Manchmal ist die Leipziger CDU-Fraktion einfach süß: Da stellt sie die Fragen, die überfällig sind und eins dieser blasigen Verwaltungspapiere hinterfragen, die die Ratsfraktionen sonst einfach abnicken. Diesmal betrifft es jene aufgeblasene „Jobcenter Leipzig: Zielabrechnung 2016 und Zielvereinbarung 2017“, die das CDU-geführte Wirtschaftsdezernat im März vorgelegt hat.

Wer die „Zielabrechnungen“, die Jobcenter und Wirtschaftsdezernat aller halben Jahre vorlegen, oberflächlich durchliest, der hat den Eindruck: Da wird exzellente Arbeit geleistet. Fast alle Ziele werden in lockerem Galopp erreicht, die betroffenen Klienten fliegen nur so mit Schwung wieder zurück in den Arbeitsmarkt. Arbeitslosenzahl sinkt, Bedarfsgemeinschaften werden weniger, junge Leute werden mit flottem Tempo durch Qualifizierungen geschleust – und die MitarbeiterInnen des Jobcenters kommen gar nicht hinterher, ihren Kunden den flotten Abgang in den Arbeitsmarkt zu attestieren: Integriert! Integriert! Integriert!

Aber im Kauderwelsch der Arbeitsagentur ist das alles mehr Schein als Sein, das ganze moderne Effizienzgehabe, das nur die Bürokratie am Laufen hält und Zahlen produziert, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.

„Laut der Vorlage VI – DS – 03655 ‚Jobcenter Leipzig: Zielabrechnung 2016 und Zielvereinbarung 2017, Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm 2017‘ Seite 6, 2. ‚Verbesserung der Integration in Erwerbsarbeit‘ wurden im Jahre 2016 durch das Jobcenter in Leipzig insgesamt 14.588 Integrationen in den Arbeitsmarkt von erwerbsfähigen Leistungsberechtigen (ELB) erzielt. Auf der gleichen Seite der Vorlage wird aber berichtet, dass die Zahl der ELB im gleichen Jahr gegenüber 2015 nur von 51.137 auf 49.404, also um lediglich 1.732 gesunken ist“, stellt die christdemokratische Fraktion diese Zahlen fest. Die übrigens bundesweit so gezählt werden.

Mit der Reform der Bundesarbeitsagentur wurde der zuvor so kritisierte Laden in eine Behörde verwandelt, die ihre Klienten wie Fertigungsstücke behandelt, die bearbeitet werden. Möglichst effizient natürlich, so dass der Apparat drumherum lauter vollbrachte Taten abrechnen kann, auch wenn kein einziger Kunde wirklich in eine vollgültige Arbeitsstelle vermittelt wurde.

„Es besteht also ein offensichtliches Missverhältnis zwischen der hohen Anzahl von Integrationen in den Arbeitsmarkt und der dagegen nur gering real gesunkenen Anzahl der ELB“, stellt sogar die CDU-Fraktion verblüfft fest. Lässt dann aber auch gleich mal gucken, was man so an Presse-Lektüre regelmäßig zu sich nimmt: „Die ‚Rundschau-Sachsen Sonntag‘ berichtet in ihrer Ausgabe vom 15.01.17 darüber, dass im Jahre 2016 in Leipzig 11.864 mehr Einwohner gemeldet waren als im Jahr zuvor.“

„Rundschau“ und „SachsenSonntag“ sind die Anzeigenblätter aus dem Hause Madsack (ua. auch LVZ). Manche lesen diese kostenlos in den Hausflur schneienden Blätter tatsächlich. „Weiterhin ist festzustellen, dass im Monat Februar von den in Sachsen registrierten 13.766 ELB mit Asylberechtigung alleine im Jobcenter Leipzig 5.456 registriert sind“, stellt die CDU-Fraktion noch fest.

Und kommt dann zu einem sehr seltsamen Schluss: „Aufgrund dieser Zahlen gehen wir von der Vermutung aus, dass ein großer Teil unseres Bevölkerungswachstums durch eine Zuwanderung in die Sozialsysteme der Stadt bedingt ist. Dabei würde die Auswertung der Neuanträge im SGB II beim Jobcenter Leipzig in Bezug auf die Zuwanderungszahlen aufzeigen, wie attraktiv die Stadt für Hilfeempfänger ist. Nur mit diesen Zahlen kann eine dann dringend notwendige Diskussion geführt werden, ob und wie Leipzig auf eine solche Entwicklung reagieren kann.“

Und daraus leitet die CDU dann diese Fragen ab, die sie in der Ratsversammlung gern beantwortet haben möchte:

„Wie viele Neuanträge auf Leistungen nach SGB II sind in den Jahren 2015 bis 2016 beim Jobcenter Leipzig gestellt worden ?

Wie viele dieser Neuanträge wurden in diesen Jahren durch Bürger gestellt, die bisher ihren Wohnsitz nicht innerhalb der Stadt Leipzig hatten und neu zugezogen sind?

Sollte sich aus der Auswertung der Zahlen ergeben, dass wir eine Zuwanderung in die Sozialsysteme Leipzigs haben, bitten wir um eine Aussage, wie die Verwaltung diese Wanderung wertet, und ob es geplant ist darauf zu reagieren.“

Man merkt: Es ist eine sehr heimatliebende Partei, die immer dann ein Stadtratsschläfchen eingelegt hat, wenn in der Ratsversammlung über die Integration der Asylbewerber diskutiert wurde. Statt dann nach dem Erfolg dieser Integration zu fragen (die wirklich nichts mit den amtlich gezählten „Integrationen“ des Jobcenters zu tun haben), orakelt man von einer „Zuwanderung in die Sozialsysteme Leipzigs“.

Als ob die Asylsuchenden ohne Umweg über die Verwaltungsmaschine Jobcenter eine Chance hätten, in Leipzig einen Arbeitsplatz zu bekommen. Das wäre ein echter Erfolg – aber so funktioniert die Arbeitslosenverwaltung in Deutschland nicht. Aber wer verrät das der Leipziger CDU? Vielleicht der Wirtschaftsbürgermeister?

Wir habe einfach mal drei Artikel auf der L-IZ.de unten zum Thema verlinkt.

Die Anfrage der CDU-Fraktion.

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