Gerade erst hat das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte einen Leipziger Forstplan zur Abstimmung vorgelegt. Doch der Plan zeigt im Detail, dass das bisherige Vorgehen im Auenwald nicht wirklich sensibel war. Und auch dem Auenwald nicht gutgetan hat. Nun schreibt der NuKLA e.V. einen Offenen Brief an alle Stadtratsfraktionen, und bittet darum, den vorgelegten Plan abzulehnen.

„Bereits jetzt sind infolge der Forstmaßnahmen der vergangenen Jahre negative Entwicklungen im Auwald Leipzig zu verzeichnen. Das betrifft die Einzelstamm-Entnahmen sowie insbesondere die sogenannten Femellöcher im Leipziger Auwald. Wir möchten Sie hiermit darüber informieren, dass sich bereits jetzt klar zeigt, dass übermäßig große Auflichtungen kontraproduktiv für die Entwicklung des Schutzgebietes sind“, heißt es darin. „Somit sind sie ein eindeutiger Verstoß gegen die FFH-Richtlinie, derzufolge ein Verschlechterungsverbot für FFH-Gebiete besteht.“

Was übrigens auch dem Argument der Stadtverwaltung widerspricht, es brauche für die Waldbewirtschaftung keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Was schlicht falsch ist. Da genügt ein Blick ins Bundesnaturschutzgesetz, das für Waldbewirtschaftungspläne, die in der Summe mehr als 10 Hektar Veränderungen im geschützten Waldbestand beinhalten, zwingend eine Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt. Die gab es für die 2015 vom Stadtrat beschlossene Forsteinrichtung nicht.

Heißt im Klartext: Verwaltung und Stadtrat haben einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz zum Beschluss gemacht. Der Stadtrat möglicherweise aufgrund fehlenden Wissens, denn nicht ein einziges Mal seit 1990 hat er sich wirklich intensiv mit der Bewirtschaftung des Auenwaldes und deren wissenschaftlichen und gesetzlichen Grundlagen beschäftigt.

Die Aufklärung hätte eigentlich das zuständige Umweltschutzamt liefern müssen – aber wer danach auch auf den Seiten der Stadt sucht, findet nichts.

Man feiert zwar seinen Stolz auf das mehrfach geschützte Auwaldgebiet (FFH, Natura 2000). Aber wenn es dann um den tatsächlichen Schutz der Bestände geht, erteilt man mal der Landestalsperrenverwaltung einen Freischein zum Abholzen von über 10 Hektar Auwald hinter den Deichen (ein Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz) oder legt Pläne auf wie das WTNK, mit dem die Eingriffe in den Schutzstatus auf Jahre manifestiert werden.

Leipzig hat überhaupt noch keinen gesetzeskonformen Plan für sein Schutzgut Auenwald.

Prof. Dr. Bernd Gerken. Foto: Hansmann
Foto: Hansmann

Und natürlich ist die Kritik an der Abteilung Stadtforsten vonseiten des NuKLA e.V. am schärfsten, weil man dort anders auf den Wald schaut. Ganzheitlicher, könnte man sagen. Der Offene Brief trägt den Stempel des Geobotanikers, Forstzoologen und Ökologen Prof. Bernd Gerken, der den Wald als Schutzgut schon seit Jahren anders betrachtet, als es etwa in Leipzig passiert. Der Wald ist eine Lebensgemeinschaft, in der sich das Zusammenspiel im Großen und im Kleinen über Jahrzehnte und Jahrhunderte einspielt.

Auch die Waldbereiche, in denen nun die Leipziger Stadtforsten glauben, mit Maschinen eingreifen zu müssen, sind über Jahrhunderte als stabile Ökosysteme entstanden. Es geht nicht nur um große und kleine, alte und junge Bäume. Es geht um Lebensräume – ob in den alten Bäumen, die Heimat hunderter Arten von Tieren und Insekten sind, ob im Waldboden, der eben nicht nur Nährstoffe liefert. Selbst da unten, im Geflecht von Wurzeln und Pilzen, „funktioniert“ Wald – oder auch nicht. Nämlich dann, wenn oberirdisch massiv eingegriffen wird.

Etwas, was ja der nun mittlerweile bundesweit bekannte Förster Peter Wohlleben immer wieder gern ausführlich erläutert.

https://www.youtube.com/watch?v=gvGeb4eVN3I

 

In Leipzig dominiert noch immer ein Gedanke aus den frühen 1990er Jahren, hier in weiten Stadtwaldflächen die alte Mittelwaldbewirtschaftung des Mittelalters irgendwie wieder zu kopieren. Da aber die Leipziger ihr Brenn- und Bauholz schon lange nicht mehr aus dem Wald holen und auch ihre Haustiere dort nicht mehr weiden, wird das nie mehr als eine künstliche Imitation – die aber, weil sie nicht schonend (mit Tieren) passiert, sondern mit schwerem Gerät, auch für alle Spaziergänger sichtbare Schäden anrichtet. Aus funktionierenden Waldstücken (auch wenn die Baummischung hier den Vorstellungen des Försters nicht entsprechen mag) werden künstliche leere Flächen, die massiv unter dem Eingriff leiden.

Was dann im Offenen Brief etwas ausführlicher behandelt wird.

