Für einen Eklat insbesondere bei jenen Leipziger Initiativen, die seit Jahren darum kämpfen, dass städtische Liegenschaften nicht immer nur nach Höchstgebot verkauft werden, sorgte der nicht abgestimmte Vorstoß des Liegenschaftsamtes, erste städtische Immobilien unter „Konzeptvergabe“ auszuschreiben. Doch echte Konzeptvergaben waren das nicht. Jetzt fordern drei Stadtratsfraktionen den Stopp dieses „Pilotprojekts“.

Denn ein Modellversuch sei es, beschwor die Stadt bei einem Pressetermin am 24. August. Für die Ratsfraktionen, die nun schon seit Jahren darum gerungen haben, dass das Wort Konzeptvergabe überhaupt in der Vergabepolitik der Stadt auftaucht, war das Vorpreschen des Liegenschaftsamtes eine regelrechte Ohrfeige. Auch vor dem Hintergrund, dass die Verwaltung ihr Strategiepapier zur künftigen Grundstückspolitik erst im Herbst vorlegen will. Da sah der Vorstoß des Liegenschaftsamtes schon wieder wie ein Versuch aus, die Vorgaben des Stadtrates von Anfang an zu unterlaufen.

„In den Sommerferien wurden seitens des Liegenschaftsamtes am 20.07. und 21.07.2016 in die Liste aktueller Immobilienangebote der Stadt Leipzig die in Punkt 1. des Antrages genannten fünf Grundstücke aufgenommen, die mittels ‚Konzeptvergabe‘ veräußert werden sollen“, begründen jetzt SPD-, Grüne und Linksfraktion ihren Antrag, die fünf ausgeschriebenen Angebote sofort wieder zurückzunehmen. Denn wirkliche Vergabe nach Konzept (und nicht nach Preis) ist keines der fünf Angebote.

„Die Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen stellen in Bezug auf den bisherigen Verfahrensverlauf und die insbesondere allein von der Verwaltung festgelegten Kriterien und ausgewählten Grundstücke fest, dass die unter dem Modellprojekt ‚Konzeptvergabe‘ laufenden Veräußerungen nicht im Einklang mit den vom Stadtrat im Jahr 2015 gefassten Beschlüsse zur Betroffenen- und Interessenbeteiligung an der Erarbeitung von Sozialkriterien für die Vorbereitung von konzeptionellen Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von städtischen Liegenschaften und Grundstücken, zum Wohnungspolitisches Konzept der Stadt Leipzig (Fortschreibung 2015) und zur Aktualisierung der strategischen Liegenschaftspolitik stehen“, schreiben die drei Fraktionen in ihrem Antrag. Wieder einmal versucht die Verwaltung, aus eigener Ermächtigung zu bestimmen, nach welchen Kriterien die Grundstücke vergeben werden sollen.

Dass Konzeptvergaben vor allem und ausschließlich klar definierte soziale Belange definieren, wurde einfach negiert. Irgendwie sind sie in den Ausschreibungen zum Mäntelchen geworden – aber ansonsten wolle man wieder nach Höchstgebot vergeben, so das Liegenschaftsamt in den Ausschreibungen.

So deutlich hat das Liegenschaftsamt lange nicht gegen die Vorgaben aus dem Stadtrat gearbeitet.

„Bei den fünf Veräußerungen handelt es sich um konditionierte Höchstpreisverfahren, die nicht den Anforderungen des Wohnungspolitischen Konzeptes entsprechen, in dem es um eine weitgehende Beteiligungsorientierung, um kostengünstige Wohnungen und selbst organisierte Verantwortungsübernahme geht!“, betonen die drei Ratsfraktionen. Aber vielleicht merken sie jetzt so langsam, wie sehr große Teile der Verwaltung tatsächlich gegen die sozialen Belange im Wohnungspolitischen Konzept angearbeitet haben. Hier wird es überdeutlich. „Die nicht nachvollziehbare Auswahl der Grundstücke sowie die gesetzten knappen Fristen behindern zudem eher das Modellprojekt, als dass es dadurch erfolgsorientiert befördert wird. Auch eine Vergabe nach Erbbaurecht wird in der Testphase gänzlich nicht in Betracht gezogen. Kooperative Wohnformen, die in Form von gemeinschaftlichem oder genossenschaftlichem Eigentum organisiert sind, werden zudem weder explizit noch bevorzugt berücksichtigt.“

Und im Stadtrat rückgefragt hat auch kein Verantwortlicher. Man macht im Amte also wieder sein gewohntes Ding, denkt sich ein paar Kriterien aus und negiert einfach den Antrag, bei der Kriterienfindung die Betroffenenen-Initiativen an den Tisch zu holen. Ist das nun reine Ignoranz oder amtliche Arroganz?

„Die antragstellenden Fraktionen sprechen sich deshalb und auch aufgrund Nichtbefassung des Stadtrates im Vorfeld für einen Stopp des Modellprojektes bzw. der Testphase sowie Aufhebung der Ausschreibungen aus. Da die Betroffenen- und Interessenbeteiligung zur Erarbeitung von Sozialkriterien für die Vorbereitung von konzeptionellen Ausschreibungsverfahren nicht stattgefunden hat, halten wir eine in Betracht gezogene sachgerechte und zielführende Nachbesserung der Ausschreibungen für nicht möglich“, schreiben die drei Fraktionen im gemeinsamen Antrag. Und machen – was ja Ämter sehr selten tun – einen Vorschlag, wie die Beteiligung nach drei Jahren Herumgerede zum Wohnungspolitischen Konzept organisiert werden könnte: „Wir fordern und schlagen den umgehenden Neustart des Modellprojektes ‚Konzeptvergabe“ unter Beachtung der bereits genannten Stadtratsbeschlüsse vor. Vor dem Hintergrund, dass seitens des Liegenschaftsamtes vorgetragen wird, es gebe keine Beispiele von (erfolgreichen) Konzeptvergaben auf die zurückgegriffen werden könnte, wird vorgeschlagen, vor der Erarbeitung von Sozialkriterien für die Vorbereitung von konzeptionellen Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von städtischen Liegenschaften und Grundstücken die Durchführung einer Stadtwerkstatt voranzustellen.

Inhalt der Stadtwerkstatt könnte sein:

– Wozu dient die Konzeptvergabe?
– Lernen von Beispielen: Hamburg, Berlin, München, Tübingen, Stuttgart etc.
– Was heißt das für Leipzig?
– Was sind die nächsten Schritte gerade in Bezug auf die Erarbeitung von Sozialkriterien für die Vorbereitung von konzeptionellen Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von städtischen Liegenschaften und Grundstücken?

Mit diesem Antrag wollen die drei Fraktionen, so betonen sie, endlich die Voraussetzungen schaffen, „damit das wohnungspolitische Steuerungsinstrument der Konzeptvergabe erfolgreich im Sinne der gefällten Stadtratsbeschlüsse im Rahmen des Modellprojektes getestet werden kann. Gründlichkeit geht uns dabei vor Schnelligkeit!“

Der letzte Satz stammt tatsächlich von den drei Fraktionen. So viel Leben hat man im Stadtrat lange nicht gesehen. Und so viel kritische Distanz zu einer Verwaltung, die sich seit zehn Jahren daran gewöhnt zu haben scheint, dass nicht der Stadtrat, sondern sie selbst bestimmt, wo es langgeht.

Der gemeinsame Antrag der drei Fraktionen.

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