Da hat sich etwas aufgeschaukelt. Nicht nur in Leipzig. Auch aus dem Raum Dresden mehren sich die Meldungen über Anschläge auf Baustellen und Baustellenfahrzeuge. Aber für Aufmerksamkeit in den Medien sorgte erst der Brandanschlag auf die Baustelle der CG-Gruppe in der Prager Straße am 3. Oktober. Ihre Anfrage zum Leipziger Wohnungsbestand der CG-Gruppe hatte die Linke-Stadträtin Juliane Nagel freilich schon am 4. September gestellt.
Denn in Leipzig wird zwar gebaut, entstehen auch um die 2.000 Wohneinheiten pro Jahr. Doch die meisten entstehen im hochpreisigen Segment, das sich Leipziger Durchschnittsverdiener nicht leisten können. Und sie entstehen immer öfter auch in Quartieren wie der Südvorstadt und Connewitz, wo sie höchst umstritten sind. Nicht so sehr wegen der möglichen Bewohner, die sich die Mieten ab 10 Euro leisten können, sondern durch den Aufwertungseffekt.
Denn diese neuen Wohneinheiten erhöhen schon kurzfristig das mittlere Mietpreisniveau im Ortsteil. Und so mancher fürchtet dann logischerweise, dass er sich die Wohnung im „Szene-Kiez“ bald nicht mehr leisten kann.
Die „Vorbilder“ aus München und Berlin, wo diese Verdrängung schon seit Jahren sichtbar ist, sind dabei nicht gerade beruhigend.
Und die Vermutung hinter der jüngsten Anfrage von Linke-Stadträtin Juliane Nagel: Wenn große Immobilienfirmen immer größere Wohnungsbestände in einer Stadt wie Leipzig bauen oder auch ankaufen, dann wächst auch ihre Marktmacht. Dann bestimmen ihre Bestände immer stärker die Entwicklung der Mietpreise. Deshalb fragte sie im Mai schon nach den Wohnungsbeständen von Vonovia in Leipzig. Die Antwort damals aus dem Baudezernat: „Gemäß Geschäftsbericht 2018 von Vonovia SE besitzt das Unternehmen in Leipzig einen Bestand von 9.191 Wohneinheiten.“
Zur Ratsversammlung am 19. November hat Juliane Nagel nun auch die Antwort zum Engagement der CG-Gruppe in Leipzig bekommen. Oder auch nicht. Diesmal gab es keine konkreten Zahlen. Bei ihren Anfragen zu Deutsche Wohnen und Vonovia hatte die Verwaltung in Rückgriff auf die Veröffentlichungen der jeweils börsennotierten Unternehmen noch Angaben zu den Wohnungsbeständen gemacht. Anders bei der CG-Gruppe.
So hieß es in der Antwort zur Ursprungsanfrage im September 2019: „Der Stadt Leipzig liegen keine Daten über den Immobilien- und Wohnungsbestand von CG in Leipzig vor. Auch der Geschäftsbericht der Consus Real Estate AG, deren Tochter die CG ist, gibt darüber keine Auskunft. Der Stadt Leipzig liegen ebenso keine über die Bauverfahren hinausgehenden Informationen darüber vor, wie viele Wohnungen CG zu bauen plant.“
Ein paar Angaben hat das Baudezernat doch gemacht: „Das Stadtplanungsamt hat im Rahmen der Beratungen zu Bauvorhaben – jenseits des Eutritzscher Freiladebahnhofs (ca. 2.200 Wohnungen) – Kenntnis von geplanten Bauvorhaben mit insgesamt über 750 Wohnungen in Leipzig. Es liegen mehrere Bauanträge und auch Baugenehmigungen vor.“
Aber der Blick auf die Homepage der CG-Gruppe zeigt natürlich, dass der Immobilienentwickler, der ja schon seit Jahrzehnten in Leipzig tätig ist, über deutlich mehr Wohnungsbestände verfügt.
Auf die aktuelle Anfrage, die die Zahl der Grundstücke der CG bzw. der Consus Real Estate AG erfragt, werde es aber gar keine Antwort geben, befürchtet Juliane Nagel. Laut Hausmitteilung der Stadtverwaltung handele es sich dabei um eine „Ausforschungsfrage“, die keinen konkreten Sachbezug habe. Zudem seien diese Informationen nur bei berechtigtem Interesse zu erlangen.
„Ich bin schon verwundert, dass die CG-Gruppe ihre Immobilienbestände in Leipzig nicht offenlegt“, erklärt die Linke-Stadträtin dazu. „In der eindrucksvollen Dokumentation ,Ungleichland – Wie aus Reichtum Macht wird‘ heißt es doch, dass CG in Leipzig jede dritte neue Wohnung baut. Worin besteht das Problem, Transparenz herzustellen, Herr Gröner, Transparenz darüber, welche Marktmacht die CG-Gruppe-Aktiengesellschaft in Leipzig bereits hat? Ich finde es unglaublich, dass den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt nicht offengelegt wird, wem die Stadt gehört! Dafür kann die Stadtverwaltung allerdings am wenigsten.“
Ein zentrales, öffentlich einsehbares Immobilienregister sei nötig, fordert Juliane Nagel: „Mit ihm sollen neben den Eigentumsverhältnissen auch die dahinterstehenden tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigungen insbesondere von juristischen Personen transparent gemacht werden. Es geht hierbei nicht allein um die Offenlegung der Eigentumsverhältnisse an Immobilien (Gebäude und Grund und Boden), über die Unternehmen verfügen, sondern auch um den Schutz vor Geldwäsche und Steuertricks. Realisierbar wäre ein solches Immobilienregister, indem die Grundbuchämter verpflichtet werden, zusätzlich zum Grundbuch die juristischen und wirtschaftlichen Eigentums- bzw. Beteiligungsverhältnisse an Wohnraum von Privatpersonen, Personen- sowie Kapitalgesellschaften sowie Stiftungen zu dokumentieren, wie es auch der Deutsche Mietertag fordert.“
Denn da bezahlbares Wohnen ja eigentlich eine Grundversorgung ist, die Städte gewährleisten müssten, wäre es nur folgerichtig, wenn auch sichtbar ist, wem die großen Wohnungsbestände in einer Stadt eigentlich gehören.
Ein Vorbild sieht Juliane Nagel dafür schon in einer Recherche-Website des Berliner „Tagesspiegel“.
Juliane Nagel: „Beispielhaft für Transparenz sorgt beispielsweise das Projekt von Tagesspiegel und dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. ,Wem gehören die Häuser, in denen wir leben?‘, war die Frage, der die beiden Medien gemeinsam mit den Berliner Bürgerinnen und Bürgern auf den Grund gingen. Höchste Zeit, dieser Frage auch in Leipzig nachzugehen.“
Die Rechercheseite „Wem gehören die Häuser, in denen wir leben?“
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