Es ist zwar ganz lustig, wie die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat jetzt wieder eine Uralt-Idee wie die "Grüne Welle" als Lösung für die Feinstaub-Probleme in Leipzig vorschlägt. Aber es wirkt auch ein wenig närrisch, wenn dieselbe Fraktion gleichzeitig die Vertagung des STEP Verkehr und öffentlicher Raum beantragt, weil ihr der geplante Modal Split für 2025 nicht gefällt, der eine Steigerung der Anteile von ÖPNV und Radverkehr vorsieht. Beides zusammen geht einfach nicht.

Erst recht nicht, wenn man sich überhaupt einmal mit dem Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig beschäftigt hat, in dem ja die 2011 eingeführte Umweltzone verankert ist und der alle Maßnahmen auflistet, die in Leipzig die Feinstaubbelastung tatsächlich senken sollen. Das Umweltdezernat ist zwar sehr kulant vorgegangen, die Umsetzung der Maßnahmen für das Jahr 2011 zu bewerten. Aber wer die Auswertung genau liest, merkt, dass die wichtigsten Punkte kaum bis gar nicht umgesetzt wurden.

Und das betrifft vor allem jene Verkehrsarten, die bis 2025 ihren Anteil an den täglichen Wegen der Leipziger eigentlich erhöhen sollen. Das geht los beim Punkt M1.2 “Förderung des ÖPNV”, wo das Umweltdezernat forsch einen vollen Punkt für “weitgehende Umsetzung” gesetzt hat. Hier sind zwar viele kleine Einzelmaßnahmen gebündelt – von der Anschaffung von Hybridbussen bis zur ÖPNV-Beschleunigungskommission. Aber ein Tag im Leipziger ÖPNV zeigt schnell, dass von einem reibungslosen ÖPNV nicht die Rede sein kann.

Dass für Punkt M1.6 “Weiterentwicklung des Parksystems” die FDP-Fraktion im Jahr 2014 extra noch einen Antrag stellen musste, spricht Bände. Dass Punkt M1.7, “Fortführung des Straßenbahnausbauprogramms” 2011 eigentlich schon ins Stocken geraten war, wertet das Umweltdezernat zumindest mit einem halben Punkt: “teilweise Umsetzung”. Unter M1.14 wird die Misere deutlich, wenn das Umweltdezernat zum Straßenbahnprogramm der LVB erklärt: “Die Investitionen könnten größer sein, stellen jedoch einen sinnvollen Kompromiss hinsichtlich Haushaltslage und verfügbarer Fördermittel dar.” Ein Satz, der noch schräger wirkt, wenn man die miserable Förderlage auf Landesebene mitbetrachtet.

Und so geht das Punkt für Punkt weiter. Meist scheiterte die Umsetzung von Maßnahmen am fehlenden Geld (Wegweisung für den Fernverkehr, Fahrradboxen oder Fahrradwegweisung). Oder die Stadt beschloss einfach, nichts zu tun, wie bei Punkt M1.24: “Geschwindigkeitsreduzierungen auf hoch belasteten Straßen”. Dazu lautet das Fazit im Jahresbericht 2011 schlicht: “Die Maßnahme wurde im Jahr 2011 nicht umgesetzt, da vor dem Hintergrund der im Luftreinhalteplan prognostizierten Verkehrs- und Schadstoffbelastung kein Bedarf bestand.”

Bedarf bestand sehr wohl: Die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung wurden gerissen. In den Folgejahren 2012, 2013 ebenso. Aber da hatte man ja schon vorsorglich angekündigt, eventuell beide Augen zuzudrücken: “Bei Vorliegen neuerer Erkenntnisse über das Fahrzeugaufkommen und die dadurch bedingten Emissionen/Immissionen, ist ein zukünftiger Bedarf nicht auszuschließen.”
Reagiert hat das Umweltdezernat nicht, obwohl Jahr um Jahr die Feinstaubgrenzwerte gerissen wurden. Die Mahnung der EU-Kommission ist die Quittung für diese Drückebergerei. Dort wird man sich diesen Jahresbericht für 2011, der 2013 abgeliefert wurde, wohl sehr genau durchgelesen haben und sich Punkt um Punkt gefragt haben: Meinen die das da in Leipzig wirklich ernst?

Meinen sie wohl nicht, zumindest im Leipziger Umweltdezernat.

Das beruhigt sich im Jahresbericht 2011 auf Seite 43 noch selbst, weil es durch die Umweltzone einen Rückgang des Pkw-Verkehrs in Leipzig-Mitte um 10 Prozent und des Schwerverkehrs um 28 Prozent wahrnahm. Aber dort wird auch ein Problem benannt, von dem die Stadt zumindest ahnte, dass es relevant sein könnte: dass die realen Fahrzeugemissionen nicht den Grenzvorgaben der Euro-Schadstoffklassen entsprechen. Was dann zum Beispiel den Effekt hat, dass trotz Rückgangs der Fahrzeugzahl und Änderung des Fahrzeugbestandes die Emissionen nicht so sinken wie erwartet.

Die Bestätigung hat jetzt eine Studie der International Council on Clean Transportation (ICCT) für die Stickstoffemissionen von Diesel-Motoren ergeben. Bei Euro-Norm 3 sollten die Stickstoffemissionen eigentlich unter 80 mg/km liegen. Doch ein großflächiger Test mit 80.000 Fahrzeugen in England ergab, dass der durchschnittliche Ausstoß von Fahrzeugen mit Euro-Norm 3 bei 500 mg/km lag – also mehr als vier Mal höher.

Was zumindest für all die Leipziger Autobesitzer eine schlechte Nachricht sein dürfte, die seit 2009 eilig von einem alten Benziner auf einen neuen Diesel umgestiegen sind. Und das waren eine Menge. Der Anteil der Dieselfahrzeuge am Leipziger Pkw-Bestand hat sich von 19,1 Prozent im Jahr 2009 auf 22,2 Prozent im Jahr 2013 erhöht. In Zahlen ausgedrückt: die Zahl der privaten Diesel-Pkw stieg von 33.680 auf 42.562.

Der Gesetzgeber denkt nun – wie die “Zeit” am 19. Dezember berichtete – über die Abschaffung der einst unter Helmut Kohl eingeführten steuerlichen Begünstigung von Diesel-Fahrzeugen nach. Auch vor dem Hintergrund, dass die Autobauer nicht wirklich gewillt oder in der Lage scheinen, die für die Euro-Normen gesetzten Grenzwerte in den nächsten Jahren einzuhalten.

Die stark angestiegene Zahl von Diesel-Pkw in Leipzig könnte natürlich auch eine Rolle spielen bei der Nicht-Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte, bei der Emission von Stickstoffdioxiden auf jeden Fall, was im Jahresbericht 2011 auf Seite 40 zu sehen ist. An beiden innerstädtischen Messstellen wird der Grenzwert von 40 Mikrogramm/Kubikmeter seit Jahren übertroffen. Und ein Blick ins “Statistische Jahrbuch 2014” zeigt: Daran hat sich bis 2013 nichts geändert. Daran würde auch eine Grüne Welle auf der Lützner Straße nichts ändern.

Die “Zeit” zum Ende der Steuervorteile für Dieselfahrzeige: “Autolobby will Aufschub”:
www.zeit.de/mobilitaet/2014-12/diesel-abgase-sprit

Die Meldung des International Council on Clean Transportation (ICCT) zu den Stickstoffemissionsmessungen im Großtest:
www.theicct.org/sites/default/files/ICCT_PEMS-study_diesel-cars_2014_factsheet_EN.pdf

Der ICCT selbst:
www.theicct.org

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