Robert Clemen ist seit 2013 Kreisvorsitzender der CDU Leipzig. Die nach seinen Worten "letzte verbliebene Volkspartei" will wieder streitbarer werden, nachdem sie Flügelkämpfe der Vergangenheit überwunden hat. Der gebürtige Leipziger war von 1999 bis 2014 Mitglied des Sächsischen Landtages. Bis September 2015 war er ehrenamtlich Mitglied des Hörfunkrates und Programmausschusses des Deutschlandradios. Themen im L-IZ-Interview: Dialog, Flüchtlingspolitik, Medien. Verkehrspolitik und die AfD.
Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber und Migranten
Thema eines gesellschaftlichen Dialogs ist auch, dass derzeit viele Flüchtlinge nach Leipzig kommen.
Da muss ich gleich einhaken. Es sind ja nicht nur Flüchtlinge. Es sind Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber und es sind Migranten. Mich stört einfach, dass diese Dinge immer in einen Topf geworfen werden. Die Grundlage dafür, dass Asylbewerber Asyl bekommen, ist im Grundgesetz verankert. Die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen regelt die Genfer Flüchtlingskonvention. Das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe.
Diese rechtliche Differenzierung ist das eine. Das andere ist, dass Menschen in großer Menge kommen und Leipzig damit zurechtkommen muss.
Wobei ja geregelt ist, dass Kriegsflüchtlinge, wenn die Ursachen der Flucht behoben sind, in ihre Heimat zurückzuführen sind, wie es ja auch zum Beispiel mit einigen Menschen aus den Balkanstaaten geschehen ist.
Sie sehen also in der gegenwärtigen Situation weniger Chancen für den Arbeitsmarkt oder die demographische Entwicklung?
Ich bin einfach der Überzeugung, dass man das trennen muss. Man muss denjenigen helfen, die politisch verfolgt sind und Anspruch auf Asyl haben. Die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, das zeigt das Beispiel Bosnien-Herzegowina, muss so geregelt sein, dass diese nach einer gewissen Zeit wieder zurückgeführt werden. Aus einem einfachen Grund: wir entziehen diesen Ländern jetzt ganz stark Intelligenz und Führungskräfte. Wenn dieser Kriegszustand irgendwann beendet ist, brauchen diese Länder wieder politische und intellektuelle Eliten, um das Land aufzubauen. Die Präsidentin von Liberia hat sich neulich bei der UNO beschwert, dass durch die Asylpolitik der Europäer den Afrikanern massiv Eliten entzogen werden.
Sie sehen also in der Rückführung eine Form der Entwicklungshilfe?
Wenn man den Menschen in der Zeit, in der sie sich hier aufhalten, ein gutes Rüstzeug mit auf den Weg gibt, dann kann das durchaus ein wesentlicher Teil der Entwicklungshilfe sein.
Nicht nur Aufbewahrung, sondern auch Betreuung
Sie haben bei der Pressekonferenz gesagt, dass sich in den Unterkünften Aggressionspotential aufbaut. Welche Vorschläge haben Sie, dem entgegenzuwirken?
Es wäre notwendig, dort zu versuchen, zum Beispiel Sportveranstaltungen zu organisieren: Fußball, Handball, Boxveranstaltungen, Marathonläufe, wo die körperlichen Potenziale abgerufen werden können und angestaute Aggressionen abgeleitet werden können, damit sich nicht verschiedene ethnische Gruppierungen anfangen, gegenseitig zu verprügeln. Wir sind gefordert, nicht nur Aufbewahrung, sondern auch Betreuung zu gewährleisten.
Sie hatten zum Thema Flüchtlinge fünf Fragen an den Oberbürgermeister gestellt. Der hat nun erste Antworten gegeben. Waren Sie damit zufrieden?
Es war für mich ein erster Ansatz. Hilfreich wäre, wenn OB Jung wenigstens die Fraktionsspitzen in seine Überlegungen frühzeitiger einbeziehen würde und wenn man den Diskurs mit den Fraktionen – notfalls unter Ausschluß der Öffentlichkeit, wo dies nötig scheint – führen würde. Oder man findet andere Wege, um über die Pläne der Stadt und der Verwaltung zu beratschlagen. Diese Politik des Herrschaftswissens führt zu einer Spannung bei vielen Leipzigerinnen und Leipzigern, die mit dieser Politik nicht einverstanden sind.
