Am Mittwoch, 22. Mai 2019 ging alles ziemlich schnell. Zu Beginn der Stadtratssitzung wurden ganze zehn Beschlusspunkte in einem Zug auf Antrag der CDU mit der Zustimmung aller anderen Fraktionen außer der Linken von der Tagesordnung genommen. Warum genau, blieb reichlich unklar, vom Drängen auf Absetzung der hier enthaltenen Aufstellungsbeschlüsse für verschiedene Stadtgebiete Leipzigs für eine soziale Erhaltungssatzungen seitens OB Burkhard Jung und Baudezernentin Dorothee Dubrau war die Rede. Und die Linksfraktion sah den Milieuschutz kurz vor der Kommunalwahl am 26. Mai unterlaufen.
Nach dem Beitrag auf der L-IZ.de blieben reichlich Fragen offen, vor allem, da es zu den Gründen Absetzung der Erhaltungssatzungsanträge keine öffentliche Erläuterung seitens der Verwaltung in der Ratssitzung gab. Wieso hatte vor allem Bürgermeisterin Dorothee Dubrau also darauf gedrungen, die Aufstellungsbeschlüsse zu vertagen? Von fehlenden Machbarkeiten war zu hören. Und von der kommenden Wahl, die den Stadtrat neu zusammensetzen wird.
Die Gründe für die Vertagung am Mittwoch liegen jedoch tiefer, teils haben sie mit den bislang angenommenen Gründen nichts zu tun, wie Dorothee Dubrau auf L-IZ-Nachfrage hin erläutert.
Vor allem geht es darum, dass es bei Beschluss der 10 Tagesordnungspunkte am Mittwoch zu einer Art Baustopp in allen gesamt 11 betroffenen Gebieten gekommen wäre, welche eventuell von einer sozialen Erhaltungssatzung betroffen sein könnten. Die Definitionen, was jedoch genau als Kriterien für neue Fahrstuhleinbauten, Balkone, Heizungen etc. gelten sollen, um zu starke Preisanstiege bei den Mieten zu unterbinden, seien noch zu unklar. So finde noch immer die Auswertung der Bürgerbefragung zu diesen Themen statt, aus manchen Gebieten liegen auch noch immer zu wenige Rückmeldungen vor.
„Bereits Anfang 2019 haben wir mitgeteilt, dass wir ein Quartal länger benötigen werden, um hier eine Satzung hinzubekommen“, so Dubrau. Mit der Wahl am Sonntag habe dies auch nichts zu tun, der „alte“ Stadtrat tage eh bis zur Konstituierung des neuen Stadtrates mindestens noch einmal im Juni 2019.
Am gewichtigsten sieht die Baudezernentin jedoch im Gespräch mit der L-IZ.de das Problem an, dass bei diesem derzeitigen Zustand bei einem Baustopp nicht nur jede Menge (teils unnötige) Verwaltungsarbeit auf die Stadt Leipzig zugekommen, sondern im Zweifel auch mit einer Flut an Klagen gegen dieses amtliche Handeln gefolgt wären. Zudem sei ja noch immer unklar, für welche Stadtgebiete letztendlich die sozialen Erhaltungs- oder „Milieuschutzsatzungen“ gelten würden. Jetzt also Baustopps auch für Sanierungen in Stadtgebieten auszulösen, die später gar nicht zu den Sondergebieten gehören, in welchen man der sozialen Entmischung auf baurechtlichem Wege beikommen will, würde den Klägern gegen die zu erlassenden Baustopps quasi zusätzlich recht geben.
Zum weiteren Ablauf konnte Dubrau bereits so viel voraussehen: „Am 9. Juli 2019 müssen die Unterlagen zur Leipziger Erhaltungssatzung fertig sein. Am 3. September 2019 geht dann der Satzungsentwurf in die Dienstberatung des OB und einen wirklichen Beschluss über die Satzung selbst und die entsprechenden Gebiete bekommen wir dann wohl im 4. Quartal 2019 hin. Je nachdem, wie lange dann der Stadtrat darüber berät.“
Das wird dann allerdings definitiv der neu gewählte Rat sein.
