Es ist schon erstaunlich. Aber nach vier Jahren ist ein zentrales Leipziger Anliegen wieder hinter den Stand von 2012 zurückgefallen. Eigentlich sogar auf den von 2010. Damals hatte Leipzigs Stadtrat beschlossen, bei der Staatsregierung auf die Einsetzung eines unabhängigen Lärmschutzbeauftragten am Flughafen Leipzig/Halle zu drängen. Jetzt tut Bürgermeister Heiko Rosenthal so, als hätte es den Beschluss nie gegeben.
Die Grünen hatten nachgefragt. Natürlich kann es auch daran liegen, dass die Grünen selbst schon vergessen haben, dass es mal so einen Beschluss gab, zu dem der residierende Leipziger Umweltbürgermeister 2012 noch verkündete, man arbeite dran. Aber das hat er wohl inzwischen auch vergessen. Oder der, der dran gearbeitet hat, ist in Ruhestand gegangen.
Jedenfalls gibt es bis heute keinen unabhängigen Lärmschutzbeauftragten für den Flughafen Leipzig/Halle, nur einen abhängigen, den die Mitteldeutsche Flughafen AG bestellt hat und der sich irgendwie um beide Flughäfen – den in Dresden-Klotzsche und den in Schkeuditz – kümmert.
Das war schon 2010 nicht genug, denn augenscheinlich hat er nicht viele Möglichkeiten, im Interesse der Lärmbetroffenen tätig zu werden. Augenscheinlich sammelt er nur die Beschwerden ein und kümmert sich irgendwie um allerlei Dinge, auch wenn er darüber nirgends berichtet.
Entsprechend werden die Grünen wohl staunen, wenn sie lesen, wie flott der zuständige Bürgermeister für Umwelt, Ordnung, Sport und Lärm ihnen jetzt auf ihre Fragen antwortet.
„Hält die Stadt Leipzig es für ausreichend, dass es keinen eigenen Lärmschutzbeauftragten am Flughafen Leipzig/Halle gibt?“, hatten sie gefragt, und: „Hält die Stadtverwaltung es für realistisch, dass sich der Lärmschutzbeauftragte der MFAG um die Belange der Fluglärmbetroffenen in Leipzig effizient kümmern kann, wenn er vor allem in Dresden arbeitet? Wie wird dennoch Bürgernähe gewährleistet?“
Und dann antwortet ihnen der Bürgermeister tatsächlich, als wäre das Thema Fluglärm völlig neu und er würde ihnen jetzt bei Kummer und Sorgen einfach einen Anruf beim Lärmschutzbeauftragten des Flughafens empfehlen: „Die Belange des Fluglärmschutzes am Flughafen Leipzig/Halle werden durch die Stabsstelle Lärm-/Umweltschutz unter Leitung von Herrn Mäder koordiniert. Neben der Umsetzung des Schallschutzprogrammes werden in der Stabsstelle auch der kontinuierliche Betrieb der Fluglärmmessstellen und die Beantwortung von Bürgeranfragen jederzeit sichergestellt. Herr Mäder ist mehrere Tage pro Woche am Standort Leipzig/Halle präsent. Die Aufgabenerfüllung ist aufgrund der Möglichkeiten moderner Kommunikation generell jederzeit und unabhängig vom Dienstsitz des Leiters gewährleistet. Die Aktivitäten der Flughafen Leipzig/Halle GmbH zum Fluglärmschutz werden im Internetauftritt des Unternehmens dargestellt. Für die Bürger der Stadt Leipzig besteht sowohl per E-Mail als auch Telefon jederzeit die Möglichkeit einer direkten Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern der Stabsstelle. Neben Herrn Mäder, dem Leiter der Stabsstelle, steht am Standort Leipzig/Halle insbesondere auch Herr Apitzsch, der bereits über längere Zeit dort tätig ist, für Bürgeranfragen zur Verfügung.“
Tatsächlich erfährt, wer wirklich etwas wissen will über die Fluglärm-Minderungs-Aktivitäten des Flughafens Leipzig/Halle, auf dessen Website nicht allzu viel. Dazu müssen Ratsversammlungen immer erst den zuständigen Flughafenchef einladen (wie es die Schkeuditzer häufiger tun), damit er mal vor einem politischen Gremium erzählt, was sonst hinter Nebelwänden und Schönfärberei verschwindet.
