Es kocht nicht nur in Plagwitz und Lindenau, wo die Emotionen aufschäumen in Bezug auf eine Wohnungspolitik, die eigentlich nicht existiert. Konzepte gibt es jede Menge, Stadtratsbeschlüsse auch. Aber da, wo in der Leipziger Verwaltung wirklich die Weichen gestellt werden, werden mit aller Macht die alten Leitlinien umgesetzt. Trotz kühner Pläne zu einer „Konzeptvergabe“, wie das Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ jetzt kritisiert.

Es waren die Fraktionen von Linken und Grünen, die nicht locker gelassen hatten, dass das Wort Konzeptvergabe überhaupt mal im Sprachkosmos des Leipziger Liegenschaftsamtes auftaucht. Das kannte bis jetzt bloß eine Vorgehensweise: Städtische Grundstücke wurden meistbietend angeboten. Das Höchstgebot bekam den Zuschlag. Es wurde nicht danach gefragt, ob damit auch ein paar wohnungspolitische Probleme in Leipzig angepackt werden. Nur das Höchstgebot zählte.

Jetzt ist zwar eine Schwalbe durchs Internet geflogen. Das Liegenschaftsamt hat ja fünf Angebote mit Konzeptvergabe veröffentlicht. Aber tatsächlich sind es nur Potemkinsche Dörfer, stellt das Netzwerk in seiner Analyse fest. Mit echten Modellvorhaben haben alle fünf Angebote nichts zu tun. Im Gegenteil: Die Ausschreibungsbedingungen verhindern, dass es überhaupt zu Modellprojekten kommen kann.

Logisch, dass das Netzwerk einen sofortigen Abbruch des laufenden Verfahrens fordert. Auch unter einem Aspekt, der überhaupt nicht vorkommt: dem von Linksfraktion und Grünen-Fraktion zwingend geforderten Runden Tisch.

In deren Antrag von 2015 lautete das so: „Für die Ausschreibung geeigneter Liegenschaften werden konkrete Kriterien und Verfahrensvorschläge von einem Runden Tisch erarbeitet und dem Stadtrat im 2. Quartal 2016 zur Beschlussfassung vorgelegt.“ – Im beschlossenen Antrag hieß es explizit: „Die konkreten Kriterien und Verfahrensvorschläge sollen von einem Runden Tisch erarbeitet und dem Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt werden. An dem Runden Tisch werden VertreterInnen der Stadtverwaltung, der Stadtratsfraktionen, der Wissenschaft, verschiedener gemeinnützig orientierter Eigentumsformen (Genossenschaften, Wächterhäuser, Kollektivhäuser, der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie der Immobilienwirtschaft) beteiligt.“

Ein solcher Runder Tisch wurde bis heute nicht aus der Taufe gehoben – jedenfalls nicht so, dass die Betroffenen davon bis heute irgendetwas erfahren hätten.

„Die vom Liegenschaftsamt betriebene ‚Konzeptveräußerung‘ von fünf städtischen Grundstücken hintergeht in eklatanter Weise die gültige Beschlusslage des Stadtrates! Tatsächlich handelt es sich beim angewendeten Verfahren um eine verdeckte Höchstpreisveräußerung“, kommentiert das Netzwerk die Ergebnisse seiner Analyse.

Es vermisst auch etwas, was man eigentlich zwingend erwarten könnte, wenn Interessengruppen, die nun wirklich einmal bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen, sich um solche Immobilien bewerben sollen: ein Angebot in Erbbaurecht. Denn aktuell scheitern sie immer wieder daran, dass sie die Kredite in sechsstelliger Höhe gar nicht von den Banken bekommen.

