Die Stadt Leipzig verspricht sich eine internationale Außenwirkung und steigende Umsätze während der Zeit vom 25. bis 29. Mai 2016. Der 100. Katholikentag soll in Leipzig gefeiert werden, angesichts der Dimensionen zurückliegender Veranstaltungen ein wirkliches Großereignis für die Tourismusbranche. Während die Stadt mit Rückflüssen "in die Stadt" über verschiedenste Kanäle in Höhe von mindestens 4,3 Millionen Euro rechnet, entzündet sich die Debatte derzeit daran, wieso das gastgebende Leipzig vorab eine Million aus Steuermitteln ausgeben soll. Vor allem die Kulturkürzungen der vergangenen Jahre und die vielen offenen "Baustellen" in der Messestadt treten nun wieder zu Tage. So auch der fehlende Masterplan zum Naturkundemuseum.
Während sich die Leipziger Piratenpartei und dies im vorrangig atheistisch geprägten Leipzig weiß Gott nicht allein über die Frage der Staatsnähe der katholischen Kirche erregt, kommt nun aus dem Verein der Freunde und Förderer des Naturkundemuseums ein unmissverständlicher Hinweis auf Liegengebliebenes im federführenden Kulturdezernat. Der Masterplan, die Fortsetzung der Lösungssuche rings um das wackelnde Gebäude am Lortzingring 3 war für das zweite Quartal, also bis zum 30. Juni 2014 nach gehörigen Verspätungen vorab versprochen worden.
Vorgelegt wurde den Stadträten immer noch nichts und längst deutet sich an, dass der Versuch, den grundlegenden Umbau des Wilhelm-Leuschnerplatzes zum “Freiheits- und Einheitsdenkmal” (FED) auch mit der Umnutzung des ehemaligen Bowlingcenters in das Naturkundemuseum und der Errichtung einer Markthalle gemeinsam gedacht werden sollte. Auch von einem Verkauf des alten Standortes des Naturkundemuseums wurde in diesem Zusammenhang immer wieder gemunkelt. Die Lieblingsvariante von Kulturbürgermeister Michael Faber – statt der Sanierung und des Ausbaus des alten Standortes Lortzingstraße hier ein neues unterirdisches Naturkundemuseum zu realisieren, könnte längst an den Verzögerungen und den möglichen tiefgreifenden Veränderungen bei der Standortwahl beim FED kranken.
Dass sich dieses Thema nunmehr an der Ausrichtung des Katholikentages 2016 reibt, hat für den Naturkundemuseumsverein schlicht mit der Höhe der städtisch eingesetzten Mittel und Ressourcen sowie der Frage nach der Gerechtigkeit zu tun. Ein gute Gelegenheit, sich wieder in Erinnerung zu bringen, ist es außerdem. Denn, so der Verein heute: “Niemand hat etwas gegen einen Katholikentag in Leipzig, aber wo bleiben Verhältnismäßigkeit und Gerechtigkeit? So entsteht bei der Bevölkerung der Eindruck, dass die Stadt für alles ausreichend Geld hat, nur nicht für unser Naturkundemuseum. Dem wurden in den letzten Jahren die Finanzmittel an den Rand des Existenzminimums gekürzt. Das 100-jährige Jubiläum der Dauerausstellung im Naturkundemuseum im Jahr 2012 war der Verwaltung z.B. Null Euro wert. Für eine lange versprochene Ertüchtigung und Modernisierung des Naturkundemuseums ist und war bisher kein Geld da. Wir fragen deshalb die Leipziger Öffentlichkeit: Wie gerecht geht die Leipziger Stadtverwaltung mit dem Geld der Leipziger Bürger um?!”
Für Dr. Monika Schütze-König vom Vorstand des Fördervereins gärt es längst in der Leipziger Bevölkerung: “Nicht nur unsere Mitglieder vom Förderverein, sondern hunderte von Leipzigern fragten uns in den letzten Wochen auf Infoständen z.B. zur Ökofete oder zum Funkenburgfest: Wann bekommt Leipzig endlich ein modernes Naturkundemuseum mit ausreichend Platz für seine Ausstellungen und Sammlungen?!”.
Für Sebastian Koch, Vorstands-Beisitzer des Vereins, auch eine Frage von Mehrheiten und dem Wunsch vieler Leipziger nach einer nachhaltigen Lösung für eine traditionsreiche Leipziger Museumseinrichtung: “Mehr als 23.000 Unterzeichner forderten 2010/11 in einer Petition des Fördervereins, dass das Leipziger Naturkundemuseum nicht geschlossen werden darf und die lange versprochene Modernisierung endlich eingeleitet werden muss!” Weshalb sich der Verein nun frage, wenn ” … die Stadtverwaltung von Leipzig eben mal so eine Million Euro für die Durchführung des Katholikentages in Leipzig übrig hat, wann hat sie endlich das Geld für ein modernes, der Stadt angemessenes, Naturkundemuseum?!”.
