Da braut sich Ärger zusammen. Leipzigs Verwaltung steckt noch immer im Spardenken der Vergangenheit, als auch bei der Personalausstattung drauflosgespart wurde, dass es richtig wehtat. Auch im Bereich der Jugendhilfe, wo sich schon seit Jahren Nachholbedarf abzeichnet. Weshalb sich gleich drei Fraktionen zusammengetan haben, um hier endlich ausreichend Geld zu beantragen. Doch die Verwaltung stellt sich im neuen Doppelhaushalt stur.

Denn im jetzt vorgelegten Ansatz im Haushaltsplanentwurf ist die beantragte Erhöhung in keinerlei Hinsicht herauszulesen.

„Trotz einstimmiger Entscheidungen im Jugendhilfeausschuss zur Neudefinition der Fachstandards in den einzelnen Leistungsbereichen der Kinder- und Jugendhilfe, vollzieht die Verwaltung das Gegenteil des politischen Auftrages“, kommentiert Michael Schmidt, Stadtrat und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion B90/ Die Grünen, den Zustand.

„Statt endlich eine deutliche Erhöhung des Jugendhilfebudgets vorzunehmen, um für die vom Jugendhilfeausschuss beschlossene personelle Stärkung der Angebote, Projekte, der Medien-, Familien- und Jugendangebote zu sorgen, verweigern Finanzbürgermeister Bonew und Oberbürgermeister Jung schon im Ansatz auch nur kleinste Verbesserung der strukturellen und pädagogischen Arbeit.

Das Budget einfach ohne jegliche Dynamisierung fortzuschreiben und zusätzlich noch bislang außerhalb des Budgets finanzierte Projekte dort reinzustopfen, empfinde ich nicht nur als Affront gegen die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses, sondern gegen die Freien Träger der Jugendhilfe im Ganzen.“

Mit SPD- und Linksfraktion hatte man die überfällige Budgeterhöhung gemeinsam beantragt.

Und auch die SPD-Fraktion betonte jetzt noch einmal, dass sie hinter der deutlichen Aufstockung der Mittel für die Jugendhilfe steht. Das von der Verwaltung hierfür vorgesehene Budget ist deutlich zu gering, um vor allem Kostensteigerungen abzudecken. Was dazu führen würde, dass Einrichtungen der Jugendhilfe geschlossen und wichtige Angebote wegbrechen würden.

„Wir wollen nicht zulassen, dass es zur Schließung von Jugendeinrichtungen oder einer starken Ausdünnung der Angebote für Jugendliche kommt“, erläutert SPD-Fraktionschef Christopher Zenker. „Um das zu verhindern, haben wir einen Haushaltsantrag gestellt, der eine Anhebung der Mittel für 2019 um 3 Millionen Euro und für 2020 um 3,5 Millionen Euro vorsieht.“

Christopher Zenker (SPD). Foto: L-IZ.de
Christopher Zenker (SPD). Foto: L-IZ.de

Im März 2018 wurden neue Fachstandards für die Jugendhilfe beschlossen, um die Qualität der Arbeit zu verbessern, aber neben allgemeinen Kostensteigerungen bei den Freien Trägern, die sich unter anderem auch durch Tariferhöhungen ergeben, führt dies dazu, dass der Finanzbedarf der Jugendhilfe deutlich gestiegen ist.

„Darauf müssen wir reagieren“, sagt Zenker. „Wir wollen qualitativ gute Angebote und fair entlohnte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Großteil der zusätzlichen Mittel wird daher vorrangig dazu dienen, die genannten Kostensteigerungen für Fachstandard und Tariferhöhungen abzufangen.

