Eines haben die Verantwortlichen im Werk 2 mit ihrer Absage vom Montag schon mal erreicht. In der Fahrt aufnehmenden Debatte um die Debatte kommt das einladende Ordnungsdezernat der Stadt Leipzig in Erklärungsnöte und zieht nun zudem am 30. November mit der Veranstaltung ins kleinere „Volkshaus“ zu Ver.di um. Und die AfD zeigt, dass die Absage-Begründungen seitens der Kulturmacher am Kreuz nicht ganz falsch waren. In einer Mitteilung vom heutigen Tage geht es im gleichen Tonfall weiter wie immer, wenn es sich um „den Leipziger Süden“ dreht.
Es ist schon etwas merkwürdig, wie die Vorbereitungen zur Veranstaltung am Mittwoch, 30. 11., vonstatten ging. Seitens des Veranstalters war ganz offenkundig – wie sonst üblich – die Kommunikationsabteilung des Rathauses nicht einbezogen. Dies legen die fehlenden Informationen an die Presse nahe und im Rathaus gibt es nach L-IZ – Informationen längst Differenzen zum Umgang und der Planung des Themas im Ordnungsdezernat.
Seit gestern Abend wusste so beispielsweise nur die LVZ Bescheid, dass man die Veranstaltung „Debatte statt Gewalt – Leipzig lädt zum Bürgerforum“ nach der Absage des Werk 2 im Volkshaus veranstalten möchte. Offenbar glaubt irgendwer im Ordnungsdezernat, bei dieser Zeitung handele es sich um den Co-Veranstalter oder das amtliche Mitteilungsblatt der Stadt. Vielleicht stimmt auch beides.
Eine offizielle Mitteilung zum Umzug gab es an die Medien ebensowenig, wie noch in der vergangenen Woche zur ersten Ansetzung im Werk 2. Aus dem Bürgerforum wird so also eine Einladungsveranstaltung des Ordnungsdezernates. Der neue Termin mit der neuen Ortsangabe fehlt zur Stunde auf Leipzig.de, die neuen Informationen sind nicht zu finden. Unter der städtischen Hotline 0341- 35002581 jedenfalls war man heute freundlich und nahm die Teilnahmewünsche weiterhin auf und an. So auch den der L-IZ. Der zum Werk 2 vergleichweise weitaus kleinere Saal in der 5. Etage bei Ver.di im Volkshaus scheint also noch nicht gefüllt zu sein.
Offenbar macht die Veranstaltung demnach im Vorfeld mehr Radau, als die Teilnehmerzahl vor Ort letztlich hergeben wird. Erfahrungsgemäß passen in den Saal kaum mehr als 50 bis 70 Personen. Was auch an der fehlenden Information zum Inhalt der Debatte liegen könnte. Juliane Nagel (Die Linke) hatte bereits gestern ganz abgesagt, angeblich wird nun ein Ersatz für die Landtagsabgeordnete gesucht. In ihrem Statement hatte sie darauf hingewiesen, dass sich ihre Absage auch um die Frage dreht, wie jemand wie Uwe Wurlitzer über Gewaltlosigkeit in der Debatte neben ihr zu Stuhle kommen sollte.
Verbale Gewalt und fehlende Belege
„Am 30.11.2016 hätte ich mit einem AfD-Politiker auf einem solchen gesessen, der mich bereits verschiedentlich im Sächsischen Landtag und in Pressemitteilungen unter der Gürtellinie denunziert und angegriffen hat. Genau in diesem Rahmen kann eine Debatte über ein Zusammenleben ohne Gewalt nicht funktionieren.“, so Juliane Nagel in ihrer Absagebegründung.
Wurlitzer hatte Ende 2015 unter anderem behauptet, Nagel hätte mit dem Satz „Haut den Bullen die Schädeldecke ein“ zur Gewalt gegen Polizeibeamte aufgerufen. Für die Herkunft seiner Erkenntnisse konnte er anschließend keinerlei Belege vorlegen, am Ende wollte er es von einem AfD-Mitglied gehört haben, welches er jedoch nicht namentlich nannte. Quasi das Hörensagen vom Hörensagen mit dem Ziel, eine politische Gegnerin als gewaltorientierte Linksextremistin darzustellen. Oder eben das bewusste Eskalieren durch Diffamierung.
„Undemokraten des Werk II sagen demokratisches Bürgerforum ab“
So meldete sich nun heute der AfD-Kreisverband Leipzig zu Wort, um die Reihe der Angriffe auf langjährige, mehrfach preisgekrönte Vereine im Leipziger Süden fortzusetzen. Immer mit Verweis auf die angeblich üppigen Gelder der Stadt Leipzig. „Die mit reichlich öffentlichen Fördergeldern ausgestatten, Betreiber der sogenannten `Kulturfabrik` Werk II, brüskieren den einladenden Bürgermeister Rosenthal (Die Linke), in dem sie ein Bürgerforum auf dem Gelände des Werk II, einfach absagen. Laut einer Sprecherin des Werk II, stößt man sich daran, dass einem Vertreter der AfD ein Podium gegeben würde. Weiter wird die unbedingte namentliche Anmeldung zum Forum kritisiert.“ (Grammatikfehler wie im Original)
Das Werk 2 hatte hingegen vor allem den gesamten, seltsam kurzfristigen wie verschwiegenen Vorlauf der Veranstaltung und die fehlende Beteiligung von Bürgern an der Veranstaltung kritisiert. Daneben auch die Beteiligung letztlich zweier Gesprächsteilnehmer von AfD und CDU, welche die Arbeit der IG Kultur infrage stellen. Das „sogenannt“ vor „Kulturfabrik“ im Statement der AfD zeigt, wie sicher sich der Vorstand des Werk 2 war, als er vom sogenannten Kulturverständnis der AfD sprach. Dies scheint sich tatsächlich eher auf eine staatlich subventionierte Wagneraufführung zu beziehen, als auf die Subkultur, die Leipzig heute zur Boomtown mit all den vielen Kulturangeboten und der hohen internationalen Anziehungskraft vor allem für junge Menschen gemacht hat.
