Wenn die LVZ kein handfestes Thema hat, dann wird ein bisschen Klamauk gemacht. In diesem Fall in fröhlicher Kooperation mit Ordnungsdezernat, LVB und Polizei, so wie am 5. Dezember: "Komplexkontrollen und Polizeistreifen in Leipziger Straßenbahnen". Vorher gab's einen entsprechenden Termin für die Presse. Der war selbst nicht ganz unmartialisch.

Denn seit geraumer Zeit machen ja einige Leute regelrecht Stimmung, wenn es um die Sicherheitslage in Leipzig geht. Im Sommer 2017 veröffentlichte die Stadt auch eine entsprechende Umfrage zum Sicherheitsgefühl in Leipzig, die mit vielen Tabellen und Grafiken durchaus etwas zeigte, was zu denken gibt: dass das Gefühl von Unsicherheit fast nichts mit tatsächlich erlebter Kriminalität zu tun hat, dafür eine Menge mit Hörensagen und Medienberichterstattung.

Und genauso emfand es auch die Linksfraktion, als sie den Beitag der LVZ zum Thema las: “Sehr provokativ und polemisch heißt es in der LVZ vom 5. Dezember 2017: ‘Polizisten mit Schlagstock und Pistole – in Leipzigs Bussen und Straßenbahnen wird das ab Mittwoch zum Alltag gehören. LVB und Polizei wollen künftig bei der Sicherheit noch enger zusammen arbeiten. Beamte sollen dafür rund um die Uhr bei den LVB mitfahren. Leipzigs OBM begrüßt das.’ Weiterhin soll es künftig auch ‘gemeinsame Komplexkontrollen von Beamten und LVB-Mitarbeitern geben’. Laut Polizeipräsident Bernd Merbitz seien ‘Busse und Bahnen bereits jetzt ein besonders sicheres Verkehrsmittel’. Gemeinsam mit dem Leipziger Oberbürgermeister Jung nimmt er Bezug auf das ‘Sicherheitsgefühl’ von ÖPNV-Nutzer*innen.”

Na gut: Dieses Sicherheitsgefühl hat gelitten. Seit 2011 ist es um 5 bzw. 7 Prozentpunkte gefallen: Fühlten sich 2011 noch 80 Prozent der Busnutzer in den LVB-Bussen sicher, waren es 2016 nur noch 75 Prozent. Bei den Straßenbahnnutzern fiel der Wert von 76 auf 69 Prozent.

Die Umfrage hielt freilich auch einen Aha-Fakt bereit, denn das waren die Ausagen von regelmäßigen ÖPNV-Nutzern. Leute, die niemals mit Bus und Bahn unterwegs sind, fanden die Straßenbahnen 2011 noch zu 64 Prozent sicher, 2016 nur noch zu 46 Prozent. Ihr Sicherheitsgefühl ist also gesunken, obwohl sie das Leben in Bahn und Bus gar nicht kennen.

Die Statistiker haben diesen Fakt im Bericht extra betont. Ein Fakt, der nur verständlich wird, wenn man weiß, dass sich viele Leipziger auf das verlassen, was “in der Zeitung” steht. Und wenn da fortwährend über kriminelle Vorfälle in der Straßenbahn berichtet wird, entsteht so ein Wert. Dass überhaupt so viel berichtet wird, liegt ausgerechnet an der Sicherheitstechnik in Bussen und Bahnen: Die eingebauten Kameras ermöglichen es, Täter und Tatvorgänge aufzuzeichnen und hinterher auch öffentlich zu machen. Das ist wie mit den Kassenautomaten der Banken.

Und dann denkt man lange nach und merkt: Aus anderen Kameras bekommt man als Presse praktisch keine Fahndungsbilder. Die ganzen Kameras auf öffentlichen Plätzen, in Passagen, in Hauseingängen und wo der Klimbim sonst noch hängt, nutzen bei der Kriminalitätsaufklärung so gut wie gar nichts. Die Kameras liefern nicht mal brauchbare Fahndungsbilder. Die nächsten Generationen sollen das zwar können. Aber da liegt noch kein Exemplar eines Bildes vor.

