Am Donnerstag, 1. November, hatten die Grünen ihre 74 Änderungsanträge zum Doppelhaushalt 2019/2020 vorgestellt. Und hernach entfaltete sich die Diskussion um die schiere Summe der Anträge. Die einen kamen auf 28 Millionen Euro im Jahr 2019 und 34 Millionen im Jahr 2020. Und die Frage steht natürlich im Raum: Woher soll Leipzig das nehmen? Das kommt doch nicht mal durch höhere Steuereinnahmen rein?

Ich selbst komme sogar auf knapp 32 Millionen Euro im Jahr 2019 und über 33 Millionen im Folgejahr.

Aber die schiere Dimension dieses Antragspakets erklärt sich natürlich nur im Detail. Einfach davon zu reden, das seien alles grüne Wunsch-Pakete, verfehlt wohl das Thema. Denn tatsächlich verrät die Antragsliste der Grünen, wo es in Leipzig seit Jahren klemmt. Es sind ja nicht nur Investitionen in Kitas, Schulen, Straßen, Brücken und ÖPNV, die seit Jahren sichtbar machen, dass Leipzig viel zu wenig Geld zur Verfügung hat, um all die Dinge zu tun, die selbst bei geringerem Wachstum dringend nötig sind.

Ständig werden Investitions-Zeitpläne überdehnt, werden Bauprojekte ins nächste Jahr verschoben oder werden gar nicht erst im Zeitplan angepackt, weil noch nicht einmal Vorplanungen exstieren. Und die Vorplanungen fehlen, weil die Planer fehlen. Viel zu lange hat die Verwaltung gezögert, genug Bauplaner einzustellen, um auch den Vorlauf für all die Bauprojekte zu schaffen.

Als es noch genug Bewerber gab, steckte Leipzig mitten in lauter Sparhaushalten, was praktisch einen Einstellungsstopp für diese Fachleute bedeutete. Und jetzt, wo man endlich ein paar Spielräume hat, ist der Markt leergefegt.

Und das ist nicht das einzige Thema, bei dem Leipzig die viele Jahre lang aufgezwungene Sparnot teuer auf die Füße fällt. Und die Tatsache, dass die Stadt im Grunde bis 2016 immer nur auf Sicht gefahren ist. Das war das Jahr, in dem das Amt für Statistik und Wahlen die Bevölkerungsprognose vorlegte, die ein Wachstum über 700.000 Einwohner bis 2030 für möglich hielt. Was nicht nur den OBM erschreckte.

Denn obwohl man – z.B. – schon ein dickes Schulbauprogramm hatte, bei dem man aber seit 2008 permanent im Hintertreffen war, stellte sich jetzt heraus, dass Leipzig eigentlich binnen weniger Jahre noch zusätzlich 40 Schulen würde bauen müssen.

Da hatte man ein Wachstum wie zuletzt im späten 19. Jahrhundert – aber weder fertige Pläne noch genug Geld.

Woran sich ja nichts geändert hat.

Und diese Klemme spiegelt sich in mehreren Haushaltsanträgen der Grünen, die eigentlich nur beziffern, was die Verwaltung selbst eigentlich beziffern müsste. Denn dahinter stecken einige der großen Posten, die dann die Antragssumme von über 30 Millionen Euro ergeben.

Das geht mit dem Straßenbaumkonzept los. Das ist ein Konzept des Umweltdezernats, vorgestellt wurde es 2016. 2017 beschwerte sich der Leipziger Ökolöwe massiv, dass das Konzept zwar vollmundige Versprechungen machte, aber nicht mit dem versprochenen Geld untersetzt war. Das ist genau die Ankündigungspolitik, die immer mehr Leipziger satthaben – es werden hübsche Konzepte aufgelegt. Aber für die Umsetzung wird kein Geld bereitgestellt.

1,5 Millionen Euro braucht das Programm pro Jahr, hatte der Ökolöwe ausgerechnet. Die Grünen beantragen jetzt 560.000 und 1,12 Millionen Euro.

Das nächste ist die Gründachstrategie. Die hat der Stadtrat beschlossen. Ist also auch nicht nur eine grüne Idee. Sie ist für die Klimaanpassung wichtig. Grüne Dächer mildern das Stadtklima – gerade in heißen Sommern wie dem von 2018. Aber obwohl das zugehörige Konzept der Verwaltung schon im Frühjahr vorliegen sollte, ist es immer noch nicht da. Es soll ein Förderkonzept sein, bei dem die Stadt Dachbesitzern hilft. Für 2019 sollen nach Wunsch der Grünen 500.000 Euro fließen, im Folgejahr 1 Million Euro.

Nächster großer Posten sind die Planungs- und Investmittel für die Mobilitätsstrategie. Die hat der Stadtrat im September beschlossen. Aber Geld dafür steht im Doppelhaushalt bislang nicht bereit. Die Grünen beantragen für jedes Jahr 1 Million Euro.