Ein gewachsener Baum, an den die AfD gern die Axt anlegen würde
„In unserer Heimatstadt Leipzig, in der der OBM `keine Gesinnungsprüfung` vor Vergabe von Fördermitteln an linke und linksextreme Vereine, propagiert, ist die Zeit gekommen, um in Zukunft die Mittelvergabe genauer unter die Lupe zu nehmen.“, so der Kreisverband Leipzig. Damit ist nun das Werk 2 in die Familie der Linksextremisten á la AfD aufgenommen – gemeinsam mit Conne Island, UT Connewitz und sicherlich noch unzähligen Vereinen, die gerade eben Connewitz, Plagwitz, Lindenau und die Eisenbahnstraße zu Zentren des Leipziger Lebens machen. Da sollte also auch die “IG Fortuna” im Osten der Stadt schon mal die Ohren anlegen, weil sie gerade das ehemalige Kino der Jugend retten will. Laut AfD sind nur Vereine förderwürdig, die sich politisch nach Parteilinie verhalten und ihre Türen für neurechte Ausgrenzungs-Propaganda auch da öffnen, wo täglich am gesellschaftlichen Miteinander gebaut wird.
Weshalb man nun die altdeutsche Jäger-Flinte nach dem „Conne Island“ auch auf das Werk 2 richtet. „Solche Vereine, wie das Werk II, die offensichtlich demokratische Spielregeln nicht akzeptieren wollen, dürfen in Zukunft nicht weiter mit Steuergeld in ihrem undemokratischen Verhalten gefördert werden. Die Förderrichtlinien sind strenger auf Verfassungskonformität zu trimmen.“
Stopp.
Der Werk 2 e.V. ist also nicht verfassungskonform, weil er jemandem die Tür weist, der ihn ganz offenkundig angreift? Spannende Idee. Auch die Sprache, etwas irgendwie „zu trimmen“ zeigt das Staatsverständnis der „Alternative“, die noch so jung ist, dass das alternative Werk 2 wie ein alter Demokratieanker am Kreuz wirkt. Wo der Werk 2 e.V. qua Gründung Widersprüche aushält, ist hier also wieder Staatsverständnis wie in der verblichenen DDR angesagt.
Der AfD-Furor am Schluss: „Vereine, die gegen die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit verstoßen, in dem Bürgerforen einfach abgesagt werden, weil Meinungen der Teilnehmer den Vereinsfunktionären nicht genehm sind, muss zukünftig der Weg zu Fördergeldern verwehrt bleiben.“
Abgesagt hat der Verein vor allem wegen der Art der Kommunikation des Ordnungsdezernates der Stadt Leipzig. Und der fehlenden (bürgerlichen?) Einbeziehung aller Beteiligten an einer “Debatte statt Gewalt”-Debatte und der Beteiligung von mindestens einem politischen Vertreter, der die Kultur im Süden Leipzigs eher als ein Krebsgeschwür statt als gelebte, breite Beteiligungstradition nach der Wende betrachtet.
Die Drohung bleibt. Was nicht AfD-like ist, muss weg. Wer sich gegen sie stellt, soll staatlich sanktioniert werden. Gut, dass die Partei des neoliberalen Kleinbürgeraufstandes zumindest in dieser Frage bereits jetzt mit offenen Karten spielt. Die Debatte im Volkshaus beginnt am 30. November ab 19 Uhr. 18:30 Uhr ist Einlass, Zugang gibt es über 0341- 35002581, die L-IZ ist dabei und wird via Ton oder/und Video berichten. Und die LVZ moderiert. Alles in Allem wohl das Spannendste an dieser Veranstaltung.
Update 30. November 13:30 Uhr: Für Juliane Nagel wird nun Parteikollege Enrico Stange an der Debatte am heutigen Abend teilnehmen. Hier finden sich die Antworten der Stadtverwaltung zu den Vorgängen rings um den Umzug der Veranstaltung.
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“Partei des neoliberalen Kleinbürgeraufstandes”. Der ist gut.^^
Als ob die AfD was von Demokratie verstehen würde. Versucht der sich da in Satire? Vielleicht druckt ihr dem Mann zu dem Termin mal die Wiki-Erklärung dazu aus, vielleicht geht ihm ja doch noch ein Licht auf.(Jaja, ich weiß. AfD und Demokratie – haha. Aber so kurz vor Weihnachten solls ja angeblich schon mal Wunder geben.^^)