Die Befragung der Leipziger zum Klimawandel im August und September 2014 kam nicht von ungefähr. Sie begleitete ein Projekt, das der Deutsche Wetterdienst (DWD) von Mai 2014 bis Juni 2015 in Leipzig durchgeführt hat. Drei Messstationen waren dazu im Stadtgebiet aufgestellt worden, in den frühen Morgenstunden fuhr auch das Messfahrzeug des DWD durch die Stadt. Und die Bürger waren gefragt.

Denn Messergebnisse zu Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Wind usw. sind das eine – sie zeigen die statistischen Rahmendaten. Aber wie reagieren die Leipziger selbst auf extreme Temperaturen? Wie gehen sie mit der erhöhten Belastung in ihren Stadtquartieren um? Und was kann eine Großstadt wie Leipzig tun, sich an die zunehmenden Belastungen durch den Klimawandel anzupassen? – So ähnlich war schon ein Projekt in Dresden angelegt, das in den Jahren 2008 bis 2013 lief. Leipzig bekam das jetzt zwar eine Nummer kleiner, aber wesentliche Erkenntnisse werden auch aus Dresden übertragbar sein.

Parks, Grünanlagen und Bäume

Die Dresdner haben aus der fünfjährigen Feldforschung schon so etwas wie ein Klimaanpassungsprogramm entwickelt. Und nicht ohne Grund hat Leipzigs Umweltdezernat umfassend nach Parks, Grünanlagen und Bäumen gefragt. Im Dresdner Programm heißt es dazu deutlich: “Die klimaangepasste Stadt ist grün. Kommunen sowie private und öffentliche Grundeigentümer sollten dafür sorgen, dass es genügend Grünflächen mit Bepflanzungen gibt, die bei Hitze kühlen, selbst aber Wärme und Trockenheit vertragen. Bäume sind natürliche Schattenspender und schaffen ein angenehmes Mikroklima. Außerdem speichern Grünflächen Niederschlagswasser. Wenn ein Teil des Wassers wieder verdunstet, hat das einen kühlenden Effekt. Die ‘grünen Inseln’ in der Stadt sind wichtige Erholungsgebiete für die Menschen und verhindern, dass sich die Hitze zu sehr staut …”

Begrünte Dächer

Fast nur am Rande in der Leipziger Befragung kamen begrünte Dächer vor. Dabei ist ihre Begrünung ein nicht zu unterschätzendes Element bei der Klimaanpassung der Stadt: “Nach einer Untersuchung des Umweltbundesamts sind begrünte Dächer eine kostengünstige und wirksame Methode,  um das Stadtklima zu verbessern.”

Kleine Wasserläufe

Das Dresdner Programm benennt auch die wichtige Rolle, die die kleinen Wasserläufe im Stadtgebiet haben: “Schrittweise kann man es zu einem ökologischen Netz ausbauen. So erreicht man mit einer Maßnahme gleich drei Ziele: den Schutz der Gewässerökologie, den Erhalt von Rückhalteflächen für den Überschwemmungsfall und die Verbesserung des Stadtklimas.” Unter diesem Aspekt bekommt die Freilegung der alten Mühlgräben in Leipzig eine ganz neue Facette. Was auch fürs Kolonnadenviertel eine Rolle spielen wird. Aber dazu kommen wir später.

Aber auch bei Starkregen können kleine Oberflächengewässer verhindern, dass die Abwasserkanäle überlaufen. Übrigens ein Thema, das in den Planungen des Amtes für Stadtgrün und Gewässer durchaus eine Rolle spielt – etwa im Einzugsgebiet der Nördlichen Rietzschke.

In Dresden hat man sogar schon eine Karte mit den am stärksten durch Überflutung gefährdeten Kanalabschnitten erstellt: “Für die Kommunen ist es wichtig zu wissen, wo die Gefahr von Kanalüberflutungen besonders groß ist, um dort gezielt Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Das Institut für technisch-wissenschaftliche Hydrologie (itwh) hat für Dresden untersucht, wo die Brennpunkte liegen und eine Gefährdungskarte erstellt.”

Planung der Stadtquartiere

Und beim Bauen hat auch Dresden 2013 schon deutlich formuliert, dass Stadtquartiere auch unter Klimaaspekten ganzheitlich betrachtet und beplant werden müssen. Und Häuser müssen den veränderten Klimabedingungen angepasst werden: “In Zukunft wird die Gestaltung der Fassaden zum Schutz vor Überhitzung eine besonders wichtige Rolle spielen. Der Standort eines neuen Gebäudes, Verschattungselemente wie Paneele und Jalousien, aber auch der Schutz vorhandener, schattenspendender Bäume müssen bei der Planung mehr als bisher berücksichtigt werden.”

Es stehen auch kluge Sätze im Anpassungskonzept, die trotzdem irgendwie nicht in aktuelle Politik umgesetzt werden. “Die Planungsbehörden auf Landes- und Regionalebene und in den Kommunen müssen die nötigen Grundlagen schaffen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren und die ökologisch und landwirtschaftlich besonders wichtigen Böden besser vor Bebauung zu schützen. Besonders schützenswert sind zum Beispiel Auenbereiche, damit bei Überflutung dort Wasser schadlos ablaufen und versickern kann. Auch sehr ertragreiche Böden für die landwirtschaftliche Produktion müssen bewahrt werden.”