Und irgendwie wäre es – bei einem staatlichen Flughafen, an dem auch die Stadt Leipzig beteiligt ist – doch folgerichtig, dass die Bürger über die Lärmprobleme informiert werden? So hatten die Grünen auch gefragt: „Da der Fluglärmschutzbeauftragte auch auf den Internetseiten des Flughafens nicht vorgestellt und seine Aufgaben nicht beschrieben werden, wäre es nicht sinnvoll, die Stadt Leipzig würde seine Aufgaben darstellen und erklären, mit welchen Erwartungen man sich an ihn wenden kann?“
Und Leipzigs Umweltbürgermeister stimmt ihnen halb zu, was ja schon mal etwas ist. Aber bevor die Stadt selbst eine informative Seite aufbaue, müsste noch ein bisschen Wasser die Pleiße runterlaufen, meint er. Denn irgendwie darf man nicht, selbst wenn man wollte.
Oder mit den Worten des Umweltdezernats: „Für die Darstellung der Aktivitäten der Stabsstelle Lärm- /Umweltschutz der Flughafen Leipzig/Halle GmbH zum Fluglärmschutz im Internet ist die Stadt Leipzig nicht zuständig. Gern kann die Frage der Gestaltung einer informativen und bürgerfreundlichen Internetpräsenz zum Thema Fluglärm, Fluglärmschutz und Zuständigkeiten durch die Einreicherin der Stadtratsanfrage im Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle, an dem auch die Flughafen Leipzig/Halle GmbH seit 2014 teilnimmt, diskutiert werden. Wenn im Dialogforum konkrete Inhalte erarbeitet werden, ist die Erstellung von Informationsseiten der Stadt Leipzig zu diesem Thema im Internet realisierbar.“
Und dann kommt diese Erinnerung an das Jahr 2010, als eben dieser Bürgermeister vom Stadtrat beauftragt wurde, sich beim Verkehrsminister für die Einsetzung eines unabhängigen Lärmschutzbeauftragten für den Leipziger Flughafen einzusetzen. Einen Auftrag, den der Umweltbürgermeister bis heute nicht erfüllt hat. Deswegen fragten die Grünen nun: „Wird die Stadt sich als Interessenvertreterin für ihre Bürgerinnen und Bürger für einen, wie es an allen anderen Flughäfen Deutschland die Regel ist, vom Flughafen unabhängigen Lärmschutzbeauftragten sowie für eine transparente Darstellung seiner Arbeit einsetzen?“
Und der flockige Bürgermeister in seiner Sommerlaune antwortet tatsächlich, als wäre da nie etwas gewesen: „Die Bestellung einer bzw. eines behördlich bestellten Fluglärmschutzbeauftragten für den Flughafen Leipzig/Halle ist in Deutschland gesetzlich nicht vorgeschrieben. Zuständig für den Fluglärmschutz am Flughafen Leipzig/Halle ist das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. In seiner Funktion als oberste Luftfahrtbehörde und Genehmigungsbehörde nimmt es diese Aufgabe in Zusammenarbeit mit der örtlichen Luftaufsicht wahr. Die Stadt Leipzig hat keinen Einfluss auf die Organisations- und Beschäftigungsstruktur der Landesbehörden und wird mit der Weitergabe dieses Anliegens an die zuständige Behörde nichts erreichen. Aus diesem Grund wird empfohlen, dieses Anliegen an den Sächsischen Landtag heranzutragen.“
Da hat einer einfach seit sechs Jahren seine Aufgaben nicht gemacht und meint tatsächlich, der Leipziger Stadtrat solle sich doch beim Sächsischen Landtag selbst um eine Lösung bemühen.
Vielleicht sollten ihm die Grünen einfach eine Fahrkarte nach Dresden spendieren. Vielleicht traut er sich ja dann mal, im Namen der Stadt Leipzig ins Verkehrsministerium zu fahren und das Anliegen von 2010 dort vorzutragen – als offiziell beauftragter Vertreter der Stadt Leipzig. Vielleicht spendieren sie ihm auch zwei Bahnkarten, damit noch einer mitfahren kann, der ihm Mut macht auf den letzten Metern ins Ministerium: „Nicht verzagen, Heiko. Du bist Bürgermeister.“
Die komplette Antwort des Umweltdezernats.
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Es gibt 2 Kommentare
Es ist aber auch verflixt, die Stadt Leipzig kann gar nichts machen, selbst wenn sie wöllte… am besten, man schweigt das Thema tot… vielleicht vergessen es ja die betroffenen Bürger dann auch mal…
“Dass er 2010 einen Auftrag bekommen hat, hat Leipzigs Fluglärmbürgermeister schon längst wieder vergessen”
Dummheit oder Absicht?