Als das Leipziger Ordnungsdezernat jüngst auf eine Einwohner-Anfrage aus Plagwitz antwortete, klang das ganz so, als wären die Politessen angewiesen, nicht zu viel zu kontrollieren. Was die Grünen in dem Verdacht bestärkte, dass Leipzigs Politessen eine interne Weisung haben, bei Parkverstößen lieber zwei Augen zuzudrücken und lieber gar nicht zum Mittel des Abschleppens zu greifen, auch wenn die Fahrzeuge direkt in der Kreuzung oder auf Radwegen parken.
„Ist es die offizielle Auffassung der Verwaltung(-spitze), dass ‚eine generelle Durchsetzung des Parkverbotes auf Gehwegen […] grundsätzlich nicht angemessen‘ scheint“, hatten die Grünen gefragt. „Falls ja, welche negativen Folgen des Gehwegparkens für Sicherheit und Attraktivität des Fußgängerverkehrs werden von der Verwaltung anerkannt und wie werden diese abgewogen? Falls nein, werden die entsprechenden Abteilungen des Ordnungsamtes noch einmal über ihre Aufgaben belehrt?“
Aber als Antwort bekamen sie einen Spitzentanz: „Die Einwohnerfrage 2870 wurde am 28.06.2016 schriftlich beantwortet und ist im Ratsinformationssystem nachzuverfolgen. Daraus und auch aus dem bisherigen Schriftwechsel mit dem Fragesteller ist keineswegs zu entnehmen, dass das Gehwegparken nach Ansicht der Verwaltung grundsätzlich als nicht ahndungswürdig angesehen wird. Es sind Fallzahlen für das Stadtgebiet Leipzig und den konkret genannten Bereich Erich-Zeigner-Allee angegeben. Die Passage aus dem Schriftwechsel mit dem damaligen Fragesteller beschreibt das sogenannte Opportunitätsprinzip, welches bei der Erforschung und Ahndung von Verkehrsverstößen generell anzuwenden ist. Die eingesetzten Gemeindlichen Vollzugsbediensteten haben in der konkreten Lage des Einzelfalles über die Fertigung einer Anzeige des Regelverstoßes zu entscheiden. Sie sind über die Grundsätze des Verwaltungshandelns ausreichend geschult.“
Dieses „Opportunitätsprinzip“ steht nicht in der STVO, sondern im „Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)“, § 47 Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Der erste Satz lautet: „Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen.“
Es sieht also ganz so aus, als würde die Stadt Leipzig ein anderes Opportunitätsprinzip meinen. Denn ob man Verstöße mit einem Bußbescheid nicht ahndet oder das Verfahren später einstellt, ist ja sichtlich ein Unterschied. Wenn man erst gar keine „Knöllchen“ verteilt, obwohl ein Verkehrsverstoß vorliegt, lädt das ja geradezu zum chaotischen Verhalten ein und ist etwas anderes, als wenn im späteren Verfahren festgestellt wird, dass man es bei einer Verwarnung belässt.
Und natürlich ist auch das Parken auf Fußwegen verboten. Es sei denn, die Stadt erlaubt es mit extra aufgestellten Hinweisschildern.
Aber so hat das Ordnungsdezernat nicht argumentiert. Irgendwie scheinen in Leipzig tatsächlich andere Regeln zu gelten. Was die Grünen zu der Frage brachte: „Da in dem Anschreiben darauf verwiesen wird, es verbleibe in der Regel genügend Platz für den Fußgängerverkehr: Wie viel Platz für den Fußgängerverkehr ist nach Auffassung des Ordnungsamtes genügend? Was sind offenkundige Behinderungen des Fußgängerverkehrs nach dem Verständnis des Ordnungsamtes, sind z. B. zugeparkte abgesenkte Bordsteinkanten in Kreuzungsbereichen eine Behinderung des Fußgängerverkehrs?“
Eigentlich eine Frage, die jedem ordentlichen Ordnungsamt peinlich sein müsste. Denn wenn es klar geregelte Mindestbreiten für Fußwege gibt, dann kann man nicht damit argumentieren, Fußgänger würden neben falsch geparkten Autos noch Platz finden.
Entsprechend windet sich das Dezernat jetzt mit der Antwort: „Diese Frage kann so pauschal nicht beantwortet werden. Es kommt zunächst auf die konkrete Örtlichkeit und das Fußgängeraufkommen an. Fahrzeuge, die in Fußgängerbereichen in der Innenstadt geparkt werden, stören wegen des regelmäßig hohen Fußgängeraufkommens natürlich viel eher als in einer verkehrsberuhigten Wohngebietsstraße.“
Das ist eine Antwort, die aus dem Ordnungsdezernat überhaupt nicht hätte kommen dürfen: Parken auf Gehwegen ist generell verboten. Und selbst die Mindestbreiten für freizuhaltende Fußwege sind definiert: mindestens 2,50 Meter.
Alles andere ist Trickserei. Das Ordnungsdezernat: „Auf Basis obergerichtlicher Rechtsprechungen wird teilweise eine verbleibende Breite von einem Meter, teilweise auch 1,60 Meter nicht als ausreichend erachtet. Es kommt, wie bereits erwähnt, immer auf den konkreten Einzelfall an. Um ein Passieren der Fußwege nicht nur für Fußgänger, sondern auch für zu Fuß Gehende mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer zu gewährleisten, ist in der Praxis eher auf 1,60 Meter abzustellen.“
Aber dann beginnt das Tanzen im „Opportunitätsprinzip“, das hier in Wirklichkeit noch gar nicht gilt: „Grundsätzlich stellen Verstöße gegen gesetzliche Halt- und Parkverbote sowie gegen den ruhenden Verkehr beschränkende oder verbietende Verkehrszeichenregelungen eine Ordnungswidrigkeit dar. Etwaige Behinderungen richten sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, führen in der Regel zu einem erhöhten Verwarngeld und erforderlichenfalls zu einer Abschleppanordnung.“
Und dann?
Dann endet die Auskunft. Da, wo es eigentlich spannend wird.
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