Sein letztes Arbeitsprogramm hat Burkhard Jung kurz nach seiner Wiederwahl zum OBM 2013 vorgelegt. Das reichte bis 2020, enthielt aber über 100 Einzelprojekte, so viele, dass selbst Jung manchmal die Übersicht verlor. Also sollte das neue Arbeitsprogramm etwas kompakter werden. Am Mittwoch, 18. September, stellte es Jung kurz vor der Ratsversammlung vor.
Eigentlich ist ja die Zukunft schon festgezurrt. Die Weichen hat der Stadtrat selbst gestellt, als er das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) beschloss. Da steht drin, was Leipzig an Schulen braucht, wo es bei Mobilität, bei Stadtteilentwicklung und Klimaschutz hingehen soll. Aber natürlich ist das ein fettes Arbeitspapier, an dem im Rathaus hunderte Mitarbeiter jeden Tag arbeiten. Kaum greifbar, weil alles zugleich passiert.
Schon 2013 versuchte Jung deshalb ein paar markante Projekte herauszufiltern, die auch für die Bürger sichtbar gemacht hätten, was alles schon geschafft wurde. Denn das wird nun einmal sichtbar, wenn man markante Punkte abhaken kann.
Aber wie gesagt: Da verlor selbst der OBM die Übersicht. Deshalb gab Jung seinen sieben Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern den Auftrag, diesmal nur jeweils fünf Maßnahmen zu nennen. Also gab es 35 Vorschläge, die dann eigentlich auf 20 eingedampft werden sollten. Am Ende wurden es dann doch 30, die auf den Punkt bringen sollen, was in der jetzt beginnenden Stadtratsperiode bis 2023 geschafft werden soll. Es sind also so eine Art Leuchtsignale am Rand, die zeigen, wohin es gehen muss, damit Leipzig zukunftsfähig bleibt.
Acht Projekte beschäftigen sich zum Beispiel allein mit Lebensqualität, indirekt eben auch mit dem Klimawandel.
Leipzig kohlefrei, Florentiner Verhältnisse, neue Stadtviertel und Naturkundemuseum
Das geht mit der klimaneutralen Stadt los, die schon mit mehreren Stadtratsbeschlüssen Gestalt annimmt – allen voran der Beschluss, dass Leipzig 2023 den Fernwärmeliefervertrag mit dem Kohlekraftwerk Lippendorf beendet. Aber zur Klimaanpassung gehören – so Jung – auch grüne Dächer und begrünte Hausfassaden. Ihn hat schon sehr beeindruckt, dass Leipzig 2018 ein Jahr erlebte, das mit den Durchschnittstemperaturen schon 2,2 Grad über dem Referenzwert lag. „Was ja auch bedeutet, dass ab 2040 alle Jahre so heiß werden wie 2018“, sagt Jung. „Das bedeutet einen völlig anderen Umgang mit Wasser. Das sind Florentiner Verhältnisse.“
Und deshalb steht als Nr. 3 auch die Öffnung der Pleiße als Projekt im Arbeitsprogramm.
Dabei plant die Stadt tatsächlich, die Pleiße nicht nur nördlich der Feuerwache zu öffnen, sondern in den Jahren 2023 bis 2028 auch bis zur Parthe im Zoo zu verlängern. Der Abschnitt an der Lampestraße soll 2024 bis 2026 geöffnet werden und der Abschnitt Wundtsttaße 2025 bis 2027.
Manches im Arbeitsprogramm wird schon sehr konkret, auch wenn die 10,4 Millionen Euro in diesem Fall viel zu gering erscheinen.
Die Geldfrage wird vieles entscheiden von dem, was möglich sein wird. Und vieles wird ohne Förderung durch Bund und Stadt nicht gehen.
So (Projekt Nr. 4) auch das neue Naturkundemuseum, ein Projekt, bei dem auch Burkhard Jung vor drei Jahren schon glaubte, es sei endlich in Sack und Tüten. Bis dann die Kostenexplosion in der Halle 7 der Spinnerei für ein Stopp sorgte. Die Standortfrage ist wieder offen. „Wir wollen das 2020 klären“, sagt Jung. Und auf einmal sind die drei alten Standortvarianten wieder im Rennen, die man schon fast abgeschrieben hatte – der alte Standort an der Lortzingstraße, das Alte Stadtbad und sogar das ehemalige Bowlingcenter am Wilhelm-Leuschner-Platz. 1,7 Millionen Euro sind für die neue Standortsuche eingeplant.
Ein richtig dicker Brocken, der jede Menge Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird, wird der neue Stadtteil Heiterblick-Süd, schon seit DDR-Zeiten als „Kiebitzmark II“ für Wohnbebauung vorgesehen. Hier möchte die Stadt Wohnungen für 5.000 Menschen bauen – möglichst billiger als sonst üblich. Was nach Thorsten Rupp, Abteilungsleiter Stadtplanungsamt, dadurch möglich ist, da Leipzig den Boden nicht erst kaufen muss – er gehört schon der Stadt.