„Wir haben uns schon früher gegen großflächige Maßnahmen wie Femellöcher und Schirmhiebe ausgesprochen. Dabei haben wir eine Vielzahl von Argumenten, die wir hier gar nicht in ihrer Gänze erläutern wollen, da dies den Rahmen eines Briefes sprengen würde. Dieses Schreiben will nur die komplexe Thematik an ausgewählten Fakten erläutern“, kann man da lesen. „Wir haben es beim Leipziger Auwald mit einem sensiblen und einzigartigen Lebensraum zu tun, sodass invasive und Großflächen-wirksame Eingriffe äußerst negative Folgen haben werden.“

Und dazu kommt: „Ausdrücklich ist festzustellen, dass dem Auwald Leipzig seit Jahren das Wasser abhanden kommt, welches die standortökologische Grundlage eines Auwaldes ist. Beteuerungen der Stadtverwaltung, man wolle den Auenwald wiederherstellen, zeitigten in den vergangenen Jahren keinerlei reale Maßnahmen. Der Auwald ist leider derzeit noch auf ganzer Fläche von der natürlichen Wasser-Dynamik seiner Flüsse abgeschnitten. Da der Auwald seit sehr vielen Jahren bereits ohne Wasser ist, befindet er sich in einem inaktiven, standortökologisch teilweise stark gestörten Zustand.“

Aber das gern gelobte Projekt „Lebendige Luppe“ behebt diesen Zustand nicht. Selbst die LVZ schreibt mittlerweile von einem „Tropf“ für den Auenwald, auch wenn man dort bei der Titelwahl wahrscheinlich nicht an den klinischen Befund dachte, der einen Tropf erst notwendig macht.

Mal so formuliert: Das Herz des Leipziger Auenwaldes droht aufzuhören zu schlagen. Und alle Maßnahmen, die bislang auf dem Tisch liegen, verschlimmern den Zustand nur, statt ihn zu beheben. Und keines hat auch nur das Niveau eines echten Schutzplans für das Naturschutzgebiet Leipziger Auenwald.

„Sehr geehrte Stadträtin und sehr geehrter Stadtrat, bitte überdenken Sie die Konsequenzen Ihrer Entscheidung betreffs des aktuellen Forstwirtschaftsplans. Wenn eine Stadt so großflächig gegen die FFH-Richtlinie verstößt, wird dies auch negative Folgen für die Stadt haben“, heißt es im Offenen Brief. „Vor allem aber werden die übermäßigen Auflichtungen leider äußerst negative Folgen für das Schutzgebiet und die Erholung suchenden Menschen haben.“

Der Offene Brief in voller Länge.

Leipzigs Stadtrat bekommt jetzt tatsächlich den ersten Forstwirtschaftsplan vorgelegt

Leipzigs Stadtrat bekommt jetzt tatsächlich den ersten Forstwirtschaftsplan vorgelegt

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Es gibt 3 Kommentare

Vielen Dank für die Information. Tatsächlich geht es nur um die Interpretation der Nutzungsart. Aber aus meinem Verständnis von §9 und §11 des Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) meint eine andere Nutzungsart eine nicht forstliche Nutzung. Eine Wiederaufforstung der Flächen (unabhängig von den aufzuforstenden Baumarten) ist hiervon offensichtlich nicht betroffen. Sonst müssten ja zu fast allen Forsteinrichtungen in den sächsischen Vor- und Mittelgebirgslagen ebenfalls UVPs angefertigt werden, weil in vielen Bereichen auf ehemaligen Laub- und Mischwaldstandorten aufgeforstete Fichtenmonokulturen wieder in ökologisch wertvollere und stabilere Laub- und Mischwaldkulturen zurück verwandelt werden. Und genauso verhält es sich mit den Lochhieben im Leipziger Auenwald, die einzig der Erhöhung des Eichenanteils dienen, um der historisch und naturschutzfachlich wertvollen Baumartenzusammensetzung wieder näher zu kommen. Zudem wurden in die Erarbeitung der Forsteinrichtung zum Leipziger Stadtwald die Naturschutzbehörde und die anerkannten Naturschutzverbände mit einbezogen. Die Naturschutzbehörde hat in diesem Zusammenhang besonders auch eine Prüfung auf FFH-Verträglichkeit durchgeführt. Die Umwandlung einer Promille-großen Fläche (weniger als 1%) in Mittelwald wurde durch die Naturschutzbehörden weit vor Inkrafttreten der FFH-Richtlinie in der Schutzgebietsverodnung für das NSG Burgaue vorgeschrieben. Der im Auftrag des sächsischen Staatsministeriums erarbeitete FFH-Managementplan legt ebenfalls die Anlage einer Mittelwaldfläche als mit den allgemeinen Behandlungsgrundsätzen der FFH-Richtlinie konforme Maßnahme fest.

Ist zu finden im “Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung”:
http://www.gesetze-im-internet.de/uvpg/index.html
Dort im Anhang: “Liste ‘UVP-pflichtige Vorhaben'”, ab Punkt 17.2. “Rodung von Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes zum Zwecke der Umwandlung in eine andere Nutzungsart”.
http://www.gesetze-im-internet.de/uvpg/anlage_1.html.
Streiten kann man bestimmt über das Wort Nutzungsart. Wann ist ein Waldumbau die Änderung einer Nutzungsart? Zum Beispiel in einem Natura-2000-Gebiet, in dem nun Mittelwaldbewirtschaftung forciert wird.

Können Sie bitte die Quelle der Naturschutzrechtlichen Grundlagen (Gesetz+§) präzisieren? Ich konnte weder im aktuellen Bundesnaturschutzgesetz noch im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Aussage finden, dass es “für Waldbewirtschaftungspläne, die in der Summe mehr als 10 Hektar Veränderungen im geschützten Waldbestand beinhalten, zwingend eine Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt.”

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