Beispielhaft nennt Tobias Bernet vom Netzwerk „Leipzig – Stadt für alle“ ein typisches Gebäude am Rabet: „Bei der Hermann-Liebmann-Straße 43 handelt es sich um ein denkmalgeschütztes, aber durch jahrelange Untätigkeit des Liegenschaftsamtes mittlerweile ruinöses Gründerzeithaus, das die Stadtverwaltung vor wenigen Jahren noch abreißen wollte. Nun verlangt das Liegenschaftsamt dafür als Mindestgebot 300.000 Euro.“

Nach der aktuellen Bodenrichtwertkarte würde der Grundstückskauf etwas über 60.000 Euro kosten. Das darauf stehende Haus aber wollte die Stadt schon einmal abreißen lassen. Es grenzt also schon an Geldschneiderei, wenn  das ruinöse Gebäude – in das ja auch noch einmal sechsstellige Summen investiert werden müssten, um es vom Schwamm zu befreien und wieder bewohnbar zu machen – jetzt auf einmal 240.000 Euro kosten soll.

Da diktiert also noch immer das alte, auf reiche Immobilieninvestoren zielende Denken im Liegenschaftsamt.

Erbbaurecht? Das Wort kommt nicht mal vor.

„Entgegen einem Stadtratsbeschluss vom April 2015 werden weiterhin Verkäufe anstatt Vergaben im Erbbaurecht geplant“, kritisiert das Netzwerk. „Ebenso wird die gemäß dem eben erst verabschiedeten Wohnungspolitischem Konzept besondere Förderwürdigkeit kooperativer Wohnformen komplett ignoriert. Stattdessen will das Liegenschaftsamt städtisches Eigentum weiterhin an Private und profitorientierte Investoren verkaufen. So kann auf den städtischen Grundstücken der in Leipzig dringend benötigte bezahlbare Wohnraum nicht entstehen. Der Verdacht liegt nahe, dass das Liegenschaftsamt mit seinem ‚Modellvorhaben‘ ein Scheitern des Instruments Konzeptvergabe provozieren will. Es wurden insbesondere für nicht profitorientierte Erwerber ungeeignete Grundstücke ausgewählt.“

Angebot des Liegenschaftsamtes: 300.000 Euro für die Hermann-Liebmann-Straße 43. Screenshot: L-IZ
Angebot des Liegenschaftsamtes: 300.000 Euro für die Hermann-Liebmann-Straße 43. Screenshot: L-IZ

Man könnte auch sagen: Man bietet jetzt – für teuer Geld – den übrig gebliebenen Ramsch aus dem Leipziger Immobilienportfolio unter einem Label, das nicht zum Inhalt passt.

„Da das ‚Modellvorhaben‘ schlicht kein Konzeptverfahren ist und die Entscheidungsfindung bei den geplanten Vergaben darüber hinaus völlig intransparent, müssen Stadtrat, Bürgermeister_innen und Stadtverwaltung die Einhaltung der geltenden stadträtlichen Beschlusslage gegenüber dem Liegenschaftsamt durchsetzen und das laufende Verfahren abbrechen, wenn es ihnen mit einer sozialen Stadtentwicklungspolitik ernst ist“, fordert das Netzwerk, das nun schon seit Jahren darum kämpft, dass alternative Wohnformen überhaupt einen Weg in die Leipziger Wohnungspolitik finden.

„Bei einer Neuauflage einer echten Konzeptvergabe im Erbbaurecht muss ein ‚Runder Tisch‘ mit Vertreter_innen der Stadtverwaltung, der Stadtratsfraktionen, der Wissenschaft und verschiedener kooperativer und gemeinnützig orientierter Wohnprojekte federführend sein und jeden Schritt des Verfahrens transparent begleiten“, fordert Cilia Lichtenberg von „Leipzig – Stadt für alle“. „Schließlich gibt es aus anderen Städten – aktuell z. B. Dresden – genügend positive Vorbilder für ein echtes Konzeptverfahren, das mithelfen könnte, in Leipzig eine aktive Liegenschaftspolitik als Teil einer sozialen Wohnungspolitik auf den Weg zu bringen.“

Analyse und Argumentation des Netzwerks.

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