Zumindest dem kleinen Koalitionspartner in Dresden ist es bewusst, dass die Landesregierung die Kindertagesstätten in Sachsen noch lange nicht ausreichend finanziert. Das thematisierte Juliane Pfeil-Zabel, Sprecherin für Familienpolitik der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, schon im Dezember, als die sächsischen Kommunen forderten, die Kita-Finanzierung auf neue Füße zu stellen. Aber noch zahlen sie drauf, wie die Leipziger Stadträtin Juliane Nagel herausbekam. Sogar beim besseren Betreuungsschlüssel.
„Mit der jüngsten Absichtserklärung der Koalition wurde auch unterstrichen, dass in naher Zukunft die frühkindliche Bildung erneut gestärkt werden soll“, erklärte Juliane Pfeil-Zabel am 19. Dezember. „Neben weiteren Qualitätsverbesserungen muss auch die bisherige Kita-Finanzierung einem kritischen Blick unterzogen werden. Gemeinsam mit den Kommunen muss es gelingen, sich auf ein dynamisches Finanzierungssystem zu einigen, das Steigerungen bei den Betriebskosten Rechnung trägt. Das 100-Tage-Programm von Martin Dulig und Michael Kretschmer muss dazu konkrete Ziele enthalten. Wir nehmen Christian Piwarz beim Wort, wenn Kitas nun im Kultusministerium wieder eine stärkere Rolle spielen sollen. Er hat die SPD-Fraktion als Unterstützerin dafür an seiner Seite. Zu den nächsten Schritten gehört außerdem eine ehrliche Analyse zur Wirkung der bisherigen Verbesserungen. Sie bildet die Grundlage für die weitere Diskussion in der Koalition. Die SPD wird dabei immer das Wohl von Kindern und Eltern, die Entlastung der Erzieherinnen und Erzieher sowie die Unterstützung der Träger und Kommunen im Blick haben.“
Passiert ist bislang nichts. Im Gegenteil: Selbst beim Personalschlüssel zahlen die Kommunen drauf. Irgendjemand kann da in Dresden nicht rechnen.
Mit der Änderung des Sächsischen Kita-Gesetzes vom 9. Mai 2015 wurde der Landeszuschuss pro Kind und Jahr von 1.875 Euro schrittweise auf 2.295 Euro erhöht.
„Hintergrund der Erhöhung ist nicht etwa die Einsicht des Freistaates, dass die Kommunen dringend eine finanzielle Entlastung bei der Kita-Finanzierung brauchen, sondern ein geringfügig verbesserter Betreuungsschlüssel“, betont die Linke-Stadträtin und Landtagsabgeordnete Juliane Nagel.
Dieser wurde im Kindergarten mittlerweile von einer Fachkraft auf 12 Kinder gesenkt. Im Krippenbereich ist bis zum 31.08.2018 eine pädagogische Fachkraft für 5,5 Kinder zuständig, in der Folge soll der Betreuungsschlüssel 1:5 betragen und der Landeszuschuss auf 2.455 Euro erhöht werden.
Die Linksfraktion im Stadtrat hat im März 2018 nach den Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Stadt Leipzig gefragt.
„Die Antwort bestätigt die Befürchtungen“, stellt Juliane Nagel fest. „Die angehobene Kita-Pauschale deckt nicht einmal die durch die Veränderung des Betreuungsschlüssels gestiegenen Kosten. Und mehr noch: Durch die Art und Weise der Berechnung des Landeszuschusses – pro Kind und Jahr zum Stichtag 1. April 2018 – fallen weitere Defizite für die Stadt an. Die Betreuungsschlüssel- und Zuschussänderungen griffen in den Vorjahren jeweils zum 31. August, wodurch die reale Zahl der ganzjährig betreuten Kinder verfälscht wird.“
Die Stadt schreibt in ihrer Antwort dazu: „Die unterjährige Anpassung des Krippenschlüssels in 2017 und 2018 ruft ebenfalls einen für die Stadt Leipzig nachteiligen Effekt hervor. Die durchschnittlichen Belegungszahlen in der Krippe für die Monate September bis Dezember sind in der Regel erheblich höher als der Jahresdurchschnitt. Dies liegt daran, dass zum Schuljahresbeginn neue Kinder für die frei gewordenen Plätze von Schulanfängern aufgenommen werden.“
Infolge des veränderten Betreuungsschlüssels und der damit verbundenen Erhöhung des Landeszuschusses fielen unterm Strich für die Stadt Leipzig im Jahr 2016 genau 235.177,80 Euro und im Jahr 2017 dann 821.000,60 Euro Mehrausgaben an.
„Der Effekt der veränderten Landesgesetzgebung ist also für die Stadt Leipzig in finanzieller Hinsicht nachteilig“, stellt Nagel fest. „Die Stadt muss draufzahlen! Das Land refinanziert nicht einmal die höheren Kosten durch die Veränderung des Betreuungsschlüssels. Und nicht nur das: Der Effekt der geringfügigen Verbesserung des Betreuungsschlüssels ist kaum spürbar. Weiterhin ist im Kindergarten real ein/e Erzieher/in für 17 Kinder verantwortlich. Dies liegt auch daran, dass Urlaub, Krankheit oder Weiterbildungen nicht auf den Schlüssel angerechnet werden. Zudem bleiben Vor- und Nachbereitungszeiten – die mittelbare pädagogische Arbeit also – nicht auf den Schlüssel angerechnet.“
Die Linksfraktion fordert vom Freistaat Sachsen eine deutliche Anhebung der Kita-Pauschale, auch jenseits der Frage eines besseren Betreuungsschlüssels. Die entsprechende Forderung des Sächsischen Landkreistages nach einer Anhebung auf 3.000 Euro pro Kind und Jahr findet die Unterstützung der Fraktion, ebenso die nach einer jährlichen Dynamisierung entsprechend des Anstieges der Personal- und Sachkosten.
„Kommunen und Eltern dürfen nicht auf den notwendigen Tarifsteigerungen des pädagogischen Personals sitzen bleiben, wie es derzeit der Fall ist. Nicht zuletzt unterstützt die Linksfraktion die Bemühungen des Graswurzelbündnisses ‚Die bessere Kita‘ für einen deutlich verbesserten Betreuungsschlüssel und die Anerkennung von Vor- und Nachbereitungszeiten für alle ErzieherInnen in Sachsen“, sagt Juliane Nagel.
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