Hinzu kommt, dass die Polizei selbst weiß, dass sie maximal ein Zehntel der täglich anlandenden Straftaten oder Verdachtsmomente weitergibt an die Presse – das Meiste geschieht im heimischen Haushalt, in der Wirtschaftskriminalität oder auf der Ebene der laufenden Ermittlungen. Gemeldet wird, was offensichtlich ist und schnell zu vermitteln.

Man hat es in Leipzig also nicht mit einer wirklich unsichereren Öffentlichkeit zu tun – aber mit jeder Menge Stimmungsmache (und die LVZ ist wirklich nicht das einzige Medium, das bei dem Thema kein Pardon kennt).

Und warum sind die Werte bei den ÖPNV-Nutzern gesunken?

Das hängt mit großer Wahrscheinlich mit dem schlichten Fahrgastaufkommen zusammen. Die Bahnen sind voller geworden, in der Hauptverkehrszeit so voll, dass ohne Drängeln und Schieben nichts mehr geht. Die zunehmende Aggression an jeder Haltestelle ist regelrecht spürbar. Untersucht hat das noch niemand wirklich.

Überhaupt haben viele Sicherheitsmaßnahmen auch in den Verkehrsmitteln für die Nutzer einen faden Beigeschmack. Was etwa bei der Frage nach dem Nutzen der Videoüberwachung deutlich wird: 2011 fanden noch 74 Prozent der Befragten diese Technik sinnvoll, der Wert sank 2016 auf 68 Prozent.

Bei “Servicemitarbeitern” der LVB, die in den Bahnen und Bussen mitfahren, sank dieser Wert von 60 auf 57 Prozent. Ob die ÖPNV-Nutzer dann auch noch die Fahrscheinkontrollen als Faktor der Sicherheit empfinden, darf bezweifelt werden – auch wenn die Wahrscheinlichkeit solcher Kontrollen abgefragt wurde.

Tatsächlich erhöhen diese Kontrollen nur den Stress in den Bahnen, wenn im sowieso schon verspäteten Berufsverkehr auch noch die vollgestopften Bahnen kontrolliert werden. Man darf die beiderseitige Geduld der Kontrolleure und der Kontrollierten durchaus würdigen.

Aber ob dann auch noch “Polizisten mit Schlagstock und Pistole” das Sicherheitsgefühl erhöhen, bezweifelt nicht nur die Linksfraktion. Die vor allem eines vermisst: Belastbare Zahlen zur Kriminalität in Bahnen und Bussen.

Deswegen hat sie für die nächste Ratsversammlung am 28. Februar ein kleines Fragenpaket zusammengestellt:

“1. Welche Entwicklung der Kriminalität in Bussen und Bahnen der LVB ist in den Jahren 2015, 2016 und 2017 zu verzeichnen? Wie viele Angriffe auf das Fahrpersonal gab es in dieser Zeit?

2.Wie viele Polizeibeamt*innen welcher Einheiten/ Dienststellen werden wann, in welchen Linien und in welcher Regelmäßigkeit bzw. aus welchem Anlass eingesetzt werden?

3. Welche weiteren Vereinbarungen beinhaltet die Kooperationsvereinbarung zwischen LVB und Polizei?

4. Gibt es Überlegungen, die Bedingungen für die Sicherheit des Fahrpersonals weiter zu verbessern?”

Die Meldung der LVB vom 5. Dezember 2017:

Polizei und Verkehrsbetriebe schreiben Kooperation fort
Erfahrungen aus Fußballsaison eingeflossen

Bei 18 Heimspielen in der Fußballsaison 2016/17 von RB Leipzig konnten die Polizei und die Leipziger Verkehrsbetriebe ihre enge Zusammenarbeit weiterentwickeln sowie vertiefen. Eine der wichtigsten Maßnahmen bei Heimspielen sind Shuttlebusse, um Gästefans eine direkte Verbindung als Service anbieten zu können und die sicherheitsrelevante Fantrennung zu garantieren. Mit 143 Bussen und 180 Fahrten konnte somit ein wesentlicher Beitrag für eine friedliche und sichere Fußballsaison geleistet werden.