Wir müssen allerdings auch auf das aktuelle Bevölkerungswachstum reagieren: Durch die steigende Zahl von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unserer Stadt werden auch die Leistungen und Angebote der Jugendhilfe stärker nachgefragt. Um die niederschwellige Verfügbarkeit dieser Angebote erhalten zu können und das nicht auf Kosten der Qualität zu tun, ist auch ein maßvoller Ausbau der Jugendhilfeangebote notwendig.“

Und die Grünen betonen: In den Diskussionen zu den Fachstandards wurde aus guten Gründen häufig von Mindeststandards gesprochen, da in zahlreichen Projekten und offenen Angeboten nach Jahren der Sparpolitik weniger pädagogisches Personal vorhanden war, als für zwingend notwendig erachtet wurde, um überhaupt die gewünschten Hilfeziele erreichen zu können.

Am 11. Dezember 2017 und am 26. März 2018 wurden daher im Jugendhilfeausschuss die Fachstandards für die Bereiche der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, Kinder- und Jugendkulturarbeit, Familienbildung, Mobile Jugendarbeit/Streetwork, Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz, Internationale Jugendarbeit, Arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit/Jugendberufshilfe, Jugendberatung, Jugendverbandsarbeit und Jugendmedienarbeit beschlossen.

Dazu kommen die beiden vom Stadtrat beschlossenen und bislang außerhalb des Budgets der Kinder- und Jugendhilfe finanzierten Projekte „Jugendwohnen“ und „Beschwerde-/Ombudsstelle für Klientinnen der Hilfen zur Erziehung“. Die sollen künftig mit aus dem vorhandenen Budget gefördert werden. Bei gleichbleibender Gesamtfördersumme würde das zwangsläufig nur bei Kürzung in anderen Angeboten realisiert werden können.

Michael Schmidt (B90/ Die Grünen). Foto: L-IZ.de
Michael Schmidt (B90/ Die Grünen). Foto: L-IZ.de

Die Mehrkosten für den städtischen Haushalt wurden inklusive notwendiger Dynamisierungen durch Tariferhöhungen und Betriebskostensteigerungen auf jährlich 3 Millionen Euro geschätzt. Einen entsprechenden Änderungsantrag zum Doppelhaushalt 2019/20 haben sowohl die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Linke und SPD sowie unabhängig davon auch die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses eingereicht.

„Jährlich sehen wir zu, wie sich die Kosten bei den Hilfen zur Erziehung erhöhen und mittlerweile einen Anteil am Gesamthaushalt einnehmen, der besorgniserregend ist. Wir müssen dem natürlich zwingend mit deutlich mehr passgenauen und in ausreichender Anzahl vorhandenen stationären und ambulanten Angeboten begegnen“, betont Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.

„Dies muss aber zwingend parallel zu einer Qualitäts- und Quantitätsoffensive im Bereich der Prävention stattfinden! Die Strukturen weiter kaputtzusparen ist unverantwortlich, da wir mit einer ausschließlich auf Schulbau und ansonsten auf Sparpolitik ausgerichteten Haushaltsplanung auf eine sozialpolitische Spaltung der Stadtgesellschaft zulaufen, die Probleme verschlimmern, statt sie endlich anzugehen.“

Und die gemeinsame Forderung von Schmidt und Krefft: „Wir müssen endlich mit Nachdruck in die präventive Kinder-, Jugend und Familienarbeit investieren, das heißt in Einrichtungen, in Projekte, in Köpfe. Wir müssen die Kinder und Jugendlichen fit machen für ein selbstbestimmtes Leben und auch Familien unterstützen, ihre Kinder optimal auf das Leben in unserer immer komplexeren digitalisierten und globalisierten Gesellschaft vorzubereiten. Deshalb fordern wir Oberbürgermeister Jung auf, die Blockadehaltung endlich zu beenden und die notwendigen Rahmenbedingungen für die Jugendhilfe dieser Stadt bereitzustellen!“

Ergänzung, 4. Dezember:

„Die Stadtverwaltung hat es versäumt, bei der Haushaltsaufstellung das Budget für die Förderung der Freien Träger der Jugendhilfe an die steigenden Bedarfe und Qualitätsstandards anzupassen, und macht die Kinder- und Jugendhilfe damit wieder zum Spielball der Politik“, kommentiert auch Juliane Nagel, jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion, dieses auffällige Versäumnis der Stadtverwaltung.

