Auch das ist so ein Dauerthema der Leipziger Politik: Wann wird die Ortschaftsverfassung endlich aufs ganze Stadtgebiet ausgedehnt? 2011, deutlich genug vor der nächsten Stadtratswahl, hatten die Grünen einen Antrag dazu gestellt, der auch von den Stadtbezirksbeiräten unterstützt wurde. Doch 2014 kroch Leipzig wieder mit unentschiedener Lage in die Wahl - und landete mitten im zu erwartenden Kuddelmuddel.

Das Nebeneinander unterschiedlicher Befugnisse hatte am Ende sogar die Landesdirektion auf den Plan gerufen, weil die Kompetenzen nicht klar abgegrenzt waren. Das sind sie zwar mittlerweile. Aber ein Großteil der Stadträte ist mit diesem Nebeneinander nicht zufrieden.

Jetzt ist es die Linksfraktion, die das Thema wieder aufgreift. Denn es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, die Stadtbezirksbeiräte weiter am Gängelband zu halten. Im Gegenteil: Es wäre höchste Zeit, auch den Leipzigern in ihren Stadtteilen demokratische Entscheidungen vor Ort wieder näher zu bringen.

Und so liegt denn zur nächsten Ratsversammlung im April der Antrag der Linksfraktion erstmals auf dem Tisch: “Die Ortschaftsverfassung wird entsprechend der Sächsischen Gemeindeordnung im gesamten Stadtgebiet eingeführt. Das Stadtgebiet wird dazu analog der bisherigen Stadtbezirke in Ortschaften gegliedert. Die bestehenden Ortschaften werden unbefristet weitergeführt. Der Oberbürgermeister unterbreitet dem Stadtrat bis Dezember 2015 einen Organisationsvorschlag und einen Zeitplan zur Einführung der Ortschaftsverfassung. Die Hauptsatzung, die Entschädigungssatzung und die Geschäftsordnung der Stadt Leipzig werden entsprechend neu gefasst.”

Eigentlich hat sich ja seit 2011 wirklich nichts geändert, außer dass mit der Änderung der Hauptsatzung im Februar die Grenzen klarer definiert sind zwischen den Ortschaftsräten in den 1999/2000 eingemeindeten Ortsteilen und den Stadtbezirksbeiräten im ursprünglichen Stadtgebiet. Genau dort aber tut sich Leipzigs Verwaltung schwer, den Bürgern in diesen Gremien mehr Entscheidungskompetenzen zuzugestehen.

“Durch die nach wie vor geringere Ausstattung der zehn Leipziger Stadtbezirksbeiräte mit Rechten und Befugnissen gegenüber den Ortschaftsräten sind die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig in ihren Rechten ungleich gestellt. Das soll überwunden werden, indem auch in den Stadtbezirken die Ortschaftsverfassung eingeführt wird”, beantragt nun die Linke.

Natürlich geht es um mehr Bürgerbeteiligung und mehr barrierefrei erfahrbare Demokratie. Denn in den Stadtbezirksbeiräten werden zwar Projekte und Probleme diskutiert, die den Stadtteil direkt betreffen. Nur entscheiden dürfen diese Gremien nicht. Ihre Stellungnahmen haben nur empfehlenden Charakter.

“Die Ortschaftsverfassung ist eine gute Möglichkeit, Entscheidungen, die Menschen vor Ort betreffen, auch direkt in den Ortschaften zu treffen. Damit ergeben sich verbesserte Gestaltungsspielräume der Bürger in der Kommunalpolitik, indem Entscheidungen dort gefällt werden, wo die unmittelbare Kenntnis der Sache vorhanden ist und die davon Betroffenen leben”, benennt die Linke in ihrem Antrag diese so wichtige Wahrnehmungsschwelle.

“Die Ortschaftsverfassung zeichnet sich mit der direkten Wahl der Ortschaftsräte durch eine eigene demokratische Legitimation aus. Dem entspricht eine eigene Aufgabenkompetenz und weitergehende Mitwirkungsrechte gegenüber dem Stadtrat wie Rede- und Antragsrecht. Den Ortschaftsräten ergeben sich im Unterschied zu den Stadtbezirksbeiräten, die berufen und nicht gewählt sind, auch finanziell bessere Gestaltungsmöglichkeiten, da sie zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben über entsprechende Haushaltsmittel entscheiden dürfen. Nicht zuletzt ist die unterschiedliche Entschädigung der ehrenamtlichen Arbeit von Ortschaftsräten und Stadtbezirksbeiräten nicht nachvollziehbar”, moniert die Linke weiter. Denn auch die Stadtbezirksbeiräte treffen sich regelmäßig, müssen sich in die Vorlagen der Verwaltung einarbeiten und sich eine kompetente Meinung bilden.

Dass der Stadtrat dann oft genug ganz anders entscheidet, gehört zu den ewigen Dramen der auf der Stadtteilebene Aktiven.

In einer Großstadt wie Leipzig muss Politik oft viel konkreter werden – stadtteilkonkret.

Das braucht auch deutlich mehr Entscheidungskompetenzen, findet die Linksfraktion: “Der Stadtrat kann dem Ortschaftsrat weitere örtliche Angelegenheiten zuweisen, soweit diese nicht in die laufende Verwaltung des Oberbürgermeisters oder in die ausschließliche Kompetenz des Stadtrats fallen. Das Recht des Stadtrates, über den Haushalt zu beschließen, bleibt davon unberührt.”

Und die Linken sehen es wie die Grünen: Mehr Handlungsspielraum für die Stadtbezirksbeiräte würde die Arbeit des Stadtrates ergänzen und nicht beschneiden.

“Die stadtweit einzuführenden Ortschaftsräte stehen daher nicht in Konkurrenz zum Stadtrat”, betont die Linke in ihrem Antrag. “Entscheidungen werden lediglich näher an die Bürgerinnen und Bürger gebracht. Auch führt die Wahl von Ortschaftsräten nicht zu einem wesentlich höheren Aufwand bei den Kommunalwahlen. Zudem finden die nächsten Kommunalwahlen erst im Jahr 2019 statt, was einen hinreichenden organisatorischen Vorlauf gewährleisten sollte.”

Und die Linke verweist die in diesem Punkt so beratungsresistente Verwaltung auch auf die Tatsache, dass Sachsens Landeshauptstadt den Schritt inzwischen schon gegangen ist: “Der Dresdner Stadtrat hat in seiner Sitzung am 6.3.2014 einen vergleichbaren Beschluss gefasst.”

Weder die Sächsische Gemeindeordnung noch die Hoheit des Stadtrates widersprechen dem Anliegen.

Jetzt kann man gespannt sein, ob das Thema wieder so lange ausgebremst wird, bis die nächsten Wahlen heran sind.

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