Unter Polizeibegleitung wurden dabei in Summe ca. 21.600 Gästefans zur RB-Arena bzw. zurück zum Hauptbahnhof befördert. Die guten Erfahrungen bei Großveranstaltungen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit sind nun in die Fortschreibung der Kooperationsvereinbarung der Polizei mit den Verkehrsbetrieben eingeflossen. Bereits seit 2010 ist die gemeinsame Arbeit vom Ziel geleitet, ein erhöhtes Maß an Sicherheit zu bieten und den notwendigen Service im öffentlichen Verkehrsraum, insbesondere bei der Nutzung von Bus und Bahn, zu gewährleisten.

“Busse und Straßenbahnen gehören zu den sichersten Verkehrsmitteln in der Stadt. Dennoch erleben Fahrgäste manchmal ein Gefühl der Unsicherheit. Dem wollen wir mit einer intensivierten Zusammenarbeit mit der Polizei entgegentreten. Ich bin der festen Überzeugung: sichtbare Polizisten in der Stadt sind die beste Prävention. Das gilt auch für die Fahrgäste der LVB. Es muss unser Anspruch sein, dass sich Menschen hier zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher fühlen können. Die neuen Stellen im Stadtordnungsdienst sollen künftig auch die Haltestellen der LVB stärker in den Blick nehmen”, so Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig.

In der stetig wachsenden Stadt stellen sich Polizei, Stadt Leipzig und LVB mit der unterzeichneten Kooperationsvereinbarung einerseits dem gestiegenen Bedürfnis der Bevölkerung, die objektive und subjektive Sicherheit zu erhöhen, und verschreiben sich andererseits nachhaltig dem Ziel und dem Motto “In Leipzig sicher unterwegs” zu sein.

“In Relation zu den Beförderungszahlen sind Busse und Bahnen der LVB bereits heute ein besonders sicheres Verkehrsmittel. Gleichwohl zeigt die Resonanz der Bürger, dass auch sehr vereinzelt vorkommende Delikte das Sicherheitsempfinden stark negativ beeinflussen können. Nicht zuletzt um darauf gründenden Bedenken und Ängsten entgegenzuwirken, werden künftig verstärkt uniformierte Beamte in den Verkehrsmitteln sichtbar und ansprechbar sein – sei es im Rahmen gemeinsamer Komplexkontrollen oder im Zuge der Streifentätigkeit”, sagt Polizeipräsident Bernd Merbitz.

Die Kooperationsvereinbarung umfasst verschiedene Themenschwerpunkte: Sicherheit im Betrieb, Zusammenarbeit in Projekten, Fahrausweisprüfung, Prävention in Vertrieb und Technik, Abstimmung der Öffentlichkeitsarbeit oder die Erstellung eines regionalen Lagebilds. Daneben sind auch gemeinsame Komplexkontrollen festgeschrieben, die Schwerpunktaktionen bzw. -kontrollen auf gültige Fahrausweise dienen sowie auch der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum.

Um gemeinsam ein polizeiliches Lagebild abzubilden, schaffen die Verkehrsbetriebe die Planstelle eines Sicherheitsbeauftragten. Dieser Beauftragte wird in Zukunft und in Abstimmung mit der Polizei nicht nur die notwendige Qualifikation erhalten, sondern dann aktiv dazu beitragen, ein umfassendes Bild der Sicherheitslage zu erarbeiten. So sollen frühzeitig Schwerpunkte erkannt und darauf kann koordiniert reagiert werden.

“Mit der flächendeckenden Videoüberwachung in unseren Fahrzeugen gibt es bereits bestehende und vor allem wirksame Präventivmaßnahmen. Für Fahrgäste stehen in unseren Straßenbahnen außerdem Sprechstellen zum Fahrer zur Verfügung, um schnelle Hilfe zu organisieren. Über die Leitstelle der Verkehrsbetriebe kann so in Sekundenschnelle reagiert und geholfen werden”, so Ronald Juhrs, Geschäftsführer Technik und Betrieb der Leipziger Verkehrsbetriebe.

Das lange Polizei-Interview (Teil 1): Lückenpresse oder Wie entsteht eine Polizeinachricht?

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