Ein Sozialbürgermeister in Leipzig hat es nicht leicht. Erst muss er Jahre lang darum kämpfen, dass die vom Gesetzgeber formulierten "Vorrangkriterien" für eine Kita-Platz-Vergabe in Leipzig nicht allzu resolut angewendet werden, dann ändert der Gesetzgeber seine Haltung - und nun muss er erklären, warum er die Vorrangkriterien überhaupt noch anwendet. Ein Katz-und-Maus-Spiel - diesmal mit der FDP.

2011 war es FDP-Stadtrat Dr. Arnd Besser, der sich Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) vorknöpfte und eine Anwendung der Vorrangkriterien forderte: “Vom Gericht wird gefordert, dass die im Achten Sozialgesetzbuch genannten Vorrangkriterien Anwendung finden. Hierzu fordern die Richter ein schriftliches Konzept, welches es bislang nicht gibt. Zukünftig soll ein Bewerberpool gebildet werden. Anhand von Vorrangkriterien sollen bspw. berufstätige Eltern bevorzugt einen Kitaplatz erhalten.”

Aber diese Haltung fand damals auch im Stadtrat keine Mehrheit. Denn nicht nur berufstätige Eltern hatten (und haben) ein Problem, einen Betreuungsplatz für die Kinder zu finden, sondern auch arbeitsuchende Eltern, Eltern in Ausbildung und Umschulungen usw.

Seitdem aber gab es ja bekanntlich ein Umdenken auf Bundesebene und der Gesetzgeber verordnete sogar einen Rechtsanspruch für alle Kinder ab vollendetem ersten Lebensjahr auf einen Betreuungsplatz. Was das Kita-Platz-Problem in Leipzig noch verschärfte.Am 12. März stellte nun FDP-Stadträtin Isabel Siebert die Frage, warum Leipzig noch immer Vorrangkriterien anwende. Formuliert so: “Wie kommt die Stadtverwaltung zur Auffassung, dass die Erfüllung des Rechtsanspruches an bestimmte Bedingungen geknüpft ist?”

Und Fabian antwortete, dass “die bis zum 31.07.2013 geltenden Kriterien aus § 24 a SGB VIII angewandt” würden, er spricht von “dringlichsten Bedarfen”. Und wieder ist es falsch. Isabel Siebert findet es “vollkommen inakzeptabel”.

Diese Kriterien galten für Unterdreijährige bis zum Einsetzen des allgemeinen Rechtsanspruches im August letzten Jahres. Bei dieser Regelung werden bspw. Kinder von berufstätigen Eltern bevorzugt, stellt die FDP-Stadträtin fest. “Das Vorgehen der Stadt mag auf den ersten Blick nachvollziehbar sein. Allerdings ist es ein klarer Rechtsbruch”, erklärt Siebert nun in einer ersten Reaktion. “Darüber hinaus hat die Stadt offenbar das Sozialgesetzbuch nicht verstanden. Darin stehen die Kinder und nicht die Eltern im Mittelpunkt. Der Rechtsanspruch ist ein Recht auf Frühförderung der Kinder und nicht auf Verwahrung von Kindern berufstätiger Eltern. Diese Denke ist vollkommen überholt.”

Und das erklärt sie Thomas Fabian, der seit Antritt seines Amtes als Sozialbürgermeister kaum etwas anderes so oft predigt wie die Frühförderung in den Kindertagesstätten. Und das mitten im Jahr eines endlich entfachten Bau-Booms bei Kindertagesstätten. Nur wenn genug Plätze zur Verfügung stehen, können auch endlich alle Wünsche nach Betreuungsplätzen erfüllt werden.

Aber Isabel Siebert ist da mal ein bisschen unerbittlich und fordert neuerlich echte Hilfe und unkomplizierte Angebote für betroffene Familien statt Benachteiligung: “Es geht in erster Linie um die Kinder. Für die aktuelle Mangelverwaltung braucht es transparente und rechtssichere Kriterien, die einzelne Kinder nicht benachteiligen. Aber nichts anderes ist die von Bürgermeister Fabian geschilderte Praxis: Kinder von nichtberufstätigen Eltern haben offenbar keine Chance auf Hilfe seitens der Stadt. Das ist vollkommen inakzeptabel. Alle Kinder müssen unabhängig von der Beschäftigung ihrer Eltern endlich gleich behandelt werden. Die fortdauernde Anwendung der Vorrangkriterien muss zügig weg. Andernfalls läuft die Stadt neuerlich Gefahr in eine Klagewelle zu schlittern.”

So ist das 2014. Was 2011 usus war, sollte man jetzt ganz schnell vergessen.

Die Antwort auf die Anfrage von Isabel Siebert: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/5AEC4F49F5A42C53C1257CCA001C31C5/$FILE/V-DF-39-antwort.pdf

Die FDP-Anfrage von 2011: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/05CA80C8E3259686C125796B004E775F/$FILE/V-f-498.pdf

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