eigentlich terminlich gebunden ist. Auch private Gründe sind nicht genannt worden.“

Hierzu wird die L-IZ.de & LEIPZIGER ZEITUNG (VÖ. am Freitag, 21. Februar 2020) also nochmals eine schriftliche Anfrage stellen. „Auch, damit unsere Journalist/-innen von diesen für mich noch vollkommen unbekannten Gemkow-Terminen vor Ort berichten können“, so Dobschütz.

Darüber hinaus „haben wir dem Team Gemkow auch vor diesem Telefonat schriftlich angeboten, die etwaigen Gesprächspartner an den genannten Abenden in die Peterskirche mitzubringen, um mit den den knapp 15 Organisationen und Verbänden – darunter auch alle, welchen Herr Gemkow terminbedingt absagen musste – gemeinsam die Möglichkeit eines Bürgergespräches auch mit Herrn Gemkow zu bieten. So würde sich nur der Ort auch für die Gemkow-Gäste ändern, nicht jedoch Tag und Zeit“.

Eine schriftliche Antwort auf dieses schriftliche Angebot hat die L-IZ.de bis heute nicht erhalten.

Ein Zwischenfazit und Wahlkampfkunde

Robert Dobschütz‘ Zwischenfazit zum aktuellen Stand: „Ich muss mittlerweile trotz aller unserer Bemühungen der letzten Tage und Wochen um eine Beteiligung von Herrn Gemkow annehmen, dass es seine Strategie ist, alle Wahlpodien bis zum 1. März 2020 zu sabotieren, indem er auch schon vor der ersten Wahlrunde am 2. Februar keine öffentlichen Podien-Termine mehr vergibt oder diese absagt. So nimmt er auch den beiden anderen Kandidaten die Möglichkeit, sich mit ihm zusammen öffentlich zu präsentieren. Deshalb wird unsere ,Townhall‘ am 23. Februar 2020 in jedem Fall stattfinden, da die hohe Zahl der interessierten Bürger bereits jetzt signalisiert, dass sie gern über kommunale Sachthemen und nicht über Plakat-Layouts oder das Privatleben von OBM-Kandidaten debattieren wollen.“

Damit wird die L-IZ.de im Interesse einer demokratischen Wahl versuchen müssen, einer „Taktik, welche man gemeinhin asymetrische De-Mobilisierung nennt“ entgegenzuwirken, so der gebürtige Leipziger weiter. „So kann man versuchen, einen inhaltlich schwachen Kandidaten mit programmatischen Schlagwortsätzen – wie auf Herrn Gemkows Wahlkampfseite gemkow2020.de zu komplexen Stadtthemen zu finden – wählbarer erscheinen zu lassen. Und gleichzeitig vor allem Wähler des Gegenkandidaten davon abbringen, zur Wahl zu gehen. Im Konkreten, weil viele Leipziger glauben könnten, Burkhard Jung wird so oder so wieder Oberbürgermeister – auch ohne ihre Stimme, die sie einfach nicht abgeben.“

Der Wahlkampf kommt so also bis auf das mediale Dauerfeuer von BILD Leipzig und LVZ contra Burkhard Jung und den Wahlständen auf der Straße bereits seit Tagen in den eigentlichen Sachthemen zum Erliegen. Scheinbar gewollt.

Denn „mit dieser Terminstrategie entzieht sich ein Kandidat der öffentlichen Beachtung der unabhängigen, nicht durch ihn steuerbaren Presse bei Sachthemen und kann auf den Straßen der Stadt jedem alles Mögliche und allen etwas anderes versprechen.“ Interviews hingegen werden in Wahlkampfzeiten gern gelenkt, indem sie nur unter vorheriger Freigabe gegeben oder eben gar nicht gegeben werden.

„Inwieweit sich die Bürger Leipzigs für einen Kandidaten entscheiden, der sich damit vor dem zweiten Wahlgang in eine gewisse taktische Beliebigkeit begibt, die offenbar eher auf den Posten, nicht aber auf die Diskussion um Zukunftsthemen Leipzigs abzielt, wird sich am 1. März zeigen. Meine entsprechenden Fragen zu dieser Taktik haben das Team und Herr Gemkow seit Tagen schriftlich vorliegen, da es uns um die ,Townhall‘-Durchführung geht. Die Tür der Peterskirche steht am 23. Februar 2020 auch bei einer kurzfristigen Umentscheidung natürlich offen für den CDU-Kandidaten und damit für seine Teilnahme an einem thematisch breiten Gespräch mit den Bürgern Leipzigs“, so Dobschütz.

Burkhard Jung und Ute Elisabeth Gabelmann haben ihre Teilnahme an der „Townhall“ bereits vor Tagen fest zugesagt. Mit oder ohne Sebastian Gemkow.

Als Entscheidungshilfe für die OBM-Wahl bietet der BUND Leipzig bis dahin zu Umweltthemen seine Wahlprüfsteine www.bund-leipzig.de/obm2020 an. Und wird am 23. Februar 2020 mit seinen Fragen und einer Abordnung in der Peterskirche vor Ort sein.

Die Liste der Organisationen, Vereine und Verbände, die am 23. Februar 2020 gemeinsam mit weiteren Bürger/-innen in der Peterskirche ihre Fragen an alle drei OBM-Wahl-Kandidat/-innen bei der ersten „Townhall“ Leipzigs stellen wollen.

Stadtelternrat Leipzig
Evangelische Kirchgemeinde Peterskirche (und andere)
IHK zu Leipzig
Leipzig – Stadt für Alle
Parents for Future / Fridays for Future
We ride Leipzig (Leipziger Fahrradaktive)
ADFC Leipzig
BUND Leipzig
Leipzig nimmt Platz
Bürgervereine Anger-Crottendorf & Sellerhausen (& weitere)
DGB Leipzig
VLW e. G., Unitas, Lipsia etc. als Baugenossenschaftsverbund
Initiative Leipzig Plus Kultur
Haus und Grund e. V.
Buchkinder Leipzig e. V.
und weitere …

Die Podiumsveranstaltung des BUND Leipzig im Videomitschnitt

Video: BUND Leipzig

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