Ein richtig dicker Posten im Antragspaket der Grünen sind jeweils 5 Millionen Euro für den strategischen Grundstückserwerb. Darüber haben wir schon mehrfach geschrieben: In der Zeit, als Leipzig seinen Haushalt sanieren musste, hat die Stadt sogar viele wertvolle Flächen verkauft. Seit fünf Jahren ist klar, dass der Stadt auch deshalb wichtige Flächen für neue Schulen, Kitas, Schwimmhallen usw. fehlen. Sie muss also Flächen zukaufen. Die Grünen beschreiben hier eigentlich nur, was tatsächlich passieren muss.

Manchmal hat man in diesem Antragspaket das Gefühl, die Grünen sagen der Verwaltung einfach nur, was sie aus irgendwelchen Gründen einfach wieder weggelassen hat – obwohl sie all diese Dinge dringend finanzieren muss.

Das geht mit den wohnungspolitischen Instrumenten weiter. Wenn die Stadt Erhaltungssatzungen für einige Wohnquartiere erlassen will – und das will sie ja – dann reicht da kein schönes Ortseingangsschild mit den schönen Worten „Hier gilt die soziale Erhaltungssatzung“. Dann braucht es dafür Leute, die die Richtlinien der Erhaltungssatzung auch umsetzen und durchsetzen. Sonst bleibt es ein zahnloser Tiger.

Mit 1 Million Euro für das Stadtplanungsamt geht es weiter. Wenn dort Planungsvorlauf für wichtige Großprojekte entstehen soll, wird man Planungsbüros beauftragen müssen, die von der Machbarkeitsuntersuchung bis zur beschlussfähigen Planung alles fertig machen.

1 Million pro Jahr sollen auch zusätzlich in Schulsozialarbeiterstellen fließen. Die Anmeldungen dazu liegen längst vor. Die Schulen rufen händeringend nach Sozialarbeitern. Was sie nicht tun müssten, wenn Sachsen genug Lehrer eingestellt hätte.

Die Stadt muss also dort flicken und ausgleichen, wo die Sparpolitik des Freistaats ihre fatalen Folgen zeigt. Das trifft auch auf den nächsten Punkt zu. Im Jahr 2019 soll das Städtische Krankenhaus St. Georg 1 Million Euro, im Folgejahr 3 Millionen für die geplante Poliklinik in der Delitzscher Straße bekommen. Auch das St. Georg leidet darunter, dass der Freistaat den Topf für Krankenhausinvestitionen viel zu klein gemacht hat.

Und mit der Jugendhilfe steht Leipzig auch ziemlich allein da. Es gibt zwar immer mehr Kinder und Jugendliche in der Stadt – aber das bedeutet eben auch, dass es mehr Betreuungsfälle für Kinder und Jugendliche gibt. Was mehr Arbeit für die beauftragten Vereine der Jugendhilfe bringt. Das muss finanziert werden – mit 3 bzw. 3,5 Millionen Euro pro Jahr, schreiben die Grünen. Das Zahlenmaterial wird im Jugendhilfeausschuss längst heiß debattiert.

Und während alle Welt über den Neubau von Schulen diskutiert, wissen Lehrer und Schüler, dass es in vielen Schulen noch immer durch die Fenster pfeift, weil Leipzig seit Jahren nie genug Geld hatte, um es in die Sanierung der Bestandsschulen zu stecken. Hier beantragen die Grünen 3 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr.

Und auch bei Spielplätzen gibt es das Problem. Die Stadt baut zwar regelmäßig neue Spielplätze. Aber wenn die genutzt werden, gehen sie auch irgendwann kaputt. Hier braucht es also auch wieder Geld zum Bestandserhalt – 650.000 Euro beantragen die Grünen. Auch wissend darum, wie wichtig diese Spielplätze für die Familien im Ortsteil sind.

Was so ungefähr die größten Posten im Antragspaket der Grünen sind.

Über die Forderung der Freien Szene nach stärkerer Unterstützung mit 3,6 Millionen Euro im Jahr haben wir ja schon geschrieben. Diese Forderung haben die Grünen ja gemeinsam mit SPD und Linken aufgegriffen.

Allein die großen Posten machen also schon rund 20 Millionen Euro im Antragspaket für 2019 aus. Und sie erzählen vor allem davon, was eine Stadt wie Leipzig eigentlich zwingend investieren muss, um beim Bauen und Planen, im Sozialen und in der Kultur nicht noch weiter ins Hintertreffen zu geraten. Also eben auch von einer Stadt, deren Einnahmesituation immer noch unterirdisch ist. Jeder Posten, der dann im Stadtrat keine Mehrheit findet, bedeutet dann eben auch, dass weitere zwei Jahre nichts geschieht bei dem einen oder anderen Thema.

Aber auch das nagt an den Leipzigern, wenn Dinge nicht geschehen, obwohl man weiß, dass sie dringend zu erledigen sind.

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