Woher das Geld nehmen, wenn man's dringend braucht? Zum Beispiel zum Schulenbauen. Oder für Kitas, Straßen, Brücken. Eigentlich hat Leipzig das Geld, finden Linksfraktion und SPD-Fraktion. Sie haben jetzt einen gemeinsamen Antrag vorgelegt, die Entschuldung der Stadt in den nächsten Jahren um 60 Millionen Euro zu drosseln. Steffen Wehmann, Sprecher für Haushaltspolitik der Linksfraktion, rechnet mal vor.

„Für den Zeitraum 2017-2020 wollen wir die geplante Entschuldung von 92,8 Millionen Euro um 60 Millionen Euro absenken. Zuzüglich Fördermittel stünden dann etwa 100 Millionen Euro für die Erweiterung der kommunalen Infrastruktur zur Verfügung.”

„Angesichts des immensen Bedarfs alleine an Schulneubauten, aber auch für die Komplettsanierung von Straßen und Brücken sind diese zusätzlichen Mittel bitter nötig”, ergänzt dazu Heiko Oßwald, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Die jeweiligen Einzelhaushalte werden aber weiterhin ohne Nettoneuverschuldung geplant, betonen beide Politiker und fordern eine Anpassung der gültigen Entschuldungskonzeption für den Zeitraum 2017-2020, um den gewachsenen Investitionsbedarfen besser gerecht zu werden. Beide Fraktionen haben dazu einen Antrag erarbeitet, der eine zeitliche Streckung der Entschuldung vorsieht. Bislang gilt ein recht ambitionierter Zeitplan, den Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) 2012 verkündet hat – die Stadt bis zum Jahr 2037 komplett zu entschulden.

2012 war dabei eine wichtige Zäsur – seit 2005 hatte Leipzig massiv damit zu tun, die Schuldenlast von 912 Millionen Euro im Jahr 2004 deutlich zu senken. Bis zum Dezember konnte der Schuldenstand auf 669 Millionen Euro gesenkt werden (Dezember 2013: 695 Millionen). Aber das Geld, das Leipzig in den Abbau der Verschuldung steckt, fehlt natürlich für Investitionen. In den letzten Jahren war die Linksfraktion immer wieder mit Anträgen abgeprallt, nicht jedes Jahr mit aller Macht zweistellige Millionenbeträge in die Entschuldung zu stecken.

Es ist durchaus ein Novum, dass auch die SPD-Fraktion die Lage jetzt so einschätzt, dass Leipzig weniger entschulden muss, dafür mehr investieren.

„Es geht uns einfach auch um die richtige Balance”, meint Heiko Oßwald. „Leipzig ist die am schnellsten wachsende Stadt Deutschlands. Durch zunehmende Wirtschaftskraft, neue Arbeitsplätze, noch vorhandenen preiswerten Wohnraum sowie ein reichhaltiges Kulturleben wird dieser Ansturm auf Leipzig auch die kommenden Jahre noch anhalten. Daher muss die Entschuldungskonzeption an diese Realität angepasst werden. Die durch das Wachstum ausgelösten Investitionsbedarfe müssen finanziell abgesichert werden.”

Schon heute müsse Leipzig beispielsweise den Bedarf an Kitainvestitionen zu größten Teilen über private Finanzierungsmodelle abdecken, weil die entsprechenden Mittel fehlen. Und das wird mittelfristig teurer, als wenn die Stadt selbst bauen würde.

„Wenn die Stadt Leipzig von Investoren bauen lässt und dann die Objekte für die nächsten 25 Jahre anmietet, engt dies die künftigen Haushalte noch mehr ein und wird am Ende doppelt teuer”, warnt deshalb Steffen Wehmann. „Daher muss und kann die Entschuldung zeitlich gestreckt werden, damit die Stadt wieder selbst handlungsfähiger wird und nicht den gleichen Fehler im Hinblick auf die anstehenden Schulinvestitionen wiederholt. Eine Forderung, die meine Fraktion seit 2013 jährlich in verschiedenen Haushaltsänderungsanträgen eingebettet hatte.”

Beide verweisen auf die robuste Eigenkapitalquote der Stadt von 40,8 Prozent – ein Wert, von dem die meisten Großbanken nur träumen können.

“Jedes Unternehmen, das wächst und wachsen will, muss investieren. Dies funktioniert in der Regel auch unter Einbeziehung eines Fremdmittelanteils. Leipzig soll und wird sich nicht wie in den neunziger Jahren verschulden”, so die beiden Finanzpolitiker. Und Heiko Oßwald fügt noch an: „Nur so bleibt Leipzig weiterhin attraktiv und wird von zunehmenden Steuereinnahmen profitieren”.

Spätestens bis zum 30. Juni 2020 soll dann die Entschuldungskonzeption erneut evaluiert werden, haben sie noch in ihren Antrag geschrieben.

Und das eigentliche Problem erst einmal ausgeklammert: Die unsicheren Fördergelder aus Dresden. Denn die 100 Millionen Euro kommen nur zustande, wenn die 60 Millionen Euro, die Leipzig weniger entschuldet, um 40 Millionen Euro durch das Land aufgestockt werden. Doch gerade beim Schulhausbau wird es jetzt schon eng. Die Sanierung des ehemaligen Gebäudes der Neruda-Schule plant die Stadt erst einmal völlig ohne Fördergelder. Denn in den 40 Millionen Euro, die für ganz Sachsen pro Jahr an Schulbauförderung bereit stehen, ist dieses zusätzliche Projekt bislang nicht untergebracht.

Wie groß Leipzigs Investitionsstau allein bei Schulen ist, haben beide Stadträte in ihrem Antrag noch einmal extra angeführt: “Doch für diesen Ausbau stehen Leipzig fast keine finanziellen Reserven zur Verfügung. Fast 160 Millionen Euro fehlen allein für die Umsetzung der Schulentwicklungsplanung, vom Investitionsbedarf in den v. g. Bereichen und des dafür nötigen personellen Aufbaus ganz zu schweigen. Selbst der Abbau des vorhandenen Investitionsstaus von mehr als einer Milliarde Euro ist u. a. durch sinkende investive Schlüsselzuweisungen in der mittelfristigen Haushaltsplanung gefährdet.”

Oder mit anderen Worten: Die 100 Millionen Euro, die in Leipzig jahrelang das Investitionspaket betrug, reichen nicht einmal, um auch nur das Dringendste abzuarbeiten. In den letzten drei Jahren ist die Summe zwar Richtung 130, 140 Millionen Euro gestiegen. Aber auch das ist zu wenig. Wirklich ans Abarbeiten des Investitionsstaus könnte Leipzig erst gehen, wenn jährlich 200 Millionen Euro investiert werden könnten.

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