Mit 11,6 Mio. Euro bewegt sich der städtische Haushaltsansatz für die Jahre 2019/20 auf dem Niveau der Vorjahre 2017/18. Keine Berücksichtigung fanden dabei

– die steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen – die Jugendquote entwickelte sich in den letzten Jahren von ca. 18 auf 20, 5 % ,
– die vom Jugendhilfeausschuss einstimmig verabschiedeten Mindest-Qualitätsstandarts, welche einen Mehrbedarf an Personal- und Sachkosten mit sich bringen
– sowie die Tarifanpassung, welche ebenfalls zu höheren Personalkosten führen.

Juliane Nagel (Linke) will rechte Verlage zur Buchmesse verhindern. Foto: L-IZ.de
Juliane Nagel (Linke) will rechte Verlage zur Buchmesse verhindern. Foto: L-IZ.de

„Die Kinder- und Jugendhilfe darf nicht länger das 5. Rad am Wagen sein. Neben Kitabetreuung und Schule ist sie ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu selbstbestimmten Persönlichkeiten. Die Angebote der Kinder und Jugendhilfe wirken in hohem Maße präventiv.

Sie bieten Halt und Freiraum in Zeiten wachsender Anforderungen. Gleichzeitig lindern sie die Folgen sich verhärtender Armutslagen und stehen jungen Familien und jungen Menschen mit ihren wachsenden Unterstützungsbedarfen zur Seite“, betont die Stadträtin der Linken.

Nach derzeitigen Planungen stehen zirka 30 Projekte der Kinder- und Jugendhilfe vor der Schließung.

„Die Linksfraktion hat darum gemeinsam mit den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD einen Haushaltsantrag gestellt, der die Erhöhung des Budgets um 3 Mio. für 2019 und 3,5 Mio. Euro für 2020 begehrt“, so Juliane Nagel.

„Ohne diese notwendige Erhöhung sind herbe Einschnitte in der Angebotspalette zu erwarten. Wir fordern die Stadtverwaltung daher auf, das Angebot der Fraktionen aufzunehmen und verantwortungsvoll mit den wichtigen und notwendigen Angeboten für Kinder und Jugendliche in dieser Stadt umzugehen.“

***

Auszug aus dem öffentlichen Protokoll des Jugendhilfeausschusses vom 26.03.2018

Herr Ulrich führt in das Thema ein und informiert, dass die Fachstandards Jugendverbandsarbeit und Jugendmedienarbeit im gemeinsamen Unterausschuss Finanzen und Jugendhilfeplanung vorberaten wurden. Bei den Fachstandards für den Leistungsbereich Jugendverbandsarbeit bestand zwischen der Verwaltung und dem Facharbeitskreis ein Konsens. Die Abstimmung im Unterausschuss erfolgte ebenfalls einstimmig.

Herr Ulrich bringt die Fachstandards für den Leistungsbereich Jugendverbandsarbeit zur Abstimmung:Votum: einstimmig

Bei den Fachstandards für den Leistungsbereich Jugendmedienarbeit besteht ein Dissens bei der Festlegung „Notwendig ist die personelle Untersetzung mit 3 VZÄ“. Die Verwaltung empfiehlt keine Aussage zu den VZÄ in die Fachstandards aufzunehmen. Im Unterausschuss wurden Vertreter des Fach-AK angehört.

Der Unterausschuss schlägt einen Kompromiss zur Abstimmung vor, welcher die fachliche Relevanz des Leistungsbereiches mit der realistischen finanziellen Machbarkeit verbindet. Zur Abstimmung kam im Unterausschuss folgende Festlegung zu den VZÄ: „Notwendig ist die personelle Untersetzung mit mindestens 2 VZÄ“. Das Abstimmungsergebnis war einstimmig.

