Am gestrigen Mittwoch, 15. Oktober, stellte Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) im Leipziger Stadtrat den Doppelhaushalt für die Jahre 2015/2016 vor. Und das gleich mal vor größerer Runde, denn die am 25. Mai und 12. Oktober neu gewählten Stadträte waren auch eingeladen. Aber noch führt der alte Stadtrat die Geschäfte, der neu gewählte Stadtrat muss den Doppelhaushalt aber am 18. März 2015 beschließen. Noch hat er sich aber nicht konstituiert. Das kann noch dauern.
Dafür gab’s am Dienstag, 14. Oktober, schon mal eine Einweisung für die neu gewählten Stadträte, am heutigen Donnerstag gibt es die nächste. Denn für den Laien ist die in Leipzig praktizierte doppelte Haushaltsführung (Doppik) in der Regel ein Buch mit sieben Siegeln. Als ausgedrucktes Papier hat der Haushalt 1.400 Seiten Umfang.
Diesmal stehen sogar zwei Zahlen drauf, die wahrscheinlich dem ein oder anderen die Euro-Zeichen in die Augen treiben werden: Ein positives Ergebnis von 25 Millionen Euro im Jahr 2015 und eins von 8 Millionen Euro im Jahr 2016. Erwirtschaftet Leipzig tatsächlich Überschüsse? – Leider nein. Nur die Doppik macht es möglich, dass die Stadt scheinbar im Plus steht. Der Effekt resultiert daraus, dass die Ergebnisse der Eigenbetriebe, die der Stadt gehören, jetzt mit der Doppik ins Ergebnis der Stadt einfließen. Wenn die LWB oder die Stadtholding ein Plus erwirtschaften, taucht das auch in der Bilanz der Stadt auf. “Das Ärgerliche ist nur”, scherzt Torsten Bonew bei der Pressekonferenz, bei der er auch den Journalisten versucht zu erklären, wie die Zahlen zustande kommen, “dass die LWB den Überschuss nicht bei der Stadt einzahlen.” Denn sie brauchen ihn ja selbst, um die eigenen Investitionsprogramme zu finanzieren. Die steigern dann wieder das Vermögen der LWB und damit der Stadt – und erhöhen die Abschreibungen.
Für 2015 und 2016 jedenfalls rechnet Oberbürgermeister Burkhard Jung mit solchen positiven Ergebnissen der Stadtbetriebe. Sofern die wirtschaftliche Lage sich nicht verschlechtert. Und die ist augenblicklich für Leipzig recht günstig. “Die Einnahmesituation der Stadt Leipzig war seit 1990 noch nie so gut wie heute”, jubelt Torsten Bonew. Und zeigt den Journalisten trotzdem gleich das Schaubild, das zeigt: Die Ausgaben steigen trotzdem schneller als die Einnahmen. Grund sind die Pflichtaufgaben, die Bund und Land den Kommunen auferlegt haben – aber nicht voll ausfinanzieren. Aktuell die steigenden Kosten für die Unterbringung der Asylsuchenden. Nur 65 Prozent der Kosten übernimmt der Freistaat. Den Rest muss die Stadt selbst beisteuern und aus ihrem Haushalt abzweigen. 2015 und 2016 sind das jeweils 5 bis 6 Millionen Euro.Nicht der einzige Kostentreiber, an dem die Kommune nichts ändern kann. Allein 2015 entstehen – durch Mehrkosten bei Hilfen zur Erziehung, Kosten der Unterkunft, Kita-Betreuung usw. Mehrkosten von 37 Millionen Euro, 2016 sind es 56 Millionen. Das sieht nach nicht viel aus in Jahreshaushalten von 1,45 bzw. 1,48 Milliarden Euro. Aber der Löwenanteil in diesen Haushalten besteht aus Pflichtaufgaben und aus Personalkosten. Letztere steigen übrigens regelmäßig. 2018 schlagen auch die Personalkosten mit 18 Millionen Euro extra zu, 2016 sind es 28 Millionen.
Und auch wenn Torsten Bonew mit deutlich steigenden Steuereinnahmen rechnet, wird das nicht ausgeglichen. Nach 454 Millionen Euro Steuereinnahmen rechnet er für 2014 mit 469 Millionen, im nächsten Jahr sogar mit 507 Millionen und im Folgejahr mit 522 Millionen. Grund dafür seien deutlich steigende Gewerbesteuereinnahmen und auch steigende Einnahmen bei der Einkommensteuer – die Leipziger verdienen im Schnitt mehr als in den Vorjahren und mehr Leipziger haben eine sozialversicherungspflichtige Arbeit. Auch über das Finanzausgleichgesetz des Freistaats (FAG) kommt ein bisschen mehr Geld (rund 10 Millionen bzw. 20 Millionen Euro) in die Kasse.
Und es reicht trotzdem nicht.
Tatsächlich bleiben in beiden Jahren Minusbeträge unterm Strich: 2015 sind es 20 Millionen Euro, 2016 dann 22 Millionen Euro.
Und das bei zwei Jahreshaushalten, denen sowieso schon der strenge Sparhaushalt von 2014 zugrunde gelegt wurde (der auch schon mit einem erwarteten Minus von 16 Millionen Euro schließt). Kein Ressort bekommt mehr Geld als in diesem Jahr – ausgenommen die Pflichtaufgaben. Die sind und bleiben die Kostentreiber.OBM Burkhard Jung, der für die SPD mit eingebunden ist in die Koalitionsverhandlungen in Dresden, hofft zwar, dass dabei die CDU überzeugt werden kann, dass die Kommunen gerade bei den Pflichtaufgaben eine bessere Kompensation erhalten. Aber das sei – bei durchaus harten Positionen – längst nicht entschieden. Und völlig offen ist ja auch noch, wie sich die Wirtschaft tatsächlich entwickelt. Eine große Wirtschaftskrise wie 2008/2009 darf nicht kommen. “Wenn uns das wirtschaftliche Wachstum nicht weiter so gelingt, haben wir ein Problem”, sagt Jung.
Leipzig steckt in der Wachstumsklemme. Gleich in mehrfachem Sinn, denn viele Kosten steigen ja, weil die Bevölkerungszahl steigt – bei der Jugendfürsorge genauso wie bei Kitas und Schulen. Was dann auch bedeutet: Leipzig muss seine Investitionsquote hochhalten. 10 Prozent sind das Ziel, 10 Prozent des Haushalts fließen in Investitionen – Brücken, Straßen, Radwege, Kitas, Schulen. 158 Millionen Euro sollen 2015 investiert werden, 138 Millionen im Folgejahr. Da stecken zum Beispiel das Gymnasium in der Telemannstraße drin, die Sportoberschule in der Goyastraße oder die Antonienbrücke. Wobei Torsten Bonew an dieser Stelle noch betont: “Im Gegensatz zu vielen anderen Städten lebt Leipzig nicht von der Substanz. Wir investieren mehr, als wir abschreiben.” Die Höhe der jährlichen Abschreibungen auf den Besitz der Stadt Leipzig liegt bei 110 Millionen Euro.
Für Burkhard Jung heißt das aber auch, dass sich die Landespolitik ändern muss. Gegenüber den drei wachsenden Großstädten Dresden, Chemnitz und Leipzig sowieso. “Das ist eine Herausforderung, die wir jetzt annehmen müssen”, sagt er. Und redet dem künftigen Koalitionspartner in Dresden auch ins Gewissen. Denn die CDU geht nach wie vor von einer schrumpfenden Bevölkerung in Sachsen aus. “Das seh ich nicht mehr”, sagt Jung. “Ich glaube eher, dass das Wachstum der Großstädte dafür sorgt, dass die Bevölkerung in Sachsen nicht mehr zurückgeht.”
Die Prognosezahlen aus dem Landesamt für Statistik hält er sowieso schon für überholt. Das verheißt Leipzig bis 2020 eine Einwohnerzahl von 585.000. “Wir werden schon in diesem Jahr 550.000 haben”, sagt Jung. “Da werden es 2020 erst recht mehr.”Von Bonew bekommt er Schützenhilfe, was die Forderungen an die neue Regierung betrifft. “Von meiner Seite gibt es die klare Aufforderung an den Freistaat Sachsen, hier der demografischen Entwicklung weiter nachzukommen.”
Vorerst sieht er sich gezwungen, den Haushalt unterjährig direkt über den Cashflow zu steuern und damit die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) der Stadt zu erhalten. 54 Millionen Euro hat die Stadt per 1. Januar als liquide Mittel auf dem Konto und kann damit auch unterjährig reagieren. Wenn die Minusbeträge wie berechnet so eintreten, schmelzen die liquiden Mittel logischerweise ab. Auf 27 Millionen im Jahr 2016, auf knapp 8 Millionen im nächsten Jahr. “Wir werden uns sehr genau mit dem Cashflow beschäftigen müssen”, sagt Jung. Und Bonew warnt, dass er auf keinen Fall in die Zwangslage kommen möchte, Kassenkredite aufnehmen zu müssen.
Wobei im ganzen Zahlenwerk auch noch ein Betrag steckt, der nicht unerwähnt bleiben soll: 30 Millionen Euro, die veranschlagte Rate, mit der der Schuldenstand der Stadt weiter gesenkt werden soll.
Im Dezember 2013 waren es (jetzt offiziell) noch 708 Millionen gewesen. Per 9. September 2014 betrug Leipzigs Schuldenstand noch 661,8 Millionen Euro. Das Ziel 2037 bleibe bestehen, sagt Bonew: Dann soll Leipzig schuldenfrei sein.
Nach dem Stadtratsbeschluss im März hofft Bonew auf eine zügige Genehmigung der beiden Jahreshaushalte 2015 und 2016 durch die Landesdirektion.
Am 6. November soll es erst einmal eine Bürgersprechstunde dazu geben. Bürgereinwände können bis zum 18. Dezember eingereicht werden, der neu gewählte Stadtrat bekommt bis zum 16. Januar Frist.
Nur eins werde er wohl jetzt gerade den Stadträten immer wieder aufs Neue erklären müssen: Dass sie die 25 Millionen Euro Plus im Jahr 2015 und die 8 Millionen Plus im Folgejahr nicht ausgeben können. Das Geld steht nur in den Büchern, verfügbar ist es leider nicht.
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