Für FreikäuferWie löst man eigentlich die zunehmenden Wohnprobleme in den deutschen Großstädten? Die Gelder für sozialen Wohnungsbau kleckern nur. Der normale Wohnungsbau scheint sogar wieder zu stocken, wie die Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“ feststellt. Vielleicht muss man deshalb das Wohngeldgesetz ändern, meint die Freibeuter-Fraktion im Leipziger Stadtrat.

Nach der Debatte um die Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus in Leipzig hat die Fraktion einen Antrag im Stadtrat eingereicht, der den Oberbürgermeister beauftragt, sich beim Deutschen Städte- und Gemeindetag für eine Novellierung des Wohngeldgesetzes einzusetzen.

„Niemand bestreitet, dass preiswerter Wohnraum in wachsenden Regionen wie auch in Leipzig knapper wird. Der klassische soziale Wohnungsbau, der in Beton statt in den unterstützungsbedürftigen Menschen investiert, ist bereits in der Bundesrepublik in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gescheitert und hat Wohnghettos und soziale Verwerfungen geschaffen. Zudem geht bei der Hälfte aller Wohnungsbelegungen die Förderung am Ziel vorbei“, erklärte René Hobusch (FDP), Fraktionsvorsitzender der Freibeuter, am Rande der letzten Ratsversammlung.

Statt der sozialen Wohnungsbauförderung wollen die Freibeuter erreichen, dass der einzelne Mensch und sein tatsächlicher Förderbedarf im Mittelpunkt stehen und durch eine Novellierung des Wohngeldgesetzes gefördert wird, wer tatsächlich bedürftig ist.

„Es macht keinen Sinn, dass der inzwischen zum Professor gewordene Student über 15 Jahre preisgebundenen Wohnraum blockiert, während für die Verkäuferin im Supermarkt oder den Paketfahrer diese Wohnungen nicht mehr zur Verfügung stehen“, führt der Liberale Hobusch abschließend aus.

Die Freibeuter nehmen mit ihrem Antrag die SPD-Fraktion beim Wort. Für diese hatte Stadtrat Heiko Oßwald in der Debatte ausgeführt, dass es unabhängig vom Antrag der SPD, den sozialen Wohnungsbau weiter zu unterstützen, richtig sei, über ein angemessenes und zeitgemäßes Wohngeldrecht zu diskutieren.

Das Problem dahinter: Mit dem von der sächsischen Staatsregierung aufgelegten Förderprogramm für sozialen Wohnungsbau wird es nur ein eher klägliches Bauprogramm für preiswerteren Wohnraum geben. 200 Wohnungen könnten davon jährlich in Leipzig entstehen, 1.500 bis 2.000 aber werden gebraucht. Die Immobilienentwickler aber investieren nur in Projekte, die sich nach Fertigstellung auch rechen, also genug Miete abwerfen, die auch die hohen Baukosten wieder einspielt.

Und die Baukosten in deutschen Städten sind explodiert. Ursache dafür sind im Wesentlichen immer weiter steigende Vorgaben des Gesetzgebers, die dazu geführt haben, dass neuer Wohnraum für unter 10 Euro Mietpreis pro Quadratmeter kaum noch zu schaffen ist. Es gibt zwar einen enorm gewachsenen Bedarf in den Großstädten. Aber die Klientel, die sich hohe Mieten leisten kann, ist überall begrenzt. Sie kann sich auch citynah eindecken. Immer mehr Schwierigkeiten, innerstädtische Mieten zu zahlen, haben dagegen die Niedriglöhner, viele Menschen mit mittlerem Einkommen und vor allem Familien, für die ein familiengerechter Wohnungszuschnitt kaum noch erschwinglich ist.

Ergebnis: Deutschland braucht eigentlich 400.000 neu gebaute Wohnungen pro Jahr – 120.000 mehr, als im gesamten letzten Jahr überhaupt gebaut worden seien.

„Dass jetzt trotz der angekündigten Wohnungsbau-Offensive der Bundesregierung die Zahl der Baugenehmigungen schon wieder wegknickt, muss alle Wahlkämpfer in Deutschland wachrütteln. Denn für alle Menschen, die umziehen müssen und in Ballungsräumen eine neue Wohnung suchen oder dort bereits horrende Mieten bezahlen, ist das Thema Wohnraum ein Top-Thema bei dieser Bundestagswahl“, erklärt Dr. Ronald Rast von der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau“, in der sich 30 Organisationen und Verbände der Architekten und Planer sowie der Bau- und Immobilienwirtschaft zusammengeschlossen haben.

Und der Gesetzgeber laviert.

Anders sieht es auch die Leipziger Freibeuter-Fraktion nicht. In ihrem Antrag heißt es: „Der in vielen Städten Deutschlands herrschenden Wohnungsknappheit kann man nur begegnen, indem man für einen kräftigen Zuwachs bei den Wohnungsneubauten sorgt. Programme wie das durch den Freistaat Sachsen aufgelegte Programm zur Schaffung von mietpreis- und belegungsgebundenem Mietwohnraum schaffen wenig zusätzlichen Wohnraum, es wird lediglich ein Teil von sowieso schon geplanten Neubau- und Sanierungsmaßnahmen über dieses Programm an Anspruchsberechtigte vergeben.“

Wo also der Gesetzgeber sichtlich unfähig ist, die Baukosten niedrig zu halten oder gar preiswerten Wohnungsbau in der wirklich benötigten Dimension zu fördern, bleibe nur noch die Einzel-Förderung der Betroffenen nach ihrer Bedürftigkeit, so der Freibeuter-Antrag: „Durch eine Subjektförderung über das Wohngeld werden auch alle bekannten Probleme des sozialen Wohnungsbau wie z. B. die Fehlbelegung und den Verkauf der Wohnungen nach der Belegungsbindung, sowie der damit verbundene Mietpreisanstieg verhindert. Zudem sind keine größeren bürokratischen Verfahren zur Verhinderung der Fehlbelegung notwendig. Eine jährliche Überprüfung der Einkommensverhältnisse sowie der Miethöhe reichen aus, um das Wohngeld entsprechend anzupassen.“

Und in das neue Gesetz könnte man ja auch noch die Bildung von Wohneigentum mit einbauen: „Deutschland liegt traditionell in Europa im unteren Bereich was das Wohnungseigentum betrifft. Eine Förderung der Bildung von Wohnungseigentum über das novellierte Wohngeld könnte wesentlich zur Entspannung der Mietwohnungsmärkte in den Großstädten beitragen. Als Nebeneffekt würde dabei auch ein Beitrag zur Alterssicherung erreicht.“

Was natürlich im Augenblick nicht viel hilft. Der Antrag wird – selbst wenn er Zustimmung findet – Jahre brauchen, bevor er eine nötige Gesetzesinitiative im Bundestag auslöst.

Der Beschlussvorschlag:

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, über den Deutschen Städte- und Gemeindetag darauf hinzuwirken, in der nächsten Legislaturperiode das Wohngeldgesetz grundlegend zu überarbeiten.

Durch die Novellierung des Wohngeldgesetzes soll erreicht werden, dass künftig der Schwerpunkt der Förderung von Wohnraum auf die Subjektförderung abgestellt wird. Entsprechend sind künftig auch die Mittel, die bisher in die Objektförderung z. B. über die Förderprogramme ‚Sozialer Wohnungsbau‘ flossen über das Wohngeld subjektbezogen auszureichen.

Durch die Novellierung des Wohngeldgesetzes soll außerdem die Förderung von selbst genutztem Wohnungseigentum für Mieter in den Fokus genommen werden.“

Der Antrag.

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