Leipzig, das kleine Berlin? Der Spruch könnte aktuell werden, wenn sich die Touristenzahlen in Leipzig weiter so entwickeln, die Innenstadt tatsächlich attraktiver wird und clevere Immobilieneigentümer auf die Idee kommen, Wohnungen in der Innenstadt in Ferienwohnungen umzuwidmen. In Berlin mittlerweile ein echtes Problem. Denn die Fremdnutzung setzt auch die Mietpreise unter Druck.
In Berlin hat man dazu nicht nur ein Gesetz zur Fremdnutzung, sondern will illegalen Mietwohnungen jetzt auch mit einer Software zu Leibe rücken. In Leipzig ist das Thema noch nicht ganz so prekär – auch weil die Hotelpreise noch recht moderat sind und in den vergangenen Jahren zahlreiche Hotelneubauten hinzu kamen. Aber je mehr sich der Wohnungsmarkt verdichtet, umso schneller kann sich das Thema zum Problem entwickeln.
Grüner, SPD und Linke haben jetzt deshalb einen Antrag eingebracht, der einen Passus im neuen Bebauungsplan “Stadtzentrum” ändern soll. Dieser Bebauungsplan soll am 16. September in den Stadtrat kommen. Besonders stören sie sich an einem Satz in der Begründung, der genau dem, was Berlin jetzt schon zu schaffen macht, Tür und Tor öffnet: ” In der Begründung des Bebauungsplans Nr. 45.6. ‘Stadtzentrum’ ist der Satz ‘Ausnahmsweise können auch Betriebe des Beherbergungsgewerbe zugelassen werden’ unter Punkt 12.1.2 TF 6.3 (Kerngebiet MK 2: Teilbaugebiete MK 2.1 bis MK 2.33) zu streichen”, beantragen die Grünen. Und: “Dementsprechend ist dieser Satz auch in der Anlage Teil B des Bebauungsplans Nr. 45.6 ‘Stadtzentrum’ unter Punkt 6.3 (Kerngebiet MK 2: Teilbaugebiete MK 2.1 bis MK 2.33) zu streichen. Dies gilt nicht für Hotelgebäude.”
Und da, wo der Bebauungsplan Unzulässigkeiten definiert, wollen sie natürlich die Ergänzung: “Unzulässig sind: … – Räume für freie Berufe sowie Beherbergungsgewerbe, Boardinghouses und Ferienwohnungen in den nach den textlichen Festsetzungen Nr. 6.3 oder 6.5 bzw. Nr. 7.3 und 7.4 für Wohnungen verwendeten oder zu verwendenden Geschossflächen.“
Denn eigentlich braucht die Innenstadt vor allem mehr Wohnraum, denn nichts ist so traurig wie die vielen von Wohnraum entleerten “Stadtzentren” in etlichen westdeutschen Großstädten – abends werden da die Bürgersteige hochgeklappt, das urbane Leben findet in anderen Stadtteilen statt. Noch punktet die Leipziger Innenstadt mit dem bunten Leben auch nach Feierabend, das auch von den Menschen belebt wird, die nach wie vor oder wieder innerhalb des Promenadenrings wohnen.
Und dass das auch im Bebauungsplan wieder so festgeschrieben werden soll, begrüßen die Grünen: “Es wird ausdrücklich begrüßt, dass mit dem Bebauungsplan Nr. 45.6. ‘Stadtzentrum’ die in Teilen des Stadtzentrums vorhandene Wohnnutzung zur Belebung der Innenstadt nicht nur langfristig abgesichert und vor Verdrängung z. B. durch Ferienwohnungen geschützt, sondern, die auf Dauer angelegte Wohnnutzung im Plangebiet im Allgemeinen und damit die emotionale Bindung an das Stadtquartier gestärkt werden soll.”
Trotzdem sind sie besorgt. Denn das Ziel wird natürlich nicht erreicht, wenn der so mühsam festgelegte Wohnraum dann doch wieder als Ferienwohnung kommerziell genutzt wird.
Und so stellt ihr Antrag dann fest: “Um diesem Ziel allerdings noch nachhaltiger Rechnung zu tragen, sind die im Beschlusspunkt beantragten Änderungen sowohl in der Begründung als auch in der Anlage Teil B (Textliche Festsetzungen) in Bezug auf den Bebauungsplanentwurf vom Stadtrat zu beschließen. – Hintergrund: In den letzten Jahren gab es in der Leipziger Innenstadt sowie erweiterten Innenstadt einen Bau-Boom bezüglich Hotelneubauten und weitere Hotelneubauten sind in Planung. Des Weiteren sind die für Eigentümer lukrativeren Ferienwohnungen geeignet, das auf Dauer angelegte Wohnen durch die mit den Ferienwohnungen einhergehenden Belastungen zu verdrängen.”
