Neuer Alarm bei Leipzigs Jugendhilfeträgern: Leipziger Beratungsstellen von Schließungswelle bedroht

Erneute Unruhe unter den Jugendhilfeträgern: Kaum ist die Schließung der beiden Medienprojekte für Jugendliche in Leipzig sowie von vier Jugendzentren abgewendet, stehen neue Diskussionen an: Diesmal um die Jugendberatungsstellen und eine Erziehungs- und Familienberatungsstelle.

Nach Plänen des Amtes für Jugend, Familie und Bildung sollen alle vier Jugendberatungsstellen in Leipzig noch im ersten Halbjahr abgewickelt werden. Zudem hat die Stadt bereits zum Ende Februar dem Caktus e.V. die Leistungs- und Kostenvereinbarung seiner Erziehungs- und Familienberatungsstelle in der Riemannstraße gekündigt. Die Arbeitsgemeinschaft der freien Träger der Jugendhilfe (AGFT) schlägt deshalb jetzt Alarm.

Anstelle der vier im Stadtgebiet verteilten Jugendberatungsstellen soll eine neue zentrale Beratungseinrichtung geschaffen werden – allerdings mit nur etwa der Hälfte der bisherigen Personalstellen. Und das, obwohl es bereits jetzt teilweise Wartelisten gibt. Einen neuen Standort hat die Stadtverwaltung dafür auch bereits in Blick: Die Axispassage direkt neben dem Jobcenter. Dadurch erhofft sich die Stadt eine bessere Zusammenarbeit des Jobcenters mit den Sozialarbeitern der Jugendberatung.

“Aus Sicht der Beratungsstellen gibt es diese seit Jahren. Eine noch engere Vernetzung ist sicher zu begrüßen, sie mit einer Umstrukturierung zu verbinden hat allerdings auch Nachteile”, so der geschäftsführende Leiter vom Jugendhaus Leipzig, Andreas Kreusch. “Zum einen ist der Standort in Möckern nicht wirklich aus allen Stadtteilen gut zu erreichen. Viel schlimmer wird sein, dass die Nutzer die Beratungsstelle als Teil des Jobcenters empfinden werden. Wer Probleme mit dem Jobcenter hat, und das sind nicht wenige Jugendliche, wird sich dort sicher keinen Rat holen. Für diese Jugendlichen gibt es dann in der ganzen Stadt kein vergleichbares Hilfsangebot mehr.”

Mit den bisherigen Trägern wurde das neue Konzept nicht diskutiert, bestätigte das Amt für Jugend, Familie und Bildung im Jugendhilfe-Ausschuss. Sie haben im Rahmen der Förderdiskussion vor zwei Monaten das erste Mal davon erfahren. Und das, obwohl das Amt für Jugend, Familie und Bildung erst vor einem reichlichen Jahr neue Gremien eingerichtet hat, in denen solche fachliche Diskussionen geführt werden sollten. Der Facharbeitskreis hat sich mehrfach getroffen. Überlegungen über solche grundsätzliche Veränderungen bei den Beratungsstellen wurden dort nicht angesprochen. Die Jugendberatungsstellen haben deshalb schriftlich das Amt für Jugend, Familie und Bildung gebeten, bei einer Entscheidungsfindung verschiedene fachliche Aspekte und Fragestellungen zu berücksichtigen und in den Prozess einbezogen zu werden. Dieser Einbezug erfolgte bisher nicht. Die Umstrukturierung ist beschlossen, aber es ist zu bezweifeln, dass ein eventuell neuer Träger der Beratungsstelle im Juli arbeitsfähig sein kann. Bisher gibt es noch nicht einmal eine Ausschreibung. “Wenn die Politik hier nicht eingreift, werden wir Mitte des Jahres keine Beratungsmöglichkeiten für Jugendliche in der Stadt haben, eingespielte Fachteams werden zerschlagen, bekannte Anlaufstellen geschlossen. Ein Neuanfang wird dann vor allem erst mal eins: teuer. Da alle Strukturen neu aufgebaut werden müssen”, erwartet Andreas Kreusch.

Völlig unklar ist die Strategie der Stadt gegenüber der Erziehungs- und Familienberatungsstelle des Caktus e.V.. Seit 1991 werden in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle Leipziger Kinder, Jugendliche, Familien und Eltern betreut. Seit 1993 fördert das Jugendamt die Beratungsstelle, zunächst unter dem Dach des Kiebitz e.V. und seit 1996 unter dem Dach des Caktus e.V.. Der Schwerpunkt der Beratungsstelle liegt seit vielen Jahren in der Arbeit mit Migranten und Migrantinnen. “Das Amt für Jugend, Familie und Bildung konnte uns bisher keinen konkreten Grund nennen”, wundert sich die Leiterin der Beratungsstelle Katrin Tutar. “Beim letzten Trägergespräch im Mai 2013 bestätigte uns das Amt noch gute Arbeit. Wir können nur vermuten, dass der Ärger mit den Aktivitäten ehemaliger Mitarbeiter zu tun hat, die ihrer Unzufriedenheit über die Nicht-Fortsetzung ihrer Arbeit beim Caktus e.V. in diffamierender Weise gegenüber Ämtern der Stadt Leipzig Luft gemacht haben.”
Nach Informationen des Caktus e.V. wurde der Jugendhilfe-Ausschuss nicht vom Amt für Jugend, Familie und Bildung unterrichtet, sondern erfuhr erst im Januar durch den Träger der Beratungsstelle von der Kündigung. Obwohl die Erziehungs- und Familienberatungsstellen im vergangenen Jahr mehrfach Thema waren, war damals von Problemen nicht die Rede. Und auch als der neue Fachplan Erziehungs- und Familienberatungsstellen im Jahr 2013 vom Jugendhilfe-Ausschuss beraten und beschlossen wurde und schließlich im Oktober 2013 durch den Stadtrat beschlossen wurde, gab es keine entsprechende Problemanzeige.

“Bei den Beratungsstellen werden Fakten geschaffen, bevor klar ist, wohin die Reise gehen soll. Das wird zwei Auswirkungen haben: erstens wird es mehr Menschen geben, die keine Unterstützung finden. Und zweitens wird der dann notwendige hastige Neuaufbau viel Geld verschlingen, welches durch eine sinnvolle Planung zusammen mit den Akteuren gespart werden könnte”, befürchtet Oliver Reiner, Koordinator der Arbeitsgemeinschaft der freien Träger der Jugendhilfe.

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