Und Rupp will hier serielles Bauen umsetzen lassen. „Das können nur wenige“, sagt er. Schon 2020 soll es den Aufstellungsbeschluss mit Bebauungsplan geben, gebaut werden soll ab 2023.
Und so nebenbei deutete er an, dass es bei den anderen beiden Wohnungsbauprojekten am Bayerischen Bahnhof und am Eutritzscher Freiladebahnhof tatsächlich vorangeht. Vorangehen muss. Die neue Bevölkerungsprognose ist zwar noch in Arbeit und Burkhard Jung rechnet – mit dem abgeschwächten Bevölkerungswachstum – auch nicht mehr mit 720.000 Einwohnern im Jahr 2030. Aber Zahlen von 660.000 bis 680.000 Einwohnern hält er für durchaus realistisch.
Und für Burkhard Jung fast ein Stück New York in Leipzig ist der „Parkbogen Ost“, der als Projekt Nr. 6 unter „Lebensqualität“ ins Arbeitsprogramm kam. Zwar werden jetzt erst einmal die 100 Jahre alten Steinbögen des Sellerhäuser Bogens saniert. Aber ab 2023 soll der Parkbogen realisiert werden, sodass man dann irgendwann über den Dächern von Sellerhausen spazieren und Rad fahren kann. Wie in New York.
Beim Thema „Nachhaltige Mobilität“ gibt es ja schon den Stadtratsbeschluss von 2018 zum „Nachhaltigkeitskonzept“. Jetzt warten alle natürlich darauf, dass die Stadt die Fortschreibung des Nahverkehrsplans und den Maßnahmenplan fürs Mobilitätskonzept vorlegt – alles noch in diesem Herbst.
Neue Großsporthalle, Matthäikirchhof, ein neues Forum Recht und die OB-Wahl 2020
Ein wichtiges Großprojekt für Jung wird auch die Großsporthalle für 15.000 Besucher. „Die Arena reicht für große Wettbewerbe wie die Handball-WM nicht mehr aus“, sagt Jung. Also soll auf dem Gelände der Alten Messe eine neue Großsporthalle entstehen. Baubeginn möglicherweise 2025, Fertigstellung 2027.
Auch das Freiheitsforum auf dem Matthäikirchhof steht mit im Arbeitsprogramm. Die Wettbewerbe dazu soll es 2021 bis 2023 geben. Und Jung rechnet fest damit, dass der Bund seine Finanzierungszusagen einhält. „Sonst wird das nämlich nichts“, so Jung. Baubeginn möglicherweise 2024. Die Jahre bis 2023 werden also bei vielen Projekten mit Planung, Beantragung und Stadtratsdiskussionen draufgehen. Und da der Stadtrat jetzt neu zusammengesetzt ist, rechnet Jung bei manchen Projekten mit durchaus kontroversen Diskussionen. Aber auch er akzeptiert: „Der Stadtrat hat das letzte Wort.“
Ein Projekt nimmt dabei schon Konturen an – das „Forum Recht“, das vom Bund an den beiden Standorten Karlsruhe und Leipzig gefördert wird. In Leipzig soll es auch einen Neubau für die Juristenfakultät der Uni Leipzig mit einschließen. Entstehen soll es auf der Nordseite des Wilhelm-Leuschner-Platzes. Und da fällt einem natürlich auch das Problem der Verwaltung ein, die bis jetzt verstreut übers ganze Stadtgebiet ist und in der Prager Straße ein Technisches Rathaus nur zur Miete hat.
Aber noch sei man verwaltungsintern nicht einig, ob man die Verwaltung nun in einem Neubau (z. B. am Wilhelm-Leuschner-Platz) konzentriert, oder ob es überhaupt ein Neubau werden soll, eine Art „Soziales Rathaus“, wie Jung sagt. Einen Vorschlag, wie sich die Stadt für die Verwaltungsunterbringung aufstellen will, soll es noch im Herbst 2019 geben.
Man merkt Jung an, dass er durchaus wieder Lust ausstrahlt, die wachsende Stadt Leipzig auch in den nächsten Jahren zu gestalten. Im Februar ist ja die nächste OBM-Wahl, zu der er seine Kandidatur schon angekündigt hat.
Und bei einigen Themen – wie beim Kita-Bauen – deutet sich für 2020 zumindest endlich eine Entspannung an. Bei Schulen noch lange nicht. Matthias Kaufmann, Amtsleiter Liegenschaftsamt, brachte es am Mittwoch schön auf den Punkt, was eigentlich das Leipziger Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre um 100.000 schon bedeutet. „Das ist die Einwohnerzahl von Jena, die wir da eben so mal aufgenommen haben“, sagt er.
So gesehen versteht man Jungs Erleichterung, wenn er für die Umsetzung auch der Leipziger Pflichtaufgaben etwa beim Schulen-, Straßen- und Brückenbau ein bisschen Zeit gewonnen hat.
Der Stadtrat tagt: Die konstituierende Sitzung im Livestream und anschließend als Aufzeichnung
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