Ein aktuelles Thema? Bestimmt. Zwar hat der Tourismus in Sachsen 2015 einen Dämpfer bekommen. Gerade die Pegida-Demonstrationen in Dresden sorgten für Einbrüche in den Touristenzahlen. Dafür legen in anderen Regionen die Besucherzahlen zu. Leipzig verzeichnete in den ersten sechs Monaten ein Besucherplus von 0,8 Prozent, der Landkreis Leipzig mit dem Neuseenland sogar von 10,9 Prozent. Wobei völlig offen ist, ob Leipzig überhaupt die richtige Vermarktungsstrategie für eine Kulturstadt dieser Größe fährt.
Aber auch das kann sich ja mal ändern. Und dann wäre die Stadt gut beraten, Wohnraum rechtzeitig vor der Umwidmung geschützt zu haben.
Ergänzung, 2. September, 14.30 Uhr: Gemeinsame Presseerklärung der Antragsteller.
Mit einem gemeinsamen Änderungsantrag wollen die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD Wohnen in der Innenstadt noch nachhaltiger stärken!
Der Stadtrat wird voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung am 16. September 2015 hinsichtlich des Bebauungsplanentwurfs „Stadtzentrum“ einen Billigungs- und Auslegungsbeschluss fassen.
Die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und SPD haben einen gemeinsamen Änderungsantrag gestellt, mit dem Ziel, nicht nur die Nutzung von Wohnungen durch freie Berufe in bestimmten Teil-Baugebieten auszuschließen, sondern den Ausschluss auch auf eine zweckfremde Nutzung durch Beherbergungsgewerbe, Boardinghouses und Ferienwohnungen auszudehnen.
Außerdem soll eine im Entwurf des Bebauungsplans befindliche Ausnahmeregelung in Bezug auf die Zulassung von Beherbergungsgewerben oberhalb des vierten Vollgeschosses statt Wohnungen in bestimmten Teil-Baugebieten zurückgenommen werden.
Dazu erklären die Stadträte Tim Elschner (Bündnis 90/Die Grünen), Franziska Riekewald (Die Linke) und Mathias Weber (SPD):
„Wir begrüßen ausdrücklich, dass mit dem Bebauungsplan „Stadtzentrum“ die in Teilen des Stadtzentrums vorhandene Wohnnutzung zur Belebung der Innenstadt nicht nur langfristig abgesichert und vor Verdrängung – zum Beispiel Ferienwohnungen – geschützt, sondern die auf Dauer angelegte Wohnnutzung im Plangebiet im Allgemeinen und damit die emotionale Bindung an das Stadtquartier gestärkt werden soll. Um diesem Ziel allerdings noch nachhaltiger Rechnung zu tragen, haben wir entsprechenden Änderungsantrag eingebracht.“
Hintergrund: In den letzten Jahren gab es in der Leipziger Innenstadt sowie erweiterten Innenstadt einen Bau-Boom bezüglich Hotelneubauten und weitere Hotelneubauten sind in Planung. Des Weiteren sind die für Eigentümer lukrativeren Ferienwohnungen geeignet, das auf Dauer angelegte Wohnen durch die mit den Ferienwohnungen einhergehenden Belastungen zu verdrängen.
Es gibt 3 Kommentare
Möge es in Leipzig gelingen, auf wessen Antrag auch immer, was im Artikel anhand Berlins beschrieben wird und in Ffm z.B. vor über zwanzig Jahren bereits aufgezeigt wurde.
Möge die Vernunft bei den Grünen, der SPD und der Linken sein – die Stadt und die Wähler werden es danken und die Gäste der Stadt.
Wieviele Leute wohnen denn eigentlich innerhalb des Promenadenrings? (Der größte Anteil wird vermutlich von den Plattenbauten rund ums Bildermuseum kommen.)
Zur entvölkerten Innenstadt: Vor vielen Jahren hatte es in Frankfurt am Main Furore gemacht, dass in der “Innenstadt” nur 500 (fünfhundert) Leute wohnen würden.
Sollte es in Leipzig gelingen, was andernorts durchlitten und bereut wurde – eine entvölkerte Innenstadt?