Auch wenn dann kein Wahlkampf mehr ist und SPD, Linke und Grüne in jedem Fall den Milieuschutzregelungen zustimmen wollen, sollte wohl gelten: werden große Vorhaben von der Tagesordnung genommen, sollte dazu dennoch eine öffentliche Aussprache im Rat erfolgen. Hinterzimmergespräche – und seien sie noch so gut begründet – helfen da im Verständnis wenig weiter.
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“Am gewichtigsten sieht die Baudezernentin jedoch im Gespräch mit der L-IZ.de das Problem an, dass bei diesem derzeitigen Zustand bei einem Baustopp nicht nur jede Menge (teils unnötige) Verwaltungsarbeit auf die Stadt Leipzig zugekommen, sondern im Zweifel auch mit einer Flut an Klagen gegen dieses amtliche Handeln gefolgt wären.”
Nein, das prozessuale Problem (und damit das einer Sättel festen Satzung) hätte sich anders lösen lassen.
Darüber hinaus liegen für den an die Wand gemalten Baustop keinerlei Anhaltspunkte vor. Kann sein, daß sich die Stadt in einigen geheim gehaltenen Fällen so dilettantisch verhalten hat wie bei Gröner.
Ja, sehe ich genauso. Aber wenn ich weiß, daß ich nicht genügend Leute dafür habe, muß ich mir welche ranholen. Groß ankündigen und dann verschieben ist kontraproduktiv. Mindestens.
Mit einer sattelfesten, rechtssicheren Satzung kann man es durchziehen. So zumindest nun meine Kenntnis nach dem Telefonat mit Dorothee Dubrau.
Ja, aber das man keine Kapazitäten hat, es durchzuziehen, sollte man es nicht ankündigen. Denn das Ankündigen allein wirkt preistreibend. Und das wußten sie alle. Also: Siehe oben.
Kurzer Hinweis. Die Gefahr der Klagen gegen die Stadt fand ich dennoch recht überzeugend. Und ehrlicherweise wird es so auch logischer, als noch kurz nach der Ratsversammlung, wo es irgendwie diffus war, dass ausgerechnet SPD und Grüne auch der Absetzung zustimmten – obwohl sie im Kern nichts gegen die Milieuschutzsatzung haben?
Das ist keine Erklärung, das ist eine Demaskierung: Keine Leute für die Umsetzung!
Das weiß man vorher. Und man könnte dafür sorgen, daß man genug Leute dafür hat. So, wie es jetzt läuft, ist es entweder totale Unfähigkeit oder bewußtes torpedieren.
1. in den Sitzungen der Stadtbezirksbeiräte (SBB) fanden Beratungen statt und es wurden Beschlüsse gefasst.
2. diese wurden an die Fraktionen der Parteien im Stadtrat weitergeleitet.
3. die Fraktionen sind ganz offensichtlich diesen Empfehlungen nicht gefolgt.
das heißt: Es wurde ein basisdemokratisches Grundelement der leipziger Stadtgesellschaft schwer beschädigt, nein es wurde vorgeführt und als demokratisches “Deckmäntelchen” ausgewiesen. Allen Mitarbeitern in den ehrenamtlich tagenden SBB wird hier in den H… getreten.
So wird Demokratie nachhaltig beschädigt und gibt denjenigen ein Argument, die sagen: Die machen doch sowieso was sie wollen! oder gar denen die diese Demokratie abschaffen wollen. So etwas nennt man Steigbügelhalter für Antidemokraten.
Auch diese Erklärung von Frau Dubrau hilft im Verständnis wenig weiter. Ein Bau- oder Sanierungsstopp in den potentiellen Erhaltungsgebieten hilft vor allem den jetzigen Mietern (die in der Erkläung von Frau Dubrau gar nicht vorkommen),diese sind überwiegend mit dem Sanierungsstand ihrer Wohnungen zufrieden. Den Neubau betreffen die Satzungen gar nicht, man könnte sogar sagen, durch Aufschub der Sanierungen wird Geld für Neubau frei- eine-win-win-Situation? Was ich mindestens von der Verwaltung erwarte ist endlich eine Anlaufstelle für von Entmietungsabsichten betroffene Mieter zu schaffen. Aus Erfahrung kann ich sagen, der Mieterverein leistet außer der Unterstützung durch eine preisgünstige Rechtsschutzversicherung, wenig.