Herr Weickert sprach von einer engeren Zusammenarbeit von Linkspartei, Grünen und SPD. Wie ist die Zusammenarbeit der einzelnen Fraktionen in Leipzig?
Bei den Grünen läuft sie bei den Punkten, wo wir zusammenfinden können, relativ konstruktiv. Wir sind mit ihnen bei vielen Dingen unterschiedlicher Meinung. Bei der SPD ist es schwierig. Sie ist in zwei Lager gespalten. Man muss abwarten, welches die Dominanz bekommt. Es gibt einige in der SPD, auch in der Führung, mit denen es eine sehr konstruktive Zusammenarbeit gibt. Andere haben starke Affinität zu Linkspartei und sozialistischen Modellen. Da ist die Zusammenarbeit eher schlecht.
AfD ist keine Alternative
Die AfD hatte sich als Alternative für unzufriedene CDU-Mitglieder angeboten. Gibt es da Kontakte?
Die gibt es nicht und die möchte ich persönlich auch nicht pflegen. Ich halte nicht viel von einigen der übrig gebliebenen AfD-Funktionären. Sicherlich ist es ein Verlust für uns gewesen, dass Jörg Kühne zur AfD wechselte. Ich halte ihn für einen relativ vernünftigen Menschen. Insgesamt aber vertritt die AfD ein anderes Weltbild als die CDU. Es gibt da wesentliche Unterschiede.
Wie würden Sie das Weltbild der CDU zusammenfassen?
Wir sind aus unserer Tradition heraus weltoffen und europäisch. Wir fühlen uns als Teil der Welt und der Europäischen Gemeinschaft. Wir sind überzeugte NATO-Partner. Nicht zuletzt als Export-Vize-Weltmeister trägt Deutschland für uns auch einen erheblichen Teil zum globalen System bei und steht damit auch in einer besonderen Verantwortung. All das will die AfD eben nicht. Die möchten sich eher abschotten.
Leipzig wächst. Sie haben von der Verwaltung eine Prioritätenliste eingefordert. Welche Prioritäten hat die Verwaltung genannt und welche sehen Sie?
Genannt wurde der Neubau und die Wiederinbetriebnahme von Kindertagesstätten. Sie hat den weiteren Schulausbau genannt. Beides sehen wir auch so. Auch die Bereitstellung von günstigem Wohnraum hat die Verwaltung benannt. Wir würden auf jeden Fall noch das Thema Verkehrsinfrastruktur sehen. Da sollte man sich über den Rückbau der einen oder anderen Straße Gedanken machen. Die Fokussierung auf ÖPNV und Straßenbahn wird für Leipzig auf die Dauer nicht der richtige Weg sein. Wir brauchen einen Mix aus allen Verkehrsarten. Wir brauchen auch gute Fuß- und Fahrradwege. Ich sehe derzeit kein Gesamtkonzept in Leipzig.
Beispiel Georg-Schumann-Straße. Da plädieren Sie für einen vierspurigen Ausbau.
Ja, wir brauchen einige Magistralen, auf denen man relativ schnell in die Stadt hinein und aus der Stadt herauskommt. Ansonsten wird weiterhin die Tendenz befördert, auf die grüne Wiese einkaufen zu fahren.
Vielen Dank für das Interview.
Es gibt 2 Kommentare
>Ja, wir brauchen einige Magistralen, auf denen man relativ schnell in die Stadt hinein und aus der Stadt herauskommt. Ansonsten wird weiterhin die Tendenz befördert, auf die grüne Wiese einkaufen zu fahren.
Vom Autofahren kann die CDU auch in der Person Clemen nicht lassen. Rechnen kann die CDU aber auch nicht. Und Herr Clemen war wahrscheinlich die letzten 20 Jahre nicht in der Georg-Schumann-Straße.
Der Autoverkehr auf einer Magistrale zerstört wesentlich mehr Werte, als der wirtschaftliche Gewinn von der grünen Wiese jemals sein kann. Magistralen sind eine wirtschaftliche und städtebauliche Katastrophe.
Wir brauchen solche Politiker nicht, die Rezepte anbierten, die sich als völlig untauglich erwiesen haben.
Wir schreiben das Jahr 2015, nicht 1965. Guten Tag.
Diese Politik des Herrschaftswissens führt zu einer Spannung bei vielen Leipzigerinnen und Leipzigern, die mit dieser Politik nicht einverstanden sind.
So ist es. Nicht nur in Leipzig.