Verminderter Flächenverbrauch

Über die nach wie vor landesweite Dominanz der Deichverbaue, die die Auen der Flüsse von den Flüssen abschneiden, haben wir ja gerade berichtet. Was nutzen eigentlich wissenschaftliche Einsichten, wenn Behörden sie einfach ignorieren? Beim Bodenverlust ist es ganz ähnlich. Wer glaubt, das Mantra vom verminderten Flächenverbrauch würde irgendwann dazu führen, dass der Verlust landwirtschaftlicher Flächen in Sachsen beendet wird, sieht sich einem Irrtum erlegen. Dazu kommen wir gleich an dieser Stelle.

Aber auch die Kritik an der industrialisierten Landwirtschaft wurde im Klimaanpassungskonzept Dresdens wieder einmal deutlich benannt: “In den vergangenen Jahrzehnten orientierte sich die Landwirtschaft oft einseitig an ökonomischen Kriterien und an der Erhöhung der Biomasseproduktion. Immer größere Ackerflächen wurden für nur eine Feldfrucht reserviert. Gleichzeitig haben die Landwirte die Vielfalt der Fruchtfolgen eingeengt und Hecken und ungenutzte Feldsäume beseitigt. Mit dem intensiven Ackerbau stieg das Risiko der Bodenerosion. Gleichzeitig verarmte die Landschaft und wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere wurden zerstört.”

Bedrohte Tier- und Pflanzenarten

Ergebnis sind unter anderem auch immer mehr bedrohte Tier- und Pflanzenarten auf der sächsischen Roten Liste. Obwohl alle Beteiligten wissen, dass Artenvielfalt ökologische Systeme stabilisiert. Aber auch die Hochwassergefahr wird gemindert, wenn wieder mehr Schutzräume in den riesigen Feldern Sachsens entstehen. Denn die gigantischen Feldflächen sind kaum noch wasseraufnahmefähig – die Regen fließen sofort ab in Bäche und Flüsse, nehmen einen Teil der kostbaren Ackerkrume mit und die Böden fallen als Wasser(zwischen)speicher aus. Eigentlich war das Dresdner Konzept eine Steilvorlage für den Umweltminister, endlich eine To-do-Liste für seine Landwirte aufzulegen: “Sollen Gewässer und Feuchtgebiete bewahrt werden, müssen vor allem die Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft eingedämmt werden. Der Erosionsschutz durch angepasste Bodenbearbeitung, Fruchtfolgen und begrünte Pufferzonen spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. ‘Grüngürtel’ rund um die Schutzgebiete müssen ausgedehnt oder neu angelegt werden, um abgetragenes Erdreich abzufangen.”

Feuchtgebiete müssen bewahrt werden, dass trifft auf Moore genauso wie auf Auen zu. Und weil auch die meisten sächsischen Schutzgebiete zu klein sind, um alle Schutzfunktionen zu erfüllen, war der Freistaat auch 2013 schon dabei, die Bildung großer Biotopverbünde zu unterstützen. “Jetzt ist die Regionalplanung gefordert, die planerischen Grundlagen für die Realisierung eines effektiven Biotopverbundes zu schaffen. Mit den Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für den Arten- und Biotopschutz ist das dafür notwendige Instrumentarium gegeben.”

Nur tun sich die regionalen Planer damit auch 2015 noch richtig schwer. Vielleicht, weil es wirklich schwer ist, aus der alten, technikdominierten Regionalplanung umzuschwenken in eine echte nachhaltige Planung, die Strukturen schafft, die auch bei härteren klimatischen Bedingungen nicht versagen.

In Leipzig wurde nun mit der Umfrage von 2014 versucht, zwei besonders hitzebelastete Stadtteile besonders unter die Lupe zu nehmen.

Dazu kommen wir gleich an dieser Stelle.

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Keine Kommentare bisher

Man hat also schon einmal gelernt, dass die klimaangepasste Stadt grün ist. Gut.
Wie klug aber handelt Leipzig dann, wenn es immer wieder auf´s neue darum diskutiert, PKWs in den oder gar durch den Park zu führen?

Begrünte Dächer sind sicherlich mehr als nur ein Hingucker für kommende Luftbilder dieser Stadt, doch die meisten Dächer Leipzig sind nicht Eigentum derer, die darin leben oder Freude daran hätten. Und warum sollte ein Stuttgarter für ein besseres Stadtklima in Leipzig sorgen wollen, denn welche Rendite brächte ihm dies?

Kleine Wasserläufe sind immer gut, und effektiv sind Wasserwände. Die Ideen sind alle schon erdacht, nur umsetzen sollte die Stadt sie wollen. Will sie … … na dann los.

„Es stehen auch kluge Sätze im Anpassungskonzept, die trotzdem irgendwie nicht in aktuelle Politik umgesetzt werden.“
Eben – und jeder weiß das. Also erzählt uns nichts.

Bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind ja wohl ein besonderes Ruhmesblatt der Stadtoberen.
Von der Entkrautung im Floßgraben welche unrechtmäßig war, über die Nichtbeachtung der Brutzeiten des unter Schutz stehenden Eisvogels bis hin zu all den Maßnamen rund um Neuseeland, für das es keine Rechtsgrundlage gibt.

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