Herr Sommer gibt zur Kenntnis, dass bei der Bestätigung der 2 VzÄ bei den jetzt aktuell 4 vorliegenden Projekten ein Mehrbedarf von 100.000 Euro besteht.

Herr Ulrich bringt die Ergänzung: „Notwendig ist die personelle Untersetzung mit mindestens 2 VZÄ.“ zur Abstimmung:Votum: einstimmig

Herr Ulrich bringt die Fachstandards mit der bestätigten Ergänzung für den Leistungsbereich Jugendmedienarbeit zur Abstimmung:
Votum: einstimmig

Auszug aus dem öffentlichen Protokoll des Jugendhilfeausschusses vom 11.12.2018

Herr Ulrich stellt das Prozedere zur Erstellung der Fachstandards vor.
Er ruft die Fachstandards einzeln auf und bringt die einzelnen Dissenspunkte der Fachstandards als Änderungsantrag zur Abstimmung und danach die Fachstands für den Leistungsbereich.

Offene Kinder- und Jugendarbeit gemäß § 11 SGB VIII

Frau Dr. Voigt erläutert noch einmal den Hintergrund des Verwaltungsstandpunktes. Bei den vier hier abgebildeten Dissenspunkten betreffe es insgesamt einen 19,4 VzÄ Stellenmehrbedarf – dies entspricht über 1 Mio mehr, wenn man von einem VzÄ-Anfangsgehalt von 53 T€ in der S 12 ausgeht. Bei den OFT’s beträgt es 3,9 VzÄ.

Änderungsantrag:„Die Öffnungszeit sollte mindestens 24 Stunden/Woche an 4 Tagen/Woche umfassen und eine Öffnung der Einrichtung in den Nachmittags- und Abendstunden sowie am Wochenende und in den Ferienzeiten besonders berücksichtigen.“
Abstimmung: 12/ 1 / 0
Abstimmung der Fachstandards: 13/ 0 / 0

Kinder- und Jugendkulturarbeit gemäß § 11 SGB VIII

Änderungsantrag: „Mehr-Sparten-Einrichtungen/ ganz- und mehrjährige Projekte/Angebote und Ein-Sparten-Einrichtungen/ ganz- und mehrjährige Einspartenprojekte/Angebote sind mit mindestens 0,8 VzÄ hauptamtlicher Fachkraft je Sparte auszustatten.“
Abstimmung: 10/ 1 / 2
Abstimmung der Fachstandards: 12/ 0 / 1

Familienbildung gemäß § 16 SGB VIII

Änderungsantrag: „Um den hier vorgelegten Ansprüchen an Struktur und Qualität gerecht zu werden, wird eine per-sonellie Ausstattung in Höhe von 1,5 VzÄ für ein Familienzentrum bereitgestellt. Davon abwei-chende Bedarfe können im konkreten Fall verhandelt werden.“
Abstimmung: 13/ 0 /0
Abstimmung der Fachstandards: 13/ 0 / 0

Mobile Jugendarbeit/Streetwork gemäß § 13 SGB VIII

Änderungsantrag: „Qualifizierte Fachkräfte (mindestens 2,4 VzÄ je Team/Einrichtung/Projekt) in der Mobilen Jugendarbeit/Streetwork verfügen über einen sozialpädagogischen Hochschulabschluss.“
Abstimmung: 12/ 1 / 0
Abstimmung der Fachstandards: 13/ 0 / 0

Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz gemäß § 14 SGB VIII
Abstimmung der Fachstandards: 13/ 0 / 0

Internationale Jugendarbeit gemäß § 11 SGB VIII
Abstimmung der Fachstandards: 13/ 0 / 0

Arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit/Jugendberufshilfe gemäß § 13 SGB VIII
Abstimmung der Fachstandards: 13/ 0 / 0

Jugendberatung gemäß § 13 SGB VIII und § 11 SGB VIII
Abstimmung der Fachstandards: 13/ 0 / 0

Der Stadtrat tagt: Fraktionen fordern Verbesserungen im kommenden Haushalt + Video

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