Was für eine flockige Antwort. Wirklich wissen will Leipzigs Verwaltung sichtlich nicht, wie viel Gleichberechtigung im Leipziger öffentlichen Dienst schon herrscht – und wie viel nicht. Schon vor einem Jahr fragte eine Gruppe engagierter Leipzigerinnen im Rathaus an, wie es um Frauen in Führungspositionen steht. Mit entsprechend luftiger Antwort. Nun ging es der Musikerin Birgit Lawerenz ganz ähnlich.

Sie hatte eine Einwohneranfrage gestellt. Eigentlich drei. Drei ganz einfache: „In welchen Firmen dieser Stadt arbeiten Frauen & Männer gleichberechtigt auf allen Ebenen und in allen Bereichen? Wo kann ich deren Produkte kaufen? Welche Maßnahmen gibt es, damit es mehr Firmen werden? Das interessiert mich natürlich ebenso hinsichtlich Dienstleister, Ämter, Behörden, Kultureinrichtungen.“

Die Antwort klingt zwar genauso flott. Aber tatsächlich ist sie wieder ein Schulterzucken. Denn eigentlich tut sich nicht viel in Sachen Gleichberechtigung. Wenn man davon absieht, dass seit diesem Jahr zwei Bürgermeisterinnen unter Dauerbeschuss der konservativen Medien stehen. Die Lage in Leipzig scheint mehr oder weniger festgemauert. Die oberen Führungsetagen – egal, ob in den Kommunalunternehmen, Eigenbetrieben oder der Verwaltung selbst – sind größtenteils mit Männern besetzt. Die kommen auch in den Auswahlverfahren zu neu zu besetzenden Funktionen öfter zum Zug.

Entweder bewerben sich wirklich weniger Frauen auf diese Führungspositionen. Oder sie haben einfach nicht die richtigen Netzwerke. Denn ganz so von allein funktioniert das Alles ja nicht. Auch nicht, nachdem der Bund den x-ten Beschluss gefasst hat, Gleichberechtigung in deutschen Führungsetagen durchzusetzen.

Was Folgen hat. Denn wenn doch wieder die traditionellen Netzwerke den Ausschlag geben, dann manifestiert sich auch ein bestimmtes Netzwerkdenken in den Führungsetagen. Vom Führungsstil ganz zu schweigen.

Insofern ist es schon etwas burschikos, wenn das Verwaltungsdezernat meint: „Im Bereich der Daseinsvorsorge kommen alle Menschen in Leipzig täglich mit den Produkten in Berührung – Wasser und Abwasser, Strom, ÖPNV, Krankenhäuser u. v. a.“

Ob all diese öffentlichen Einrichtungen tatsächlich gleichberechtigt mit Männern und Frauen besetzt sind auf allen Ebenen, verrät die Antwort freilich nicht. Tatsache ist: Es ist nicht so. Und das hat fast überall strukturelle Gründe. Welche das sind, wird deutlicher, wenn man den 2015 beschlossenen Gleichstellungsaktionsplan der Stadt Leipzig genauer betrachtet, auf den das Verwaltungsdezernat dezidiert hinweist: „Im Bereich der Gleichberechtigung gibt es verschiedene Maßnahmen. Die Antwort kann sich nur auf die Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik beziehen. Für die Stadt Leipzig beschloss der Stadtrat am 11. November 2015 den Gleichstellungsaktionsplan in 5 Feldern und mit 28 Einzelmaßnahmen. Die Stadtverwaltung und die Eigenbetriebe haben eigene Frauenförderpläne. Weitere Aussagen kann die Stadt Leipzig nicht liefern.“

Wer sich die fünf „Handlungsfelder“ betrachtet, sieht, dass Leipzig versucht, das Thema möglichst im diffusen Reparaturrahmen zu lassen. Kein einziger Punkt davon ist darauf angelegt, perspektivisch wirklich eine echte Gleichberechtigung herzustellen. Das Papier macht eigentlich überdeutlich, dass Leipzig gar nicht plant, „Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des Lebens im eigenen Hoheitsgebiet zu fördern“. Man hätschelt die vielen Feigenblättchen, die man sich in allen Bereichen geschaffen hat.

Aber am grundlegenden Denken will man nichts ändern.

Wer eine „Sensibilisierung für Geschlechtergerechtigkeit“ will, der fängt nicht mit Genderprogrammen und der x-ten Medienkampagne an, sondern verändert Strukturen. Aber über nette Unterstützerprogramme kommt der „Gleichstellungsaktionsplan“ der Stadt nicht hinaus. Deswegen wird man auch Ende 2017 kein Denken antreffen, das die 50:50-Vertretung von Frauen in allen Entscheidungsgremien als selbstverständlich ansieht. Wenn doch mal eine durchrutscht, ist das bislang entweder Zufall oder eine Art „Zugeständnis“.

Leipzig ist eine Macho-Stadt. Daran hat sich auch durch den „Gleichstellungsaktionsplan“ nichts geändert.

Der Erste Gleichstellungsaktionsplan der Stadt von 2015.

Die burschikosen Antworten auf die Einwohneranfrage.

In eigener Sache: Für freien Journalismus aus und in Leipzig suchen wir Freikäufer

https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/11/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar