Sodom und Gomorra auf den rund 700 Spielplätzen in Leipzig. Rauchende, saufende und randalierende Jugendliche und Erwachsene, welche Stück um Stück spielende Kinder an den Rand drängen, Verwüstungen hinterlassen und Lasterhaftes treiben. Natürlich nicht so extrem, aber die Frage, was auf den öffentlich zugänglichen Kinderspielplätzen der Stadt verboten ist und wer dies kontrolliert, fand heute nicht das erste Mal den Weg in den Stadtrat.

Die Debatte am 23. März 2016 im Stadtrat Leipzig zum Nachhören

 

In mehreren Debatten 2007 bis 2009 hatte der damalige Stadtrat entschieden, Alkohol- und Rauchverbote nicht in die Leipziger Polizeiverordnung aufzunehmen. Heute erfolgte ein weiterer Vorstoß seitens der CDU-Fraktion zum Begegnungsbereich Kinderspielplatz. Hunde müssen draußen bleiben. Dies gilt jetzt bereits auf allen Spielplätzen der Stadt Leipzig. Nur mit den Regelungen zu den Zweibeinern gab es noch ein paar offenen Fragen. Was man darf und was man nicht darf, solle nun noch deutlicher in einer städtischen Nutzungssatzung für Spielplätze festgeschrieben werden.

Die CDU Fraktion beantragte, dass öffentlich zugängliche Spielplätze von 6:00 bis 22:00 Uhr entsprechend ihrem Zweck benutzt werden dürfen und es zukünftig verboten sei, „Alkohol zu konsumieren oder sich in alkoholisiertem Zustand auf dem Platz aufzuhalten und zu rauchen sowie Tabakwaren bzw. Teile davon (Zigarettenkippen) wegzuwerfen.“ Möglichst gleiche Regelungen sollten auch für Spielplätze der LWB und den Wohnungsgenossenschaften in Leipzig festgeschrieben werden. Denn die CDU hat folgenden Zustand festgestellt, dass sich wohl spätabendlich bzw. in den Nächten hier Treffpunkte „für Gruppen lautstarker Jugendlicher und Orte gemeinsamen Alkohol- oder gar Drogenkonsums“ finden. Die Folgen der Zweckentfremdung „sind ruhestörender Lärm, Vandalismus sowie Vermüllung durch Glasscherben, Zigarettenkippen und Drogenspritzen“.

Achim Haas (CDU). Foto: Alexander Böhm
Achim Haas (CDU) Foto: Alexander Böhm

Aufgrund der Zweckbestimmung von Spielplätzen und des Alters ihrer Zielgruppe ergebe sich jedoch automatisch eine auf die Tagesstunden begrenzte Nutzungszeit. „Angesichts der häufigen Zweckentfremdung halten wir es für sinnvoll, diese Nutzungsbegrenzung auch förmlich in der Polizeiverordnung festzuschreiben, so wie es z.B. die Stadt Chemnitz praktiziert“, so die Fraktion in ihrem heutigen Antrag.

Dieser rief das Jugendparlament der Stadt auf den Plan, welches feststellt: „Wir halten es für unnötig, den Aufenthalt auf Spielplätzen zwischen 22 und 6 Uhr zu verbieten, da diese in dieser Zeit durchaus problemlos einen Aufenthaltsort für Jugendliche bieten können und oftmals auch die beste Möglichkeit für ein abendliches Zusammenkommen bieten. Gegen Jugendliche, welche Vandalismus begehen oder welche sich so verhalten, dass es Anwohner stört, haben Anwohner und Polizei unserer Meinung nach bereits genügend Handhabe. Daher streichen wir in unserem Antrag den ersten Punkt des Originalantrags.“

Die Linksfraktion sah im Vorfeld der Debatte noch ein anderes Problem.

Wer soll die Schließzeiten auf den 340 städtischen Spielplätzen flächendeckend kontrollieren?

Es fehle schlicht an Personal seitens des Ordnungsamtes. Weshalb sie eine personelle Aufstockung des Stadtordnungsdienstes forderten, mehr Geld also aus dem Stadtsäckel. Wie auch die seitens der CDU in einem weiteren Punkt geforderten Begrünungen zur besseren Abgrenzung der Spielplatzareale. In der Positionierung der Stadtverwaltung heißt es, dass ein Alkohol- und Rauchverbot auf den weiteren rund 400 privaten Spielflächen der Wohnungsgenossenschaften und der LWB nur durchzusetzen wäre, wenn die Eigentümer für die Nutzung ihrer Flächen die Nichteinhaltung selbst sanktionieren. Bis heute lägen dem Ordnungsamt Leipzig „keine hinreichenden Erkenntnisse vor, dass Betreuungspersonen der spielenden Kinder oder Dritte auf Spielplätzen während der üblichen Benutzungszeiten oder darüber hinaus in einem Maß oder Umfang, wonach Regelungsbedarf angezeigt wäre, dem Alkohol übermäßig zusprechen bzw. Zigarettenkippen im Spielsand und näherer Umgebung entsorgen.“

Norman Volger (Grüne). Foto: Alexander Böhm
Norman Volger (Grüne). Foto: Alexander Böhm

Hinzu käme, dass bereits heute „gegen Gruppen jugendlicher oder erwachsener Personen, welche im Einzelfall die Sitzgelegenheiten an Spielplätzen als Treff für den gemeinsamen Alkoholkonsum nutzen und dadurch den bestimmungsgemäßen Gebrauch behindern“, nach gegenwärtiger Rechtslage in Anwendung des § 4 Abs. 2 PolVO wirksam vorgegangen werden könne. Wenn die Stadt argumentiert, dass „aufdringliches und aggressives Verhalten sowie dadurch – insbesondere auch infolge Alkohol- oder Rauschmittelgenusses – hervorgerufene Belästigungen auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 PolVO verfolgt werden können“, meint dies etwas Einfaches.

Wird die Polizei wegen der Ruhestörung gerufen, muss sie auch ohne eine explizite Festschreibung eingreifen. Die begehrten verschärfenden Regelungen in der PolVO seien deshalb nach gegenwärtigem Sachstand nicht zu veranlassen, so die Verwaltung. Um jedoch im Sinne des Antrages der CDU ein Zeichen zu setzen, habe man das Amt für Stadtgrün und Gewässer bereits damit beauftragt, „Alkohol- und Rauchverbote auf Spielplätzen oder in bestimmbaren Bereichen von Parkanlagen in Benutzungsordnungen oder -satzungen für öffentliche Kinderspielplätze und deren Umgebung ebenso wie Festlegungen zu Nutzungszeiten“ auszuarbeiten.

Die Debatte: Schutz der Kinder oder Symbolpolitik?

In der Debatte vertiefte Achim Haas (CDU) nochmals die Sicht seiner Fraktion: Lärmbelästigung durch lautstarke Zusammenkünfte, die Polizei müsste öfter ausrücken, Anwohnerbeschwerden seien ein weiterer Grund für die notwendigen Anpassungen. Dem Antrag der Linken zu einer nicht näher genannten Personalaufstockung des Ordnungsdienstes könne sich seine Fraktion anschließen. William Rambow vom Stadtjugendparlament schilderte das Problem aus Sicht von Jugendlichen anhand des eigenen Verhaltens. Letztlich verstehbar, gerade im Sommer wollen nicht alle in Bars gehen, sondern sich einfach auch im Freien treffen. Eine Frage des eigenen Verhaltens und der Notwendigkeit des polizeilichen Eingreifens von Fall zu Fall.

Norman Volger (Die Grünen) versuchte sich kurz zu fassen. Er sah schlicht keinen Handlungsdruck angesichts der realen Verhältnisse und sagte: „Der Verwaltungsstandpunkt gibt ziemlich präzise wieder, was die Stadt tut und warum sie es tut.“ Dass genüge vollkommen. Für Volger blieb eher unklar, warum man diese Debatte überhaupt nochmals führen müsse. Er kündigte die vollständige Ablehnung aller Anträge durch seine Fraktion an.

Michael Schmidt (Grüne). Foto: Alexander Böhm
Michael Schmidt (Grüne). Foto: Alexander Böhm

Nicole Wohlfarth (SPD) nannte alle Anträge der CDU reine Symbolpolitik und gratulierte der Fraktion deshalb. Aus ihrer Sicht gehe die Lebensrealität an all diesen Vorschlägen vorbei. Die Anträge würden nichts bewirken, die von den Linken geforderten Personalaufstockungen eine sinnlose Geldausgabe und fragte zudem, ob eine noch deutlichere Begrünung rings um Spielplätze in Form von Angrenzungen nicht eher dazu führen, dass man das spielende Kind dann nicht mehr sehe.

Michael Schmidt (Grüne) nannte nochmals die hauptsächlich festgestellten Probleme: Vandalismus und Drogenkonsum. Diesem sei mit einer Begrünung nicht beizukommen, zudem würden hier 40.000 Euro pro Jahr von dem Budget abgezogen, mit welchem man Spielplätze in Leipzig sanieren und instand halten müsse. In Richtung CDU hatte er noch einen Vorschlag: es gäbe genügend Schulspielplätze, welche für die Öffentlichkeit nicht verfügbar wären. Lieber solle man also Zäune abbauen, statt neue zu errichten.

Die Länge und Strenge der Debatte war wohl nur durch mehrere Gesichtspunkte zu erklären. Es geht um Kinder, Jugendliche und das gesamte Spannungsfeld zwischen der meist eher sommerlichen Freiheit, welche junge Menschen in den Parks der Stadt und damit häufig im Umfeld von Spielplätzen finden. Weshalb Oberbürgermeister Burkhard Jung am Ende sagte: „Wir sollten uns alle davor hüten, alles überzuregulieren.“ Was Sven Morlok noch zu einer letzten kleinen Rede trieb und an den gesunden Menschenverstand appellieren ließ. Man solle letztlich alles so lassen, wie es jetzt ist.

Alle Anträge, welche Veränderungen am Ist-Stand vorschlugen, wurden mehrheitlich abgelehnt. Der Antrag der Linken dabei am knappsten. Letztlich war dieser sogar weitgehend wirkungslos, da 10 weitere Stellen im Bereich Ordnungsamt bereits im neuen Stellenplan der Stadt Leipzig beschlossen sind.

Audio folgt in Kürze.

Der Antrag der Linken schnitt am knappsten ab. Foto: Alexander Böhm
Der Antrag der Linken schnitt am knappsten ab. Foto: Alexander Böhm

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