Für den Verein also auf der einen Seite keine Lösung für ” … eine Bildungseinrichtung, die mit dem Wissen von 50 Millionen Jahren Klima- und Landschaftswandel in der Region entscheidende Wissensgrundlagen für die Entwicklung der Lebensgrundlagen der Zukunft bieten könnte!” Und auf der anderen Seite die Frage “wie nachhaltig (…) demgegenüber Millionen Euro für Straßenfeste, Festivitäten und Ereignisse, die nach wenigen Tagen vorbei sind?”.
Dem hat die Verwaltung vorsorglich versucht, eine Berechnung bereits in der Verwaltungsvorlage für die Stadtratssitzung am Mittwoch, 16. Juli entgegenzustellen. Nach diesen erhofft sich die Stadt bei durchschnittlich 50.000 Gästen pro Tag (am Beispiel Mannheims) Umsätze an den fünf Maitagen 2016 gesamt durch Ausgaben der Teilnehmer, welche Leipzig besuchen werden, in Höhe von gesamt 5,6 Millionen Euro.
Weiterhin erhofft sich die Stadt direkte und indirekte Rückflüsse in die Stadt, welche laut Begründung des Verwaltungsvorschlages zur Zahlung der einen Million Euro Einnahmen von mindestens 4,3 Millionen ergeben sollen. Und auch hier kommt das gesamte Instrumentarium zu Einsatz, welches die Umgebungskosten für den Veranstalter beschreibt.
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Mieten für städtische Veranstaltungsräume, Gebühren für die Nutzung öffentlicher Räume, Genehmigungsgebühren. Indirekte Rückflüsse seien im Weiteren an stadteigene Gesellschaften, Beauftragung von Dienstleistern und Produzenten, die in der Stadt ansässig sind, Rückflüsse an Kulturgruppen, die auf den Katholikentag eingeladen werden, Rückflüsse an die Stadt über Steuern und Ausgaben der rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Katholikentags-Geschäftsstelle, Hotels, Catering für 3.000 Mitwirkende, Künstler, Organisatoren, Büro (in Mannheim sollen es 1.500 qm für 2 Jahre gewesen sein) hier also Miete, Ausrüstung und Verbrauch.
Im Kulturdezernat hat man also unter der fachkundigen Mitwirkung Peter Matzkes (ehemals Wave-Gotik-Treffen, heute Koordinator Veranstaltungen bei der Stadt) für das Großevent “Katholikentag” begonnen, die sogenannte Umwegrendite als Begründung für die Ausgabe von kommunalen Steuergeldern einzuberechnen. Kein neuer Gedanke, doch hier überdeutlich im Spiel. Das werden andere Veranstalter größerer Veranstaltungen sicher gern hören und vielleicht selbst zukünftig Steuergeldzuschüsse direkt abfragen. Im Grunde ist diese Art der Kalkulation durchaus gerechtfertigt. Nur fehlt derzeit noch die Schätzung der direkten Steuereinnahmen der Stadt Leipzig bei den scheinbar gigantischen Umsätzen für die Leipziger Unternehmen und die oft nicht so Leipziger Hotelketten. Wohin nämlich anschließend Steuergelder so alles abfließen, ist in Leipzig angesichts der wenigen Zentralen von größeren Unternehmen längst Legende.
Dann könnte man, will man die Sache schon wirtschaftlich begründen, die Umläufe in der städtschen Steuerkasse auch fiskalisch korrekt bewerten, statt beeindruckende Millionensummen in den Raum zu werfen. Gelingt der Coup, verdient die Stadt Leipzig am Katholikentag und das Stadtsäckel füllt sich mit zusätzlichen Steuern oberhalb der einen Million.
Bis dahin kann man vielleicht etwas zugespitzt formulieren: Die Vermarktung von Glauben rechnet sich, die zeitgemäße Vermittlung von Wissen über die Natur ist dagegen ein eher zähes Ringen. Im Angesicht der durchaus reichen katholischen Kirche in Deutschland könnte man hinzufügen: Wer hat, dem wird gegeben. Auch unter Papst Franziskus. Aber vielleicht weiß er noch gar nichts davon, dass seine deutschen Glaubensbrüder insgesamt 4,5 Millionen Euro Steuergeld bei Bund, Land und Stadt Leipzig beantragten, um ein Fest des Glaubens auszurichten?
Zum Artikel vom 15. Juli 2014 auf L-IZ.de
Mit Moses durch Leipzig: Der Katholikentag und das 11. Gebot
Zu den Berechnungen der Verwaltung in der Begründung zum Antrag auf den Zuschuss zum Katholikentag 2016